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Steuerberatung

Bundesfinanzhof bringt Sollbesteuerung vor den EuGH

Der Bun­des­fi­nanz­hof (BFH) stellt in sei­nem ak­tu­el­len Vor­la­ge­be­schluss an den Eu­ropäischen Ge­richts­hof (EuGH) vom 21.9.2017 (Az. V R 51/16) die Uni­ons­rechts­kon­for­mität der Soll­be­steue­rung für be­stimmte Fall­kon­stel­la­tio­nen in Frage.

Grundzüge der Sollbesteuerung

Un­ter­neh­mer schul­den Um­satz­steuer auf ihre Leis­tun­gen re­gelmäßig be­reits im Zeit­punkt der Leis­tungs­er­brin­gung – und da­mit re­gelmäßig un­abhängig von Rech­nungs­stel­lung und Zah­lungs­ein­gang (sog. Soll­be­steue­rung). Dies führt oft­mals zu ei­ner Vor­fi­nan­zie­rung der Um­satz­steuer durch den leis­ten­den Un­ter­neh­mer.

Bundesfinanzhof bringt Sollbesteuerung vor den EuGH© Thinkstock

Bisherige Rechtsprechung zur Sollbesteuerung

Im Kon­text mit der Soll­be­steue­rung ließ der BFH be­reits im Jahr 2013 eine Steu­er­be­rich­ti­gung bei Leis­tungs­er­brin­gung auf­grund von Un­ein­bring­lich­keit zu, wenn der Ent­gel­tan­spruch auf Ba­sis ei­nes ver­trag­li­chen Ein­be­halts zur Ab­si­che­rung von Gewähr­leis­tungs­an­sprüchen über zwei bis fünf Jahre nicht ver­wirk­licht wer­den kann. Die Fi­nanz­ver­wal­tung nahm diese Recht­spre­chung in ih­ren Um­satz­steu­er­an­wen­dungs­er­lass (Ab­schnitt 17.1 Abs. 5 S. 3) zwar auf, setzt je­doch hieran enge Be­din­gun­gen (z. B. wenn keine Möglich­keit der Ab­si­che­rung durch eine Bankbürg­schaft ge­ge­ben ist).

Welcher Sachverhalt lag dem Vorlagebeschluss zu Grunde?

In dem nun­mehr vom EuGH zu be­ur­tei­len­den Fall er­hielt eine Ver­mitt­le­rin von Pro­fifußball­spie­lern von den Ver­ei­nen Pro­vi­sio­nen für er­folg­rei­che Ver­mitt­lun­gen. Die Aus­zah­lung er­folgte ra­ten­weise über die Lauf­zeit und in Abhängig­keit des Be­ste­hens der Spie­ler­verträge, teil­weise erst drei Jahre nach er­folg­rei­cher Ver­mitt­lung (= Zeit­punkt der Leis­tungs­er­brin­gung). Da­mit mus­ste die Ver­mitt­le­rin ihre im Streit­jahr 2012 er­brach­ten Ver­mitt­lungs­leis­tun­gen auch in­so­weit be­reits vollständig in 2012 ver­steu­ern, ob­wohl sie Ent­gelt­be­stand­teile für die Ver­mitt­lun­gen ver­trags­gemäß erst in späte­ren Zeiträumen be­an­spru­chen konnte.

Wie argumentiert der BFH?

Der BFH zwei­felt in sei­nem Vor­la­ge­be­schluss an der bis­lang un­ein­ge­schränkt an­ge­nom­me­nen Pflicht zur Vor­fi­nan­zie­rung der Um­satz­steuer durch den zur Soll­be­steue­rung ver­pflich­te­ten Un­ter­neh­mer. Da­bei sind nach Auf­fas­sung des BFH im Hin­blick auf die Soll­be­steue­rung fol­gende As­pekte zu berück­sich­ti­gen:

  • Der Un­ter­neh­mer fun­giert als Steu­er­ein­neh­mer des Staa­tes.
  • Das Sys­tem der Um­satz­steuer ba­siert auf dem Grund­satz der Pro­por­tio­na­lität, wo­nach die Um­satz­steuer pro­por­tio­nal zum Preis der Lie­fe­run­gen und Leis­tun­gen an­zu­wen­den ist.
  • Zwi­schen Ist- und Soll­ver­steue­rung be­steht eine un­ge­recht­fer­tigte Un­gleich­be­hand­lung, die ge­gen den all­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz verstößt.
Un­ter die­sen An­nah­men stel­len sich dem BFH fol­gende Fra­gen, die er dem EuGH zur Klärung vor­legte:

  • Ist eine Vor­fi­nan­zie­rung öff­ent­li­cher Gelder durch den Un­ter­neh­mer ge­recht­fer­tigt oder darf die Steuer nicht erst ent­ste­hen, wenn das Ent­gelt für die Leis­tung un­be­dingt ge­schul­det wird oder ge­ge­be­nen­falls so­gar fällig ist?
  • Ist das Ent­gelt ge­ge­be­nen­falls so­gar nur der Be­trag, der im Leis­tungs­zeit­punkt be­reits fällig bzw. nicht mehr un­ge­wiss ist?
  • Liegt bei erst nach zwei Jah­ren fälli­gem Ent­gelt eine Un­ein­bring­lich­keit vor, so dass die Um­satz­steuer be­reits im Leis­tungs­zeit­punkt be­rich­tigt wer­den kann?

Welche Fälle sind betroffen? Was ist zu tun?

Dem Vor­la­ge­be­schluss kommt in der Pra­xis eine große Be­deu­tung zu. Die darin auf­ge­wor­fe­nen Fra­gen be­zie­hen sich in ers­ter Li­nie auf be­dingte Vergütungs­an­sprüche. Darüber hin­aus können die Fra­gen aber auch bei be­fris­te­ten Zah­lungs­an­sprüchen, wie etwa beim Ra­ten­ver­kauf im Ein­zel­han­del oder bei ein­zel­nen For­men des Lea­sings von Be­deu­tung sein. Denn auch hier be­steht ge­genwärtig für den der Soll­be­steue­rung un­ter­lie­gen­den Un­ter­neh­mer die Pflicht, die Um­satz­steuer für die Wa­ren­lie­fe­rung be­reits mit der Überg­abe der Ware vollständig abführen zu müssen. Dies gilt nach bis­he­ri­ger Pra­xis auch dann, wenn er ein­zelne Ra­ten­zah­lun­gen erst über eine Lauf­zeit von meh­re­ren Jah­ren ver­ein­nah­men kann.

Mit sei­nem Vor­la­ge­be­schluss wei­tet der BFH sei­nen be­reits ent­schie­de­nen und von der Fi­nanz­ver­wal­tung über­nom­me­nen Fall der Un­ein­bring­lich­keit bei ver­trag­li­chen Ein­be­hal­ten zur Ab­si­che­rung von Gewähr­leis­tungs­an­sprüchen all­ge­mein aus.

Steht be­reits fest, dass das Ent­gelt erst über einen Zeit­raum von meh­re­ren Jah­ren ver­ein­nahmt wer­den wird, könn­ten be­trof­fene Un­ter­neh­mer mit der Ar­gu­men­ta­tion des BFH von ei­ner teil­wei­sen Un­ein­bring­lich­keit im Leis­tungs­zeit­punkt aus­ge­hen. Wurde Um­satz­steuer be­reits im Leis­tungs­zeit­punkt an­ge­mel­det und ab­geführt, wäre hierfür ein Ände­rungs­an­trag un­ter Rück­for­de­rung der Um­satz­steuer zu stel­len. Lehnt die Fi­nanz­ver­wal­tung die­sen ab, müsste Ein­spruch ein­ge­legt und das Ru­hen des Ver­fah­rens un­ter Hin­weis auf die anhängige Ent­schei­dung beim EuGH be­an­tragt wer­den.

Eine un­mit­tel­bare An­mel­dung ei­ner ver­rin­ger­ten Um­satz­steuer im Leis­tungs­zeit­punkt sollte hin­ge­gen sorg­sam ab­ge­wo­gen wer­den, da in­so­weit das Ri­siko von Nach­zah­lungs­zin­sen ent­steht, falls der EuGH der Auf­fas­sung des BFH nicht folgt. Zu­dem wäre die­ses Vor­ge­hen wohl dem Fi­nanz­amt ge­son­dert mit­zu­tei­len (im Zwei­fel über die neuen Kenn­zah­len 22/23 in der Um­satz­steu­er­vor­an­mel­dung). Im Übri­gen ist die wei­tere Rechts­ent­wick­lung bis hin zur Ent­schei­dung des EuGH zu be­ob­ach­ten.

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