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BGH: Wohnungseigentümergemeinschaft kann Wohnungseigentümern nicht per Mehrheitsbeschluss gesamtschuldnerische Haftung auferlegen

Urteil des BGH vom 28.9.2012 - V ZR 251/11

Es liegt in der Kom­pe­tenz der Woh­nungs­ei­gentümer, die Auf­nahme ei­nes Kre­di­tes zur De­ckung des Fi­nanz­be­darfs der Woh­nungs­ei­gentümer­ge­mein­schaft zu be­schließen. Es fehlt al­ler­dings je­den­falls seit der vom Ge­setz­ge­ber nach­voll­zo­ge­nen An­er­ken­nung der Rechtsfähig­keit der Woh­nungs­ei­gentümer­ge­mein­schaft (§ 10 Abs. 6 S. 1 WEG) an der Kom­pe­tenz, den Woh­nungs­ei­gentümern eine ge­samt­schuld­ne­ri­sche Haf­tung durch Mehr­heits­be­schluss auf­zubürden.

Der Sach­ver­halt:
Die Par­teien bil­den eine Woh­nungs­ei­gentümer­ge­mein­schaft. Auf der Ei­gentümer­ver­samm­lung vom 29.4.2009 wurde un­ter dem Ta­ges­ord­nungs­punkt (TOP) 2 mit 14 von 17 Stim­men die Ge­samt­sa­nie­rung der Wohn­an­lage mit einem Auf­wand von ins­ge­samt 550.000 € be­schlos­sen. Die Fi­nan­zie­rung sollte "über staat­li­che Zu­schüsse und zins­begüns­tigte Kfw-Dar­le­hen" er­fol­gen, mit ei­ner Zins­bin­dung von 10 Jah­ren und ei­ner Lauf­zeit von 20 Jah­ren. Die Fi­nan­zie­rungs­kos­ten soll­ten re­gelmäßig in den Wirt­schafts­plan ein­ge­stellt und in mo­nat­li­chen Teil­beträgen von den Woh­nungs­ei­gentümern "gemäß den vor­lie­gen­den Ein­zel­aus­wer­tun­gen" ge­tra­gen wer­den. Der Be­schluss wurde nicht an­ge­foch­ten.

Auf ei­ner wei­te­ren Ver­samm­lung am 6.11.2009 wurde un­ter TOP 3 mehr­heit­lich die Zurück­wei­sung des An­trags des Klägers be­schlos­sen, ihn von jeg­li­cher Haf­tung aus der Fi­nan­zie­rung frei­zu­stel­len. Zur Begründung sei­nes An­trags hatte der Kläger vor­ge­tra­gen, dass er sei­nen An­teil aus ei­ge­nen Mit­teln auf­brin­gen und des­halb an der be­schlos­se­nen Fi­nan­zie­rung nicht teil­neh­men wolle.

AG und LG wie­sen die am 30.11.2009 ein­ge­reichte Klage, mit der der Kläger die Fest­stel­lung der Nich­tig­keit des Be­schlus­ses vom 29.4.2009 zu TOP 2 und die Ungültig­keits­erklärung des Be­schlus­ses vom 6.11.2009 zu TOP 3 be­an­tragte, ab. Die Re­vi­sion des Klägers hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Der Be­schluss vom 29.4.2009 zu TOP 2 ist be­standskräftig. Nich­tig­keitsgründe lie­gen nicht vor. Zu­tref­fend be­jaht das LG ins­bes. die Be­schluss­kom­pe­tenz für eine Kre­dit­auf­nahme. Die Be­fug­nis der Woh­nungs­ei­gentümer, den Fi­nanz­be­darf der Woh­nungs­ei­gentümer­ge­mein­schaft auch durch die Auf­nahme von Dar­le­hen zu de­cken, er­gibt sich zwar nicht ausdrück­lich aus dem WEG, wird von die­sem je­doch vor­aus­ge­setzt. Über die De­ckung des Fi­nanz­be­darfs des nun­mehr rechtsfähi­gen Ver­ban­des (§ 10 Abs. 6 S. 1 WEG) durch Be­schluss zu be­fin­den, ist Sa­che der Woh­nungs­ei­gentümer. Dass hierzu auch die Ent­schei­dung darüber gehört, ob der Be­darf durch einen Rück­griff auf vor­han­dene Rück­la­gen, durch die Er­he­bung von Son­der­um­la­gen oder durch die Auf­nahme von Dar­le­hen ge­deckt wer­den soll, hat der Se­nat be­reits für die Rechts­lage vor An­er­ken­nung der Rechtsfähig­keit der Woh­nungs­ei­gentümer­ge­mein­schaft ent­schie­den.

Für die Rechts­lage nach der Re­form des WEG gilt nichts an­de­res. Zwar ist die Frage, ob, und wenn ja, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen die Auf­nahme ei­nes Kre­di­tes, bei dem es nicht nur um die De­ckung ei­nes kurz­fris­ti­gen Fi­nanz­be­dar­fes in über­schau­ba­rer Höhe geht, den Grundsätzen ei­ner ord­nungs­gemäßen Ver­wal­tung ent­spricht, teils hef­tig um­strit­ten. Dar­auf kommt es je­doch vor­lie­gend nicht an, weil ein Be­schluss zur Auf­nahme ei­nes nicht ord­nungs­gemäßer Ver­wal­tung ent­spre­chen­den Kre­dits nach der Sys­te­ma­tik des WEG nur auf frist­ge­recht er­ho­bene An­fech­tungs­klage hin (§ 46 Abs. 1 S. 2 WEG) zu be­an­stan­den ist. Daran fehlt es hier, denn der Fi­nan­zie­rungs­be­schluss ist be­reits be­standskräftig.

So­weit der Kläger ar­gu­men­tiert, es fehle je­den­falls an der Kom­pe­tenz, die Über­nahme ei­ner ge­samt­schuld­ne­ri­schen Haf­tung durch die Woh­nungs­ei­gentümer mehr­heit­lich zu be­schließen, ist das im recht­li­chen Aus­gangs­punkt zwar rich­tig. Spätes­tens seit der vom Ge­setz­ge­ber nach­voll­zo­ge­nen An­er­ken­nung der Rechtsfähig­keit der Woh­nungs­ei­gentümer­ge­mein­schaft als Ver­band (§ 10 Abs. 6 S. 1 WEG) fehlt es an ei­ner da­hin­ge­hen­den Kom­pe­tenz. Eine ge­samt­schuld­ne­ri­sche Haf­tung kommt nur noch in Be­tracht, wenn sich die ein­zel­nen Woh­nungs­ei­gentümer selbst ne­ben dem Ver­band klar und ein­deu­tig auch persönlich ver­pflich­ten. Der Be­schluss enthält je­doch nicht den ge­rings­ten An­halts­punkt dafür, dass eine ge­samt­schuld­ne­ri­sche Haf­tung der Woh­nungs­ei­gentümer begründet wer­den sollte.

Zu Recht hat das LG auch die ge­gen den den An­trag des Klägers zurück­wei­sen­den Be­schluss vom 6.11.2009 zu TOP 3 ge­rich­tete An­fech­tungs­klage für un­begründet er­ach­tet. Ein Woh­nungs­ei­gentümer hat grundsätz­lich kei­nen An­spruch dar­auf, dass die Ausführung ei­nes be­standskräfti­gen Be­schlus­ses un­ter­bleibt, weil die Ver­wal­tung des ge­mein­schaft­li­chen Ei­gen­tums vor­ran­gig den Be­schlüssen der Woh­nungs­ei­gentümer ent­spre­chen muss (§ 21 Abs. 4 WEG); ein be­standskräfti­ger Be­schluss schließt zu­min­dest den Ein­wand aus, die Be­schluss­fas­sung habe nicht ord­nungs­gemäßer Ver­wal­tung ent­spro­chen. Et­was an­ders gilt nur dann, wenn schwer­wie­gende Gründe etwa bei ei­ner er­heb­li­chen Ände­rung der tatsäch­li­chen Verhält­nisse - die Durchführung der be­standskräftig be­schlos­se­nen Maßnahme als treu­wid­rig (§ 242 BGB) er­schei­nen las­sen. Das ist hier je­doch nicht er­sicht­lich.

Link­hin­weis:
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