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Rechtsberatung

Korruptionsstrafrecht: Wenn die Currywurst zum Verhängnis wird

Be­reits seit Länge­rem zeich­net sich der Trend ab, dass die Straf­ver­fol­gungs­behörden Ge­schenke und Ein­la­dun­gen verstärkt in den Blick neh­men. Ein ak­tu­el­ler Fall aus Han­no­ver bestätigt die­sen er­neut. Im Mit­tel­punkt des Straf­ver­fah­rens: Ei­nige Cur­rywürste, 17 Po­li­zis­ten und ein großzügi­ger Re­fe­rent. Die häufig schwie­rige Ab­gren­zung zwi­schen „Gast­freund­schaft“ und straf­recht­lich re­le­van­ter Kor­rup­tion lässt sich nur am kon­kre­ten Fall auf­grund ei­ner Ge­samt­abwägung der Umstände im Ein­zel­nen vor­neh­men und be­darf häufig ei­ner Hin­zu­zie­hung von recht­li­chen Ex­per­ten auf die­sem Ge­biet.

Der Be­reich des Kor­rup­ti­ons­straf­rechts ist durch­aus kom­plex und die Be­ur­tei­lung der Straf­bar­keit von Hand­lun­gen, die auf den ers­ten Blick als alltägli­che Gefällig­kei­ten er­schei­nen mögen, er­for­dert stets eine de­tail­lierte Be­trach­tung. Ein ak­tu­el­ler Fall hebt die fließen­den Gren­zen zwi­schen zulässi­gem Ge­schäfts­ge­ba­ren und un­zulässi­ger Ein­fluss­nahme her­vor.

Laut ei­ner Mel­dung der Han­no­ver­schen All­ge­mei­nen er­mit­telt die dor­tige Staats­an­walt­schaft ge­gen 17 Po­li­zis­ten so­wie ge­gen den Re­fe­ren­ten ei­nes Lan­des­be­trie­bes. Der Ver­dacht: der Re­fe­rent soll die Po­li­zis­ten über meh­rere Mo­nate im­mer wie­der auf seine Kos­ten zum Cur­ry­wurs­tes­sen ein­ge­la­den ha­ben. Der Sach­ver­halt wirft fun­da­men­tale Fra­gen im Be­reich der Kor­rup­ti­ons­de­likte auf: Wann über­schrei­tet eine Zu­wen­dung die Grenze von zulässi­ger Kon­takt­pflege im Rah­men des Ge­schäfts­all­tags zur straf­recht­lich re­le­van­ten Vor­teils­gewährung oder gar Be­ste­chung?

Rechtlicher Rahmen der Korruptionsdelikte

Die recht­li­che Be­wer­tung der­ar­ti­ger Sach­ver­halte ori­en­tiert sich in Deutsch­land primär an den § 299 und §§ 331 ff. des Straf­ge­setz­bu­ches (StGB), die den ge­setz­li­chen Rah­men für die Be­stech­lich­keit und Be­ste­chung im ge­schäft­li­chen so­wie im öff­ent­li­chen Ver­kehr de­fi­nie­ren.

Diese Nor­men zie­len dar­auf ab, den freien und fai­ren Wett­be­werb so­wie die In­ter­es­sen des Ge­schäfts­herrn bzw. das Ver­trauen der All­ge­mein­heit in die „Nicht-Käuf­lich­keit” von dienst­li­chen Hand­lun­gen und in die Sach­lich­keit der Ent­schei­dun­gen der Amtsträger, mit­hin die Funk­ti­onsfähig­keit und In­te­grität des öff­ent­li­chen Diens­tes, zu schützen. Sie stel­len Ver­hal­tens­wei­sen un­ter Strafe, die dar­auf ge­rich­tet sind, be­stimmte Per­so­nen durch Vor­teile zu be­ein­flus­sen.

Ent­schei­dend ist da­bei zunächst, wer Empfänger der Zu­wen­dung ist oder wer­den soll, da das Ge­setz da­hin­ge­hend gänz­lich un­ter­schied­li­che Maßstäbe an­setzt. Amtsträger sind ins­be­son­dere alle Be­amte, Rich­ter und sons­tige in einem öff­ent­lich-recht­li­chen Amts­verhält­nis ste­hen­den Per­so­nen – in dem Cur­ry­wurst-Fall also auch die Po­li­zis­ten aus Han­no­ver. Die Schwelle zur Straf­bar­keit ist in Be­zug auf Amtsträger deut­lich nied­ri­ger an­ge­setzt als die­je­nige, die bei Empfängern aus der Pri­vat­wirt­schaft an­ge­legt wird. Schließlich kommt es auf die Exis­tenz ei­ner "Un­rechts­ver­ein­ba­rung" zwi­schen Ge­ber und Neh­mer des Vor­teils an. Im We­sent­li­chen muss da­nach die Vor­teils­zu­wen­dung im Aus­tausch für die un­lau­tere Be­vor­zu­gung im Wett­be­werb oder Pflicht­ver­let­zung ge­genüber dem Un­ter­neh­men bzw. in Be­reich der Amtsträger für die Vor­nahme der Dienst­hand­lung oder Dienst­ausübung bzw. gar für eine Ver­let­zung der Dienst­pflich­ten er­fol­gen.

Currywürste und sonstige Aufmerksamkeiten für Beamte – ein strafrechtliches Risiko

Im Fo­kus des Kor­rup­ti­ons­straf­rechts steht der Be­griff des Vor­teils, der weit aus­zu­le­gen ist und so­wohl ma­te­ri­elle als auch im­ma­te­ri­elle Zu­wen­dun­gen um­fasst. Die Kor­rup­ti­ons­tat­bestände un­ter­schei­den da­bei nicht, ob der Empfänger Geld­scheine in die Hand gedrückt be­kommt oder eben Cur­rywürste – beide können einen Vor­teil für den Empfänger dar­stel­len.

Doch eben nicht jede Zu­wen­dung ist straf­bar. Maßgeb­lich hin­zu­kom­men muss, dass der Empfänger den Vor­teil im Aus­tausch für eine Ge­gen­leis­tung an­ge­bo­ten, ver­spro­chen oder gewährt wird. Da­bei ist die Schwelle für den Ver­dacht ei­ner sol­chen Un­rechts­ver­ein­ba­rung im Be­reich der Amtsträger­be­ste­chung be­son­ders nied­rig. Selbst wenn keine ex­pli­zite Ver­ein­ba­rung ge­trof­fen wurde, kann die Gewährung von Vor­tei­len als im­pli­zi­tes "Anfüttern" mit Blick auf die Dienst­ausübung in­ter­pre­tiert wer­den, die auf eine schlei­chende Be­ein­flus­sung ab­zielt und so­mit als Un­rechts­ver­ein­ba­rung ein­ge­stuft wer­den kann. Es reicht mit­hin be­reits die sog. „Kli­ma­pflege“, also eine Kon­stel­la­tion, in der le­dig­lich das all­ge­meine Wohl­wol­len des Be­am­ten ge­si­chert wer­den soll.

Für eine Be­wer­tung der Frage, ob eine sol­che Un­rechts­ver­ein­ba­rung vor­liegt oder statt­des­sen von ei­ner „so­zi­aladäqua­ten“ Zu­wen­dung und mit­hin kei­ner be­son­de­ren Mo­ti­va­tion ei­ner Be­vor­zu­gung aus­zu­ge­hen ist, be­darf es in der Re­gel zunächst ei­ner durch­aus kom­ple­xen Ge­samt­be­trach­tung ob­jek­ti­ver Kri­te­rien des Ein­zel­falls – diese be­rei­tet häufig selbst rechts­kun­di­gen Per­so­nen nicht un­er­heb­li­che Schwie­rig­kei­ten. Im vor­lie­gen­den Fall steht zu be­ur­tei­len, ob die wie­der­hol­ten Ein­la­dun­gen zu kos­ten­freien Mahl­zei­ten als ma­te­ri­el­ler Vor­teil qua­li­fi­ziert wer­den, der po­ten­zi­ell ge­eig­net sein könnte, die dienst­li­che Ent­schei­dungs­fin­dung der ein­ge­la­de­nen Be­am­ten zu be­ein­flus­sen.

Hier prüft die Staats­an­walt­schaft der Be­richt­er­stat­tung zu­folge, ob der Re­fe­rent sich etwa durch die wie­der­hol­ten Cur­ry­wurst-Ein­la­dun­gen po­si­tive Be­wer­tun­gen für die von ihm an­ge­bo­te­nen Fort­bil­dun­gen er­hofft ha­ben könnte.

Im Kon­text der Kor­rup­ti­onspräven­tion wird deut­lich, dass die Gewährung von Vor­tei­len an – seien es Vor­teile wie Cur­rywürste oder sons­tige Zu­wen­dun­gen – stets ei­ner ge­nauen Prüfung durch Ex­per­ten be­darf, um sich nicht der Ge­fahr ei­nes straf­recht­li­chen Er­mitt­lungs­ver­fah­rens und den da­mit ver­bun­de­nen Kon­se­quen­zen aus­zu­set­zen.

Präventive Compliance Maßnahmen

Un­abhängig vom Aus­gang des Ver­fah­rens un­ter­streicht die­ser Fall die Re­le­vanz der Kor­rup­ti­onspräven­tion als in­te­gra­len Be­stand­teil der Com­pli­ance Ma­nage­ment Sys­teme in Un­ter­neh­men. Sie soll­ten dar­auf aus­ge­rich­tet sein, so­wohl jeg­li­che For­men der Kor­rup­tion zu un­ter­bin­den als auch ent­spre­chende Ri­si­ken zu er­ken­nen. Ge­rade für mit­telständi­sche Un­ter­neh­men stellt dies al­les an­dere als eine leicht zu bewälti­gende Auf­gabe dar.

Klare Ver­hal­tens­richt­li­nien und re­gelmäßige Sen­si­bi­li­sie­rung der Mit­ar­bei­ter sind da­bei un­erläss­lich. Da­her emp­fiehlt es sich ins­be­son­dere, ein­deu­tige Pro­zesse und Com­pli­ance-Struk­tu­ren zu eta­blie­ren, um be­reits das Ri­siko mögli­cher kor­rup­ti­ver Ver­hal­tens­wei­sen zu mi­ni­mie­ren. Par­al­lel können re­gelmäßige Schu­lun­gen dazu bei­tra­gen, das Be­wusst­sein für kor­rup­ti­ons­re­le­vante Si­tua­tio­nen zu schärfen und den sorgfälti­gen Um­gang mit Zu­wen­dun­gen zu er­ler­nen.

Hin­weis: Jüngst wurde von Trans­pa­rency In­ter­na­tio­nal der sog. Cor­rup­tion Per­cep­ti­ons In­dex (kurz: CPI) für das Jahr 2023 veröff­ent­licht. Hier­bei han­delt es sich um einen glo­bal an­er­kann­ten Maßstab des wahr­ge­nom­me­nen Kor­rup­ti­ons­ni­veaus in Re­gie­rung und öff­ent­li­cher Ver­wal­tung. Auf der Skala, die von 0 (starke Kor­rup­ti­ons­wahr­neh­mung) bis 100 (keine Kor­rup­ti­ons­wahr­neh­mung) reicht, be­legt Deutsch­land mit 78 Punk­ten ak­tu­ell den neun­ten Platz. Trotz ei­nes Punk­te­ver­lus­tes zum zwei­ten Mal in Folge zählt Deutsch­land da­mit zu den Staa­ten mit ei­ner star­ken Po­si­tion im Kampf ge­gen Kor­rup­tion.

Fazit

Was zunächst wie ein skur­ri­ler Fall klin­gen mag, ist für die Be­trof­fe­nen nun bit­te­rer Ernst. Der Han­no­ve­ra­ner Fall zeigt ne­ben der Kom­ple­xität des Kor­rup­ti­ons­straf­rechts und der Be­deu­tung ei­ner kla­ren Ab­gren­zung zwi­schen er­laub­ter so­zia­ler In­ter­ak­tion und kor­rup­ti­ven Hand­lun­gen die Kon­se­quenz der Er­mitt­lungs­behörden in die­sem Be­reich auf. Es wird deut­lich, dass selbst ver­meint­lich kleine Zu­wen­dun­gen, wie die Be­reit­stel­lung von Im­biss-Mahl­zei­ten, zu ei­ner straf­recht­li­chen Be­wer­tung führen können, die weit­rei­chende Kon­se­quen­zen für die be­tei­lig­ten Per­so­nen nach sich zie­hen würden.

Letzt­lich wer­den die Er­mitt­lun­gen der zuständi­gen Staats­an­walt­schaft Auf­schluss darüber ge­ben, in­wie­weit sich die Hand­lun­gen des Re­fe­ren­ten und der Po­li­zei­be­am­ten als straf­recht­lich re­le­vant dar­stel­len und ob hier die Schwelle zur Be­stech­lich­keit und Be­ste­chung über­schrit­ten wurde. Ohne Zwei­fel il­lus­triert der Fall die Not­wen­dig­keit ei­nes sorgfälti­gen Um­gangs mit Zu­wen­dun­gen, der eine kon­se­quen­ten Um­set­zung von Kor­rup­ti­onspräven­ti­onsmaßnah­men so­wie die Ein­ho­lung von straf­recht­li­cher Ex­per­tise vor­aus­setzt.

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