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Verjährungsrechtliche Behandlung einer Pflichtverletzung bei Aufklärungs- und Beratungsfehlern

BGH 2.7.2015, III ZR 149/14

Wird der Scha­dens­er­satz­an­spruch ei­nes An­le­gers auf ver­schie­dene Aufklärungs- oder Be­ra­tungs­feh­ler gestützt, ist jede Pflicht­ver­let­zung verjährungs­recht­lich selbständig zu be­han­deln. Bei der ein­ge­schränk­ten Fun­gi­bi­lität ei­ner Kom­man­dit­be­tei­li­gung an einem ge­schlos­se­nen Im­mo­bi­li­en­fonds und der feh­len­den Eig­nung der Be­tei­li­gung zur Al­ters­vor­sorge han­delt es sich um von­ein­an­der ab­grenz­bare Ge­sichts­punkte, die Ge­gen­stand ei­genständi­ger Aufklärungs- und Be­ra­tungs­pflich­ten sein können, die verjährungs­recht­lich selbständig zu be­han­deln sind.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger hatte auf Ver­mitt­lung des für die Be­klagte täti­gen M. An­fang Juni 1994 eine Kom­man­dit­be­tei­li­gung über 60.000 DM an einem ge­schlos­se­nen Im­mo­bi­li­en­fonds ge­zeich­net. In dem den An­le­gern mit­ge­teil­ten Re­chen­schafts­be­richt der Fonds­ge­sell­schaft für das Jahr 2006 hieß es u.a.: "Auf­grund des ne­ga­ti­ven Jah­res­er­geb­nis­ses schlägt die Ge­schäftsführung in Ab­stim­mung mit dem Bei­rat vor, für das Ge­schäfts­jahr 2006 keine Aus­schüttung vor­zu­neh­men. Die An­le­ger ha­ben grundsätz­lich das Ri­siko, im In­sol­venz­fall die bis­her er­hal­te­nen Aus­schüttun­gen zurück­zah­len zu müssen (§ 172, 4 HGB)."

Der Kläger be­haup­tete, er habe sei­ner­zeit dem M. erklärt, dass er grundsätz­lich nur an si­che­ren An­la­ge­pro­duk­ten in­ter­es­siert sei, die auch zur Al­ters­vor­sorge ge­eig­net seien. Der M. habe dar­auf­hin den streit­ge­genständ­li­chen Fonds als lu­kra­tive und si­chere An­lage vor­ge­stellt, die durch ih­ren Sach­wert vor In­fla­tion ge­schützt und auch für die Al­ters­vor­sorge ge­eig­net sei. Pflicht­wid­rig habe er nicht darüber auf­geklärt, dass es sich u.a. um eine un­ter­neh­me­ri­sche Be­tei­li­gung mit einem To­tal­ver­lust­ri­siko han­dele, die Be­tei­li­gung wirt­schaft­lich nicht plau­si­bel sei und die Fun­gi­bi­lität der An­lage fehle. Der Fonds­pro­spekt sei ihm, dem Kläger, erst un­gefähr zwei Jahre nach Zeich­nung über­sandt wor­den.

Die Be­klagte er­hob die Ein­rede der Verjährung. Hierzu trug sie vor, der Kläger habe durch den Pro­spekt und die jähr­li­chen Re­chen­schafts­be­richte Kennt­nis darüber er­langt bzw. er­lan­gen können, dass die ge­zeich­nete Be­tei­li­gung die nun­mehr ein­ge­wand­ten Ri­si­ken auf­weise. Die jähr­li­chen Aus­schüttun­gen seien seit dem Jahr 1998 hin­ter den pro­spek­tier­ten Aus­schüttun­gen zurück­ge­blie­ben und hätten in den Fol­ge­jah­ren im­mer wei­ter ab­ge­nom­men.

LG und KG wie­sen die am 16.12.2011 bei Ge­richt ein­ge­gan­gene Klage auf Scha­dens­er­satz ab, da et­waige auf die Ver­let­zung ei­ner Aufklärungs- oder Be­ra­tungs­flicht gestützte An­sprüche des Klägers spätes­tens zum 31.12.2010 verjährt seien. Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BGH den Be­schluss des KG in­so­weit auf, als die Klage auch im Hin­blick auf den Vor­wurf der un­ter­blie­be­nen Aufklärung über die ein­ge­schränkte Fun­gi­bi­lität der Be­tei­li­gung ab­ge­wie­sen wor­den war und in die­sem Um­fang die Sa­che zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das KG zurück.

Gründe:
Die re­gelmäßige Verjährungs­frist be­ginnt nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jah­res, in dem der An­spruch ent­stan­den ist und der Gläubi­ger von den An­spruch begründen­den Umständen und der Per­son des Schuld­ners Kennt­nis er­langt oder ohne grobe Fahrlässig­keit er­lan­gen müsste. Nach BGH-Recht­spre­chung be­ginnt die Verjährung nicht ein­heit­lich, wenn ein Scha­dens­er­satz­an­spruch auf meh­rere ver­schie­dene Aufklärungs­feh­ler gestützt wird und wenn bezüglich (nur) ei­nes Feh­lers Kennt­nis oder grob fahrlässige Un­kennt­nis vor­liegt. Die Auf­fas­sung des KG, nach der vor­lie­gend nicht ver­schie­dene Aufklärungs- und Be­ra­tungs­feh­ler an­zu­neh­men wa­ren, son­dern nur ein - überg­rei­fen­der - Be­ra­tungs­feh­ler der feh­len­den Mit­tei­lung von Ri­si­ken und des Ver­kaufs der An­lage als ge­eig­net für eine Al­ters­vor­sorge, war mit die­sen Grundsätzen nicht ver­ein­bar.

Der Vor­wurf der feh­ler­haf­ten Aufklärung über die Eig­nung der An­lage zur Al­ters­vor­sorge ei­ner­seits und der Vor­wurf der un­ter­blie­be­nen Aufklärung über die ein­ge­schränkte Fun­gi­bi­lität der Be­tei­li­gung an­de­rer­seits las­sen sich nicht zu ei­ner Ein­heit zu­sam­men­fas­sen und in­so­weit als un­selbständige Be­stand­teile ei­ner ein­zi­gen Pflicht­ver­let­zung cha­rak­te­ri­sie­ren. Nach BGH-Recht­spre­chung ist grundsätz­lich auch bei An­la­gen, die der Al­ters­vor­sorge die­nen, über eine in Er­man­ge­lung ei­nes ent­spre­chen­den Markts ein­ge­schränkte Fun­gi­bi­lität von An­tei­len an ge­schlos­se­nen Im­mo­bi­li­en­fonds auf­zuklären. Die prak­ti­sch feh­lende Aus­sicht, eine Kom­man­dit­be­tei­li­gung an einem ge­schlos­se­nen Im­mo­bi­li­en­fonds zu an­ge­mes­se­nen Kon­di­tio­nen ver­kau­fen zu können, ist ein Um­stand, der für den durch­schnitt­li­chen An­le­ger für seine An­la­ge­ent­schei­dung von er­heb­li­cher Be­deu­tung ist.

Über die ein­ge­schränkte Fun­gi­bi­lität ei­ner Be­tei­li­gung ist nicht we­gen der Be­deu­tung der Fun­gi­bi­lität für die Eig­nung der An­lage zur Al­ters­si­che­rung, son­dern trotz des Al­ters­si­che­rungs­zwecks der An­lage auf­zuklären. Die Fun­gi­bi­lität der Be­tei­li­gung ge­winnt für den An­le­ger ge­rade dann an Be­deu­tung, wenn er von sei­nem bis­he­ri­gen An­la­ge­ziel der Al­ters­si­che­rung ab­wei­chen und die Be­tei­li­gung vor­zei­tig ver­wer­ten will. Dar­aus folgt, dass die un­ter­blie­bene Aufklärung über die ein­ge­schränkte Fun­gi­bi­lität kei­nen hin­rei­chen­den in­halt­li­chen Be­zug zu ei­ner eben­falls un­ter­blie­be­nen oder feh­ler­haf­ten Aufklärung über die man­gelnde Eig­nung der An­lage zur Al­ters­si­che­rung auf­weist, der beide Aufklärungs­feh­ler zu einem ein­heit­li­chen Be­ra­tungs­feh­ler zu­sam­men­zu­fas­sen ver­mag.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BGH veröff­ent­licht.
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