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Steuerberatung

EuGH-Vorlage zum Apothekenrabatt im Umsatzsteuerrecht

BFH v. 6.6.2019 - V R 41/17

Ist eine Apo­theke, die ver­schrei­bungs­pflich­tige Arz­nei­mit­tel an ge­setz­li­che Kran­ken­kas­sen lie­fert, auf­grund ei­ner Ra­batt­gewährung an die ge­setz­lich kran­ken­ver­si­cherte Per­son um­satz­steu­er­recht­lich zu ei­ner Steu­er­vergütung für die an die Kran­ken­kasse aus­geführte Lie­fe­rung be­rech­tigt? Der Vor­la­ge­be­schluss be­trifft grenzüber­schrei­tende Arz­nei­mit­tel­lie­fe­run­gen im Bin­nen­markt.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin lie­ferte im Streit­jahr (2013) aus den Nie­der­lan­den ver­schrei­bungs­pflich­tige Fer­ti­garz­nei­mit­tel (Arz­nei­mit­tel) nach Deutsch­land. Der Wa­ren­ver­sand er­folgte durch die Kläge­rin zum einen an Per­so­nen mit ge­setz­li­cher Kran­ken­ver­si­che­rung (sog. Kas­sen­ver­si­cherte als ge­setz­lich kran­ken­ver­si­cherte Per­so­nen) und zum an­de­ren an Per­so­nen mit pri­va­ter Kran­ken­ver­si­che­rung (Pri­vat­ver­si­cherte).

Bei Lie­fe­run­gen ver­schrei­bungs­pflich­ti­ger Arz­nei­mit­tel an ge­setz­lich kran­ken­ver­si­cherte Per­so­nen rech­nete die Kläge­rin mit den ge­setz­li­chen Kran­ken­kas­sen ab. Diese be­zahl­ten auf­grund so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­cher Re­ge­lun­gen. Die Kläge­rin ging seit 1.10.2013 da­von aus, dass sich der Ort der Lie­fe­rung in den Nie­der­lan­den be­finde, sie dort die Steu­er­frei­heit für in­ner­ge­mein­schaft­li­che Lie­fe­run­gen in An­spruch neh­men könne und die ge­setz­li­chen Kran­ken­kas­sen in­ner­ge­mein­schaft­li­che Er­werbe im In­land nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i MwSt­Sys­tRL und § 1a UStG zu ver­steu­ern ha­ben. Zu­dem ging die Kläge­rin bei der Lie­fe­rung ver­schrei­bungs­pflich­ti­ger Arz­nei­mit­tel an ge­setz­lich kran­ken­ver­si­cher­ten Per­so­nen da­von aus, dass die an diese ge­zahl­ten Auf­wands­ent­schädi­gun­gen (Ra­batte) nach § 17 Abs. 1 UStG die Be­mes­sungs­grund­lage für die an die Pri­vat­ver­si­cher­ten im In­land aus­geführ­ten Lie­fe­run­gen ge­min­dert ha­ben und machte eine dem ent­spre­chende Steu­er­be­rich­ti­gung gel­tend.

Dem folgte das Fi­nanz­amt al­ler­dings nicht und er­ließ einen Ände­rungs­be­scheid. Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin setzte der BFH das Ver­fah­ren aus und legte dem EuGH die Frage zur Ent­schei­dung vor, ob eine Apo­theke, die ver­schrei­bungs­pflich­tige Arz­nei­mit­tel an ge­setz­li­che Kran­ken­kas­sen lie­fert, auf­grund ei­ner Ra­batt­gewährung an die ge­setz­lich kran­ken­ver­si­cherte Per­son um­satz­steu­er­recht­lich zu ei­ner Steu­er­vergütung für die an die Kran­ken­kasse aus­geführte Lie­fe­rung be­rech­tigt ist.

Gründe:
Klärungs­bedürf­tig ist im Streit­fall, wie der vom EuGH ver­wen­dete Be­griff der Kette von Umsätzen zu ver­ste­hen ist, die bei dem­je­ni­gen be­ginnt, der den Ra­batt gewährt, und bis zu dem­je­ni­gen reicht, der den Ra­batt empfängt.

Ob die Kläge­rin zu Um­satz­steu­er­min­de­run­gen (Steu­er­vergütun­gen) be­rech­tigt ist, kommt es auf das eu­ropäische Mehr­wert­steu­er­recht an, das bei der Aus­le­gung des na­tio­na­len Um­satz­steu­er­rechts zu berück­sich­ti­gen ist. Die Kläge­rin hat als Apo­theke aus den Nie­der­lan­den an die je­wei­lige ge­setz­li­che Kran­ken­kasse im In­land ge­lie­fert. Diese wie­derum ver­schaffte den bei ihr Ver­si­cher­ten die ver­schrei­bungs­pflich­ti­gen Arz­nei­mit­tel im Rah­men des Ver­si­che­rungs­verhält­nis­ses und da­mit außer­halb ei­nes um­satz­steu­er­ba­ren Leis­tungs­aus­tau­sches. Da­mit fehlt es an ei­ner bis zum Ra­batt­empfänger rei­chen­den Um­satz­kette. Dies könnte ge­gen den von der Kläge­rin gel­tend ge­mach­ten An­spruch spre­chen.

Apo­the­ken im In­land un­ter­lie­gen - an­ders als die Kläge­rin - einem Ra­batt­ver­bot. Zu­dem hat die Kläge­rin in Be­zug auf die strei­ti­gen Lie­fe­run­gen (an die ge­setz­li­chen Kran­ken­kas­sen) im In­land kei­nen Steu­er­tat­be­stand ver­wirk­licht, so dass es an ei­ner inländi­schen Steuer fehlt, die ge­min­dert wer­den könnte. Im Hin­blick auf die Schaf­fung des Bin­nen­markts könnte das Er­for­der­nis ei­ner Steu­er­schuld im In­land aber als uni­ons­rechts­wid­rig an­zu­se­hen sein.

Dem EuGH wer­den fol­gende Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt:

1. Ist eine Apo­theke, die Arz­nei­mit­tel an eine ge­setz­li­che Kran­ken­kasse lie­fert, auf­grund ei­ner Ra­batt­gewährung an den Kran­ken­ver­si­cher­ten zur Min­de­rung der Steu­er­be­mes­sungs­grund­lage auf der Grund­lage des EuGH-Ur­teils Elida Gibbs Ltd. vom 24.10.1996 - C-317/94 (EU:C:1996:400) be­rech­tigt?

2. Bei Be­ja­hung: Wi­der­spricht es den Grundsätzen der Neu­tra­lität und der Gleich­be­hand­lung im Bin­nen­markt, wenn eine Apo­theke im In­land die Steu­er­be­mes­sungs­grund­lage min­dern kann, nicht aber eine Apo­theke, die aus einem an­de­ren Mit­glied­staat an die ge­setz­li­che Kran­ken­kasse in­ner­ge­mein­schaft­lich steu­er­frei lie­fert?

Setzt die Ent­gelt­min­de­rung auf­grund der Elida-Gibbs-Recht­spre­chung (EU:C:1996:400) eine Kette in den An­wen­dungs­be­reich der Steuer fal­len­der Umsätze vor­aus, ist die er­ste Vor­la­ge­frage zu ver­nei­nen und die Klage ent­spre­chend dem Ur­teil des FG ab­zu­wei­sen. Ist die er­ste Vor­la­ge­frage dem­ge­genüber zu be­ja­hen, stellt sich die zweite Frage, ob für einen Aus­lands­um­satz im In­land eine Ände­rung der Steu­er­be­mes­sungs­grund­lage be­an­sprucht wer­den kann. Ist auch die zweite Frage zu be­ja­hen, wäre die Klage begründet.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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