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BGH zum Fortbestand von Unterlizenzen beim Erlöschen der Hauptlizenz

BGH 19.7.2012, I ZR 70/10 u. I ZR 24/11

Das Erlöschen ei­ner Haupt­li­zenz führt in al­ler Re­gel nicht zum Erlöschen dar­aus ab­ge­lei­te­ter Un­ter­li­zen­zen. Der BGH hat nun ent­schie­den, dass dies auch in Fällen gilt, in de­nen die Haupt­li­zenz nicht auf­grund ei­nes Rück­rufs we­gen Nicht­ausübung son­dern auf­grund ei­ner wirk­sa­men Kündi­gung des Haupt­li­zenz­ver­tra­ges we­gen Zah­lungs­ver­zugs oder auf­grund ei­ner Ver­ein­ba­rung über die Auf­he­bung des Haupt­li­zenz­ver­trags er­lischt.

Der Sach­ver­halt:

+++ I ZR 70/10 +++
Die Kläge­rin ist In­ha­be­rin aus­schließli­cher Nut­zungs­rechte an dem Com­pu­ter­pro­gramm "M2Trade" und räumte einem an­de­ren Un­ter­neh­men (Haupt­li­zenz­neh­me­rin) ge­gen fort­lau­fende Zah­lung von Li­zenz­gebühren Nut­zungs­rechte an der Soft­ware ein. Die­ses Un­ter­neh­men räumte sei­ner­seits einem drit­ten Un­ter­neh­men (Un­ter­li­zenz­neh­me­rin) - un­ter Ein­schal­tung ei­nes wei­te­ren Un­ter­neh­mens - ein ein­fa­ches Nut­zungs­recht an dem Pro­gramm ein. Die Kläge­rin erklärte der Haupt­li­zenz­neh­me­rin, nach­dem sie von ihr keine Zah­lun­gen mehr er­hal­ten hatte, die Kündi­gung des Li­zenz­ver­tra­ges zum 30.6.2002. Der Be­klagte ist Ver­wal­ter im In­sol­venz­ver­fah­ren über das Vermögen der Un­ter­li­zenz­neh­me­rin.

Die Kläge­rin ist der An­sicht, auf­grund der Kündi­gung des Ver­tra­ges mit der Haupt­li­zenz­neh­me­rin sei nicht nur das aus­schließli­che Nut­zungs­recht der Haupt­li­zenz­neh­me­rin an dem Com­pu­ter­pro­gramm an sie zurück­ge­fal­len, son­dern auch die da­von ab­ge­lei­te­ten Nut­zungs­rechte ein­schließlich des der Un­ter­li­zenz­neh­me­rin ein­geräum­ten ein­fa­chen Nut­zungs­rechts. Der Be­klagte habe das Pro­gramm da­her seit dem 1.7.2002 un­be­fugt ge­nutzt und da­mit das daran be­ste­hende Ur­he­ber­recht ver­letzt. Die Kläge­rin nimmt den Be­klag­ten un­ter an­de­rem auf Zah­lung von Scha­dens­er­satz in An­spruch.

LG und OLG wie­sen die Klage ab. Die Re­vi­sion der Kläge­rin hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

+++ I ZR 24/11 +++
Die Kläge­rin ist In­ha­be­rin der welt­wei­ten Nut­zungs­rechte an der Kom­po­si­tion "Take Five" des Kom­po­nis­ten Paul Des­mond. Sie räumte einem Mu­sik­ver­lag die aus­schließli­chen Mu­sik­ver­lags­rechte für Eu­ropa ein. Die Haupt­li­zenz­neh­me­rin räumte der Rechts­vorgänge­rin des Be­klag­ten die aus­schließli­chen Sub­ver­lags­rechte für Deutsch­land und Öster­reich ein.

Im Jahr 1986 ver­ein­barte die Kläge­rin mit der Haupt­li­zenz­neh­me­rin, dass sämt­li­che ge­gen­sei­ti­gen Ver­pflich­tun­gen aus dem Ver­lags­ver­trag be­tref­fend das Mu­sik­werk "Take Five" be­en­det sind. Die Kläge­rin ist der An­sicht, mit der Auf­he­bung des Haupt­li­zenz­ver­tra­ges und dem Erlöschen der Haupt­li­zenz sei auch die Un­ter­li­zenz des Be­klag­ten er­lo­schen, und be­an­tragte u.a. die Fest­stel­lung, dass der Be­klagte nicht mehr In­ha­ber der Mu­sik­ver­lags­rechte an dem Werk "Take Five" für Deutsch­land und Öster­reich ist.

Das LG gab der Klage statt; das OLG wies sie ab. Die Re­vi­sion der Kläge­rin blieb vor dem BGH ohne Er­folg.

Die Gründe:
Der BGH hat be­reits mit dem Ur­teil "Rei­fen Pro­gres­siv" vom 26.3.2009 (I ZR 153/06) in einem Fall, in dem der Haupt­li­zenz­neh­mer dem Un­ter­li­zenz­neh­mer ein ein­fa­ches Nut­zungs­recht ge­gen Zah­lung ei­ner ein­ma­li­gen Li­zenz­gebühr ein­geräumt hatte und die Haupt­li­zenz auf­grund ei­nes wirk­sa­men Rück­rufs des Nut­zungs­rechts durch den Ur­he­ber we­gen Nicht­ausübung (§ 41 UrhG) er­lo­schen war, ent­schie­den, dass das Erlöschen der Haupt­li­zenz nicht zum Erlöschen der Un­ter­li­zenz führt. Er hat nun­mehr ent­schie­den, dass das Erlöschen der Haupt­li­zenz auch in Fällen wie den vor­lie­gen­den nicht zum Erlöschen der Un­ter­li­zenz führt.

Dies be­trifft Fälle, in de­nen der Haupt­li­zenz­neh­mer dem Un­ter­li­zenz­neh­mer ein ein­fa­ches Nut­zungs­recht ge­gen fort­lau­fende Zah­lung von Li­zenz­gebühren ("M2Tade") oder ein aus­schließli­ches Nut­zungs­recht ge­gen Be­tei­li­gung an den Li­zenzerlösen ("Take Five") ein­geräumt hat und die Haupt­li­zenz nicht auf­grund ei­nes Rück­rufs we­gen Nicht­ausübung, son­dern aus an­de­ren Gründen er­lischt - wie hier auf­grund ei­ner wirk­sa­men Kündi­gung des Haupt­li­zenz­ver­tra­ges we­gen Zah­lungs­ver­zugs ("M2Trade") oder auf­grund ei­ner Ver­ein­ba­rung über die Auf­he­bung des Haupt­li­zenz­ver­tra­ges ("Take Five").

Im ge­werb­li­chen Rechts­schutz und im Ur­he­ber­recht gilt der Grund­satz des Suk­zes­si­ons­schut­zes (§ 33 UrhG, § 30 Abs. 5 Mar­kenG, § 31 Abs. 5 Ge­schmMG, § 15 Abs. 3 PatG, § 22 Abs. 3 Ge­brMG). Er be­sagt u.a., dass aus­schließli­che und ein­fa­che Nut­zungs­rechte wirk­sam blei­ben, wenn der In­ha­ber des Rechts wech­selt, der das Nut­zungs­recht ein­geräumt hat. Zweck des Suk­zes­si­ons­schut­zes ist es, das Ver­trauen des Rechts­in­ha­bers auf den Fort­be­stand sei­nes Rechts zu schützen und ihm die Amor­ti­sa­tion sei­ner In­ves­ti­tio­nen zu ermögli­chen. Eine Abwägung der ty­pi­scher­weise be­trof­fe­nen In­ter­es­sen er­gibt, dass das vom Ge­setz als schutzwürdig er­ach­tete In­ter­esse des Un­ter­li­zenz­neh­mers an einem Fort­be­stand der Un­ter­li­zenz das In­ter­esse des Haupt­li­zenz­ge­bers an einem Rück­fall der Un­ter­li­zenz im Falle des Erlöschens der Haupt­li­zenz in al­ler Re­gel über­wiegt.

Das In­ter­esse des Haupt­li­zenz­ge­bers ist weit­ge­hend ge­wahrt, da er den Haupt­li­zenz­neh­mer nach dem Erlöschen der Haupt­li­zenz auf Ab­tre­tung sei­nes An­spruchs ge­gen den Un­ter­li­zenz­neh­mer auf Zah­lung von Li­zenz­gebühren in An­spruch neh­men kann. Der Fort­be­stand der Un­ter­li­zenz beim Weg­fall der Haupt­li­zenz führt da­mit nicht zu der un­bil­li­gen Kon­se­quenz, dass der nicht mehr be­rech­tigte Haupt­li­zenz­neh­mer von Li­zenz­zah­lun­gen des Un­ter­li­zenz­neh­mers pro­fi­tiert und der wie­der be­rech­tigte Haupt­li­zenz­ge­ber leer aus­geht.

Der Un­ter­li­zenz­neh­mer kann die Ur­sa­che für die außer­or­dent­li­che Auflösung des zwi­schen dem Haupt­li­zenz­ge­ber und dem Haupt­li­zenz­neh­mer ge­schlos­se­nen Ver­trags und die vor­zei­tige Be­en­di­gung des früheren Nut­zungs­rechts re­gelmäßig we­der be­ein­flus­sen noch vor­her­se­hen. Er würde durch den vor­zei­ti­gen und un­er­war­te­ten Fort­fall sei­nes Rechts oft er­heb­li­che wirt­schaft­li­che Nach­teile er­lei­den, die so­gar zur Ver­nich­tung sei­ner wirt­schaft­li­chen Exis­tenz führen können, wenn er auf den Be­stand der Li­zenz an­ge­wie­sen ist.

Link­hin­weis:
  • Die Voll­texte der Ent­schei­dun­gen wer­den demnächst auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
  • Für die Pres­se­mit­tei­lung des BGH kli­cken Sie bitte hier.
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