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Steuerberatung

EuGH-Vorlagen zur Sollbesteuerung und zur Margenbesteuerung

BFH 3.8.2017, V R 60/16 u.a.

Er­heb­li­che Pra­xis­be­deu­tung: Der BFH zwei­felt an der bis­lang un­ein­ge­schränk­ten Pflicht zur Vor­fi­nan­zie­rung der Um­satz­steuer durch den zur Soll­be­steue­rung ver­pflich­te­ten Un­ter­neh­mer und am Aus­schluss des ermäßig­ten Steu­er­sat­zes bei der Über­las­sung von Fe­ri­en­woh­nun­gen im Rah­men der Mar­gen­be­steue­rung.

Der Sach­ver­halt:

+++ V R 51/16 +++
Die Kläge­rin in dem Ver­fah­ren Az.: V R 51/16 war im Streit­jahr 2012 als Spie­ler­ver­mitt­le­rin im be­zahl­ten Fußball tätig. Sie un­ter­lag der sog. Soll­be­steue­rung, bei der der Un­ter­neh­mer die Um­satz­steuer be­reits mit der Leis­tungs­er­brin­gung un­abhängig von der Ent­gelt­ver­ein­nah­mung zu ver­steu­ern hat. Bei der Ver­mitt­lung der Pro­fifußball­spie­ler er­hielt sie Pro­vi­si­ons­zah­lun­gen von den auf­neh­men­den Fußball­ver­ei­nen. Der Vergütungs­an­spruch für die Ver­mitt­lung setzte dem Grunde nach vor­aus, dass der Spie­ler beim neuen Ver­ein einen Ar­beits­ver­trag un­ter­schrieb und die DFL-GmbH als Li­zenz­ge­ber dem Spie­ler eine Spie­ler­laub­nis er­teilte.

Die Pro­vi­si­ons­zah­lun­gen wa­ren in Ra­ten ver­teilt auf die Lauf­zeit des Ar­beits­ver­tra­ges zu leis­ten, wo­bei die Fällig­keit und das Be­ste­hen der ein­zel­nen Ra­ten­an­sprüche un­ter der Be­din­gung des Fort­be­ste­hens des Ar­beits­ver­tra­ges zwi­schen Ver­ein und Spie­ler stan­den. Das Fi­nanz­amt ging da­von aus, dass die Kläge­rin ihre im Streit­jahr er­brach­ten Ver­mitt­lungs­leis­tun­gen auch in­so­weit be­reits in 2012 zu ver­steu­ern habe, als sie Ent­gelt­be­stand­teile für die Ver­mitt­lun­gen ver­trags­gemäß erst im Jahr 2015 be­an­spru­chen konnte. Diese Sicht­weise ent­spricht auch ei­ner jahr­zehn­te­lang geübten Be­steue­rungs­pra­xis.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt.

+++ V R 60/16 +++
Die Kläge­rin ver­mie­tete im Streit­jahr 2011 Häuser im In­land so­wie in Öster­reich und Ita­lien an Ur­lau­ber. Sie mie­tete diese ih­rer­seits für die Zeiträume der ei­ge­nen Ver­mie­tung von dem je­wei­li­gen Ei­gentümer an. Die Kun­den­be­treu­ung vor Ort er­folgte durch die je­wei­li­gen Ei­gentümer oder de­ren Be­auf­tragte. Zu den Leis­tun­gen gehörte ne­ben der Be­reit­stel­lung der Un­ter­kunft ty­pi­scher­weise auch die Rei­ni­gung der Un­ter­kunft so­wie ge­ge­be­nen­falls ein Wäsche- und Sem­mel­ser­vice. Die Kläge­rin be­rech­nete die Steuer nach der sog. Mar­gen­be­steue­rung des § 25 UStG un­ter An­wen­dung des Re­gel­steu­er­sat­zes. Im Mai 2013 be­an­tragte sie die Ände­rung der Steu­er­fest­set­zung und die An­wen­dung des ermäßig­ten Steu­er­sat­zes. Das Fi­nanz­amt lehnte dies ab. Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab.

Der BFH hat in bei­den Fällen das Ver­fah­ren aus­ge­setzt und Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen an den EuGH ge­rich­tet.

Gründe:
Der Se­nat zwei­felt an der bis­lang un­ein­ge­schränkt an­ge­nom­me­nen Pflicht zur Vor­fi­nan­zie­rung der Um­satz­steuer durch den zur Soll­be­steue­rung ver­pflich­te­ten Un­ter­neh­mer und am Aus­schluss des ermäßig­ten Steu­er­sat­zes bei der Über­las­sung von Fe­ri­en­woh­nun­gen im Rah­men der sog. Mar­gen­be­steue­rung. Es ist frag­lich, ob die jahr­zehn­te­lang geübte Be­steue­rungs­pra­xis mit den bin­den­den Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts, der Richt­li­nie 2006/112/EG des Ra­tes vom 28.11.2006 über das ge­mein­same Mehr­wert­steu­er­sys­tem, ver­ein­bar ist. Der EuGH muss ins­be­son­dere ent­schei­den, ob der Steu­er­pflich­tige ver­pflich­tet ist, die für die Leis­tung ge­schul­dete Steuer für einen Zeit­raum von zwei Jah­ren vor­zu­fi­nan­zie­ren, wenn er die Vergütung für seine Leis­tung (teil­weise) erst zwei Jahre nach Ent­ste­hung des Steu­er­tat­be­stands er­hal­ten kann.

Außer­dem soll der EuGH ent­schei­den, ob er an sei­ner Recht­spre­chung festhält, nach der die Über­las­sung von Fe­ri­en­woh­nun­gen durch im ei­ge­nen Na­men - und nicht als Ver­mitt­ler - han­delnde Rei­sebüros der sog. Mar­gen­be­steue­rung un­ter­liegt und ob be­ja­hen­den­falls die Be­rech­ti­gung be­steht, die Marge dann mit dem ermäßig­ten Steu­er­satz für die Be­her­ber­gung in Fe­ri­en­un­terkünf­ten zu ver­steu­ern.

Hin­ter­grund:
Die dem EuGH in die­ser Rechts­sa­che vor­ge­leg­ten Fra­gen sind von er­heb­li­cher Pra­xis­be­deu­tung. Sie be­zie­hen sich in ers­ter Li­nie auf be­dingte Vergütungs­an­sprüche, können aber auch bei be­fris­te­ten Zah­lungs­an­sprüchen wie etwa beim Ra­ten­ver­kauf im Ein­zel­han­del oder bei ein­zel­nen For­men des Lea­sings von Be­deu­tung sein. Auch hier be­steht nach ge­genwärti­ger Pra­xis für den der Soll­be­steue­rung un­ter­lie­gen­den Un­ter­neh­mer die Pflicht, die Um­satz­steuer für die Wa­ren­lie­fe­rung be­reits mit der Überg­abe der Ware vollständig abführen zu müssen. Dies gilt nach bis­he­ri­ger Pra­xis auch dann, wenn er ein­zelne Ra­ten­zah­lun­gen erst über eine Lauf­zeit von meh­re­ren Jah­ren ver­ein­nah­men kann.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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