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Swap-Vertrag: Anforderungen an den Vortrag des Bank-Kunden hinsichtlich einer Beratungspflichtverletzung

BGH 22.3.2016, XI ZR 93/15

Ein Kunde, der eine be­ra­tende Bank we­gen der Ver­let­zung ih­rer Ver­pflich­tung in An­spruch nimmt, über das Ein­prei­sen ei­nes anfäng­li­chen ne­ga­ti­ven Markt­werts in einen mit ihr ge­schlos­se­nen Swap-Ver­trag auf­zuklären, muss im Pro­zess zur Höhe des anfäng­li­chen ne­ga­ti­ven Markt­werts nicht vor­tra­gen. Die Ver­pflich­tung der Bank zur Kund­gabe der Höhe des anfäng­li­chen ne­ga­ti­ven Markt­werts be­ruht ge­rade dar­auf, dass der Kunde das Ein­struk­tu­rie­ren der Brut­to­marge in die Ri­si­ko­struk­tur des Swap-Ver­tra­ges nicht er­ken­nen kann, so dass ihm im Pro­zess näherer Vor­trag zur Höhe nicht ab­ver­langt wer­den kann.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin zu 1) ist eine GmbH, die mit der Be­klag­ten zu 1) im März 2006 einen Rah­men­ver­trag für Fi­nanz­ter­min­ge­schäfte ab­ge­schlos­sen hatte. Je­weils nach vor­an­ge­gan­ge­ner Be­ra­tung durch Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten zu 1) wurde im Fe­bruar 2007 ein Cross-Cur­rency-Swap-Ver­trag (CCS-Ver­trag I) mit ei­ner Lauf­zeit bis No­vem­ber 2013 so­wie im März 2007 ein Cur­rency-Re­la­ted-Swap-Ver­trag (CRS-Ver­trag) mit ei­ner Lauf­zeit bis Juni 2017 ab­ge­schlos­sen. Schließlich ver­ein­bar­ten die Par­teien im Sep­tem­ber 2007 einen wei­te­ren Cross-Cur­rency-Swap-Ver­trag (CCS-Ver­trag II) mit ei­ner Lauf­zeit bis Juni 2017. Sämt­li­che Verträge wie­sen bei Ab­schluss aus Sicht der Kläge­rin zu 1) einen anfäng­li­chen ne­ga­ti­ven Markt­wert auf, über des­sen Vor­han­den­sein und Höhe die Be­klagte zu 1) die Kläge­rin zu 1) nicht un­ter­rich­tet hatte.

Im Juni 2010 über­nah­men die Kläger zu 2) und 3) als Ge­sell­schaf­ter und Ge­schäftsführer je­weils selbst­schuld­ne­ri­sche Höchst­be­tragsbürg­schaf­ten bis zu einem Be­trag von 500.000 € ge­genüber den Be­klag­ten, wo­bei als ge­si­chert be­zeich­net wa­ren "alle be­ste­hen­den, künf­ti­gen, be­ding­ten und be­fris­te­ten An­sprüche, die der Bank aus dem mit der Kläge­rin zu 1) ab­ge­schlos­se­nen Rah­men­ver­trag für Fi­nanz­ter­min­ge­schäfte so­wie den in die­sem Rah­men­ver­trag ein­be­zo­ge­nen Zins­satz- und Währungs­swap zu­ste­hen".

Im April 2012 ei­nig­ten sich die Kläge­rin zu 1) und die Be­klagte zu 1) darüber, die Swaps um­ge­hend auf­zulösen. Es wur­den Auflösungs­beträge ver­ein­bart, Im Juni 2012 gewährte die Be­klagte zu 1) der Kläge­rin zu 1) ein An­nuitäten­dar­le­hen über rund 6,5 Mio. €. In dem Dar­le­hens­ver­trag hiel­ten die Par­teien u.a. fest: so­fern sich her­aus­stelle, dass der "Ab­schluss strit­ti­ger De­ri­vat­ge­schäfte nicht rechts­wirk­sam" sei und Zah­lungs­ver­pflich­tun­gen ge­genüber der Be­klag­ten zu 1) nicht bestünden, ergäben sich auch aus dem Dar­le­hens­ver­trag keine Zah­lungs­ver­pflich­tun­gen.

Im Fe­bruar 2012 nahm die Kläge­rin zu 1) die Be­klagte zu 1) auf Zah­lung und Fest­stel­lung in An­spruch, die Kläger zu 2) und 3) be­gehr­ten die Her­aus­gabe der Bürg­schafts­ur­kun­den. LG und OLG wie­sen die Klage ab. Auf die Re­vi­sion der Kläger hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil im Verhält­nis zur Be­klag­ten zu 2) ins­ge­samt und im Verhält­nis zur Be­klag­ten zu 1) in­so­weit auf, als die Be­ru­fung der Kläger un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­ner un­zu­rei­chen­den Aufklärung über den anfäng­li­chen ne­ga­ti­ven Markt­wert zurück­ge­wie­sen wor­den war. Im Um­fang der Auf­he­bung wurde die Sa­che zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück­ge­wie­sen.

Die Gründe:
Das Be­ru­fungs­ge­richt hatte die vom Se­nat be­reits mit Ur­teil vom 22.3.2011 (Az.: XI ZR 33/10) ent­wi­ckel­ten Vor­aus­set­zun­gen ver­kannt, nach de­nen die be­ra­tende Bank im Zwei­per­so­nen­verhält­nis zur Aufklärung über einen schwer­wie­gen­den In­ter­es­sen­kon­flikt we­gen der Ein­prei­sung ei­nes anfäng­li­chen ne­ga­ti­ven Markt­werts ver­pflich­tet ist, und des­halb rechts­feh­ler­haft eine haf­tungs­re­le­vante Pflicht­ver­let­zung ver­neint.

Die Ver­pflich­tung, bei Swap-Verträgen im Zwei­per­so­nen­verhält­nis anläss­lich ei­ner ver­trag­lich ge­schul­de­ten Be­ra­tung das Ein­prei­sen ei­ner Brut­to­marge zu of­fen­ba­ren, so­fern es wie hier an kon­ne­xen Grund­ge­schäften fehlt, folgt aus dem Ge­sichts­punkt ei­nes schwer­wie­gen­den In­ter­es­sen­kon­flikts. Die Aufklärungs­pflicht schließt die Ver­pflich­tung zur In­for­ma­tion über die Höhe des anfäng­li­chen ne­ga­ti­ven Markt­werts ein. Ent­spre­chend setzt schlüssi­ger Vor­trag zu einem Be­ra­tungs­feh­ler un­ter die­sem As­pekt nur vor­aus, dass der An­le­ger die Ein­prei­sung ei­nes anfäng­li­chen ne­ga­ti­ven Markt­werts als sol­ches und das Ver­schwei­gen die­ser Tat­sa­che vorträgt, weil da­mit die ob­jek­ti­ven Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Pflicht­ver­let­zung der Bank dar­ge­tan sind.

Die Höhe des anfäng­li­chen ne­ga­ti­ven Markt­werts muss der An­le­ger nicht - auch nicht i.S.d. An­gabe ei­ner Größenord­nung be­zif­fern. Schließlich be­ruht die be­ra­tungs­ver­trag­li­che Ver­pflich­tung der Bank zur Kund­gabe der Höhe des anfäng­li­chen ne­ga­ti­ven Markt­werts ei­nes mit ihr ge­schlos­se­nen Swap-Ver­tra­ges ge­rade auf dem Um­stand, dass der Kunde das Ein­struk­tu­rie­ren der Brut­to­marge in die Ri­si­ko­struk­tur des Swap-Ver­tra­ges nicht er­ken­nen kann, so dass ihm im Pro­zess näherer Vor­trag zur Höhe nicht ab­ver­langt wer­den kann.

Diese Grundsätze hat das OLG, das be­grifflich zwi­schen dem Ein­prei­sen der Brut­to­marge der Bank und ei­ner zusätz­li­chen Ver­schie­bung des Chance-Ri­siko-Verhält­nis­ses un­ter­schie­den und un­ter den Be­griff des aufklärungs­pflich­ti­gen anfäng­li­chen ne­ga­ti­ven Markt­werts feh­ler­haft nicht das er­ste, son­dern das zweite Vor­ge­hen ge­fasst hatte, ver­kannt. Zu­gleich hatte es die An­for­de­run­gen an schlüssi­gen Vor­trag der Kläger zu ei­ner Be­ra­tungs­pflicht­ver­let­zung un­ter die­sem Ge­sichts­punkt über­spannt.

Letzt­lich hat das Be­ru­fungs­ge­richt auch die Klage der Kläger zu 2) und 3) ge­gen die Be­klagte zu 2) auf Her­aus­gabe der Bürg­schafts­ur­kunde zu Un­recht ab­ge­wie­sen. Denn in­so­weit fehl­ten un­abhängig da­von, dass das Be­ru­fungs­ge­richt eine Ein­wen­dung der Kläger zu 2) und 3) nach § 768 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1, §§ 242, 249 Abs. 1 BGB un­zu­rei­chend be­han­delt hatte, schon tragfähige Fest­stel­lun­gen dazu, die Be­klagte zu 2) sei Gläubi­ge­rin der Haupt­for­de­rung.

Link­hin­weise:

  • Der Voll­text die­ser Ent­schei­dung wird demnächst auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
  • Für den Voll­text der Ent­schei­dung kli­cken Sie bitte hier.
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