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BGH zur Statthaftigkeit der Beschwerde eines Anschlussinhabers gegen die Gestattung der Auskunftserteilung nach § 101 Abs. 9 S. 1 UrhG

Beschluss des BGH vom 5.12.2012 - I ZB 48/12

Die Be­schwerde ei­nes An­schlus­sin­ha­bers ge­gen die Ge­stat­tung der Aus­kunfts­er­tei­lung nach § 101 Abs. 9 S. 1 UrhG ist gem. § 62 Abs. 1 und 2 Nr. 2 FamFG auch dann statt­haft, wenn sie erst nach Er­tei­lung der Aus­kunft ein­ge­legt wor­den ist. Die Be­schwer­de­fris­ten des § 63 Abs. 3 FamFG gel­ten nicht für Be­schwer­den von An­schlus­sin­ha­bern ge­gen die Ge­stat­tung der Aus­kunfts­er­tei­lung nach § 101 Abs. 9 S. 1 UrhG.

Der Sach­ver­halt:
Die An­trag­stel­le­rin ist ein Hörbuch­ver­lag. Sie ist In­ha­be­rin der aus­schließli­chen ur­he­ber­recht­li­chen Nut­zungs­rechte an dem Hörbuch "Harry Pot­ter und die Hei­ligtümer des To­des". Das Hörbuch ist im Jahr 2008 in Deutsch­land veröff­ent­licht wor­den. Die An­trag­stel­le­rin hat die i-GmbH be­auf­tragt, On­line-Tauschbörsen im Blick auf das Hörbuch zu über­wa­chen. Die i-GmbH verfügt über eine Soft­ware, mit der fest­ge­stellt wer­den kann, über wel­chen In­ter­net­an­schluss eine be­stimmte Da­tei zum Down­load an­ge­bo­ten wird.

Die von der An­trag­stel­le­rin vor­ge­legte An­lage ASt 1 enthält von der i-GmbH er­mit­telte IP-Adres­sen, die Nut­zern zu­ge­wie­sen wa­ren, die das Hörbuch "Harry Pot­ter und die Hei­ligtümer des To­des" in der Zeit zwi­schen dem 20.1. und dem 23.1.2011 über eine On­line-Tauschbörse an­de­ren Nut­zern zum Her­un­ter­la­den an­ge­bo­ten hat­ten. Die je­wei­li­gen (dy­na­mi­schen) IP-Adres­sen wa­ren den Nut­zern von der wei­te­ren Be­tei­lig­ten zu 1), der Deut­schen Te­le­kom AG, als In­ter­net-Pro­vi­der zu­ge­wie­sen wor­den.

Die An­trag­stel­le­rin be­an­tragte gem. § 101 Abs. 9 UrhG i.V.m. § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UrhG, der wei­te­ren Be­tei­lig­ten zu 1) zu ge­stat­ten, ihr un­ter Ver­wen­dung von Ver­kehrs­da­ten i.S.d. § 3 Nr. 30 TKG über den Na­men und die An­schrift der­je­ni­gen Nut­zer Aus­kunft zu er­tei­len, de­nen die in der An­lage ASt 1 auf­geführ­ten IP-Adres­sen zu den je­wei­li­gen Zeit­punk­ten zu­ge­wie­sen wa­ren. Das LG gab dem An­trag statt.

Die Be­tei­ligte zu 1) er­teilte der An­trag­stel­le­rin dar­auf­hin die Aus­kunft, die frag­li­che IP-Adresse sei am 20.1.2011 um 19:47:07 Uhr und um 20:01:18 Uhr dem wei­te­ren Be­tei­lig­ten zu 2) zu­ge­wie­sen ge­we­sen. Die An­trag­stel­le­rin mahnte den wei­te­ren Be­tei­lig­ten zu 2) dar­auf­hin ab. Die­ser legte ge­gen den Be­schluss des LG Be­schwerde ein, mit der er die Fest­stel­lung be­an­tragt hat, dass der Be­schluss ihn in sei­nen Rech­ten ver­letzt hat. Das OLG gab der Be­schwerde statt. Auf die Rechts­be­schwerde der An­trag­stel­le­rin hob der BGH den Be­schluss des OLG auf und wies die Be­schwerde des wei­te­ren Be­tei­lig­ten zu 2) ge­gen den Be­schluss des LG zurück..

Die Gründe:
Das OLG hat die Be­schwerde des wei­te­ren Be­tei­lig­ten zu 2) ge­gen den Be­schluss des LG zwar mit Recht als zulässig er­ach­tet; ins­be­son­dere ist der Be­tei­ligte zu 2 be­schwer­de­be­rech­tigt, die Be­schwerde auch nach Aus­kunfts­er­tei­lung statt­haft und das Rechts­mit­tel frist­ge­recht ein­ge­legt. Mit der vom OLG ge­ge­be­nen Begründung konnte dem Fest­stel­lungs­an­trag des wei­te­ren Be­tei­lig­ten zu 2) je­doch nicht statt­ge­ge­ben wer­den.

Die Be­schwerde ge­gen die Ent­schei­dung des LG ist nach § 58 Abs. 1 FamFG statt­haft. Dem steht nicht ent­ge­gen, dass sich die Haupt­sa­che durch Er­tei­lung der Aus­kunft er­le­digt hat. Hat sich die an­ge­foch­tene Ent­schei­dung in der Haupt­sa­che er­le­digt, spricht das Be­schwer­de­ge­richt gem. § 62 Abs. 1 FamFG auf An­trag aus, dass die Ent­schei­dung des Ge­richts des ers­ten Rechts­zugs den Be­schwer­deführer in sei­nen Rech­ten ver­letzt hat, wenn der Be­schwer­deführer ein be­rech­tig­tes In­ter­esse an der Fest­stel­lung hat. Im vor­lie­gen­den Fall hat sich al­ler­dings keine "an­ge­foch­tene" Ent­schei­dung in der Haupt­sa­che er­le­digt. Die hier in Rede ste­hende Ent­schei­dung hat sich be­reits vor ih­rer An­fech­tung durch den wei­te­ren Be­tei­lig­ten zu 2) mit Er­tei­lung der Aus­kunft in der Haupt­sa­che er­le­digt. Die Be­stim­mung des § 62 Abs. 1 FamFG ist zur Gewähr­leis­tung wirk­sa­men Rechts­schut­zes je­doch auch an­wend­bar, wenn sich die an­ge­grif­fene Maßnahme be­reits vor Ein­le­gung der Be­schwerde er­le­digt hat.

Der wei­tere Be­tei­ligte zu 2) hat die Be­schwerde auch frist­ge­recht ein­ge­legt. Die Be­schwer­de­fris­ten des § 63 Abs. 3 FamFG sind für den wei­te­ren Be­tei­lig­ten zu 2) nicht in Lauf ge­setzt wor­den. Sie gel­ten je­den­falls nicht für Be­schwer­den von An­schlus­sin­ha­bern ge­gen die Ge­stat­tung der Aus­kunfts­er­tei­lung nach § 101 Abs. 9 S. 1 UrhG. Die Be­schwer­de­fris­ten des § 63 Abs. 3 FamFG gel­ten für die Be­tei­lig­ten des erst­in­stanz­li­chen Ver­fah­rens. Der wei­tere Be­tei­ligte zu 2) war nicht Be­tei­lig­ter im erst­in­stanz­li­chen Ver­fah­ren über den An­trag auf Ge­stat­tung der Aus­kunfts­er­tei­lung nach § 101 Abs. 9 UrhG. Wer Be­tei­lig­ter ist, er­gibt sich aus § 7 FamFG. Da­nach sind in An­trags­ver­fah­ren ne­ben dem An­trag­stel­ler die­je­ni­gen Be­tei­ligte in einem Ver­fah­ren, die das Ge­richt als Be­tei­ligte zu dem Ver­fah­ren hin­zu­ge­zo­gen hat.

Der wei­tere Be­tei­ligte zu 2) gehört an sich zum Kreis der­je­ni­gen, die nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG hätten hin­zu­ge­zo­gen wer­den müssen, weil sein Recht (hier: sein Grund­recht auf Wah­rung des Fern­mel­de­ge­heim­nis­ses (Art. 10 Abs. 1 GG) durch das Ver­fah­ren un­mit­tel­bar be­trof­fen wird. Es liegt aber in der Na­tur der Sa­che, dass das LG ihn nicht hin­zu­zie­hen konnte, weil das Ver­fah­ren nach § 101 Abs. 9 UrhG dazu dient, ihn als An­schlus­sin­ha­ber erst zu er­mit­teln, er also dem LG noch nicht be­kannt sein konnte. Könn­ten die von dem Ver­fah­ren auf Ge­stat­tung der Aus­kunfts­er­tei­lung gem. § 101 Abs. 9 UrhG un­mit­tel­bar in ih­rem Grund­recht aus Art. 10 Abs. 1 GG be­trof­fe­nen An­schlus­sin­ha­ber je­doch nur frist­gemäß Be­schwerde ein­le­gen, bis die zweiwöchige Frist für den letz­ten Be­tei­lig­ten ab­ge­lau­fen ist, wäre ihr An­spruch auf recht­li­ches Gehör, ein fai­res Ver­fah­ren und eine tatsäch­lich wirk­same ge­richt­li­che Kon­trolle nicht gewähr­leis­tet.

Das erst­in­stanz­li­che Ge­richt kann die ihm un­be­kann­ten An­schlus­sin­ha­ber in sol­chen Ver­fah­ren ent­ge­gen § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG nicht als Be­tei­ligte hin­zu­zu­zie­hen. Die An­schlus­sin­ha­ber er­fah­ren da­her in al­ler Re­gel erst auf­grund ih­rer Ab­mah­nung durch den An­trag­stel­ler von der Ge­stat­tung der Aus­kunfts­er­tei­lung. Zu die­sem Zeit­punkt wäre die zweiwöchige Be­schwer­de­frist meist ab­ge­lau­fen. Die An­schlus­sin­ha­ber wären da­mit an das Er­geb­nis ei­nes Ver­fah­rens ge­bun­den, auf das sie kei­nen Ein­fluss neh­men konn­ten und das sie ge­richt­lich nicht überprüfen las­sen können.

Mit der vom OLG ge­ge­be­nen Begründung konnte dem Fest­stel­lungs­an­trag des wei­te­ren Be­tei­lig­ten zu 2) je­doch nicht statt­ge­ge­ben wer­den.

Link­hin­weis:
  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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