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BGH präzisiert den Begriff "neuer Kunde"

BGH 6.10.2016, VII ZR 328/12

§ 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB ist im Lichte von Art. 17 Abs. 2 Buch­stabe a) ers­ter Ge­dan­ken­strich der Richt­li­nie 86/653/EWG da­hin aus­zu­le­gen, dass die von einem Han­dels­ver­tre­ter für Wa­ren ge­wor­be­nen Kun­den, mit de­ren Ver­trieb ihn der Un­ter­neh­mer be­auf­tragt hat, auch dann als neue Kun­den i.S.d. Be­stim­mung an­zu­se­hen sind, wenn sie be­reits we­gen an­de­rer Wa­ren Ge­schäfts­ver­bin­dun­gen mit dem Un­ter­neh­mer un­ter­hal­ten, so­fern der Ver­kauf der erst­ge­nann­ten Wa­ren durch die­sen Han­dels­ver­tre­ter die Begründung ei­ner spe­zi­el­len Ge­schäfts­ver­bin­dung er­for­dert hat.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin war von Sep­tem­ber 2008 bis Juni 2009 als Be­zirks­ver­tre­te­rin der Be­klag­ten tätig. Diese be­treibt einen Großhan­del mit Bril­len­ge­stel­len ver­schie­de­ner Kol­lek­tio­nen und Mar­ken und veräußert sie an Op­ti­ker. Die Be­klagte weist ih­ren Han­dels­ver­tre­tern nicht den Ver­trieb ih­rer ge­sam­ten Pro­dukt­pa­lette zu, son­dern le­dig­lich Bril­len­kol­lek­tio­nen be­stimm­ter Mar­ken.

Der Kläge­rin wurde der Ver­trieb der Bril­len­kol­lek­tio­nen C.K. und F. an­ver­traut. Sie stand da­bei im Wett­be­werb zu an­de­ren Ge­biets­ver­tre­tern der Be­klag­ten, de­nen der Ver­trieb an­de­rer Bril­len­kol­lek­tio­nen über­tra­gen wor­den war. Die Be­klagte stellte der Kläge­rin eine Kun­den­liste mit Op­ti­kern zur Verfügung, die be­reits an­dere Bril­len­kol­lek­tio­nen der Be­klag­ten er­wor­ben hat­ten. Die Kläge­rin ver­mit­telte über­wie­gend Ge­schäfte mit Op­ti­kern, die be­reits zu­vor an­dere Bril­len­kol­lek­tio­nen der Be­klag­ten er­wor­ben hat­ten.

Nach Be­en­di­gung des Han­dels­ver­tre­ter­ver­tra­ges machte die Kläge­rin einen An­spruch auf Han­dels­ver­tre­ter­aus­gleich gel­tend. Ihre For­de­rung begründete sie u.a. da­mit, dass die von ihr ge­wor­be­nen Op­ti­ker, auch wenn sie be­reits auf der ihr über­las­se­nen Kun­den­liste ver­zeich­net ge­we­sen seien, als Neu­kun­den an­zu­se­hen seien, weil sie erst­ma­lig Bril­len der Kol­lek­tio­nen C.K. und F. be­zo­gen hätten.

Das LG hat auch die­je­ni­gen von der Kläge­rin ge­wor­be­nen Kun­den, die vor­her an­dere Kol­lek­tio­nen von der Be­klag­ten er­wor­ben hat­ten, als Neu­kun­den an­ge­se­hen, je­doch einen Bil­lig­keits­ab­schlag i.H.v. 50 % vor­ge­nom­men, da dem Han­dels­ver­tre­ter der Ver­trieb der Bril­len er­leich­tert werde, wenn der Kunde sei­nen Ver­trags­part­ner be­reits kenne. Das OLG hat dies bestätigt. Auf die Re­vi­sion der Be­klag­ten hat der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf­ge­ho­ben und die Sa­che zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück­ver­wie­sen.

Die Gründe:
Mit der vom Be­ru­fungs­ge­richt ge­ge­be­nen Begründung konnte eine Ver­pflich­tung der Be­klag­ten zur Zah­lung ei­nes Han­dels­ver­tre­ter­aus­gleichs an die Kläge­rin nicht be­jaht wer­den.

§ 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB ist im Lichte von Art. 17 Abs. 2 Buch­stabe a) ers­ter Ge­dan­ken­strich der Richt­li­nie 86/653/EWG da­hin aus­zu­le­gen, dass die von einem Han­dels­ver­tre­ter für Wa­ren ge­wor­be­nen Kun­den, mit de­ren Ver­trieb ihn der Un­ter­neh­mer be­auf­tragt hat, auch dann als neue Kun­den i.S.d. Be­stim­mung an­zu­se­hen sind, wenn sie be­reits we­gen an­de­rer Wa­ren Ge­schäfts­ver­bin­dun­gen mit dem Un­ter­neh­mer un­ter­hal­ten, so­fern der Ver­kauf der erst­ge­nann­ten Wa­ren durch die­sen Han­dels­ver­tre­ter die Begründung ei­ner spe­zi­el­len Ge­schäfts­ver­bin­dung er­for­dert hat. Nach Auf­fas­sung des EuGH (Urt. v. 7.4.2016, C-315/14) darf der Be­griff "neuer Kunde" im Sinne die­ser Be­stim­mung im Hin­blick auf das mit der Richt­li­nie 86/653/EWG ver­folgte Ziel, die In­ter­es­sen des Han­dels­ver­tre­ters ge­genüber dem Un­ter­neh­mer zu schützen, nicht eng aus­ge­legt wer­den.

Ob da­nach da­von aus­zu­ge­hen ist, dass die Kläge­rin neue Kun­den i.S.d. § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB für die Be­klagte ge­wor­ben hatte, hat das Be­ru­fungs­ge­richt bis­lang nicht fest­ge­stellt. Die Kläge­rin hat die streit­ge­genständ­li­che Aus­gleichs­for­de­rung auf der Ba­sis der ent­gan­ge­nen Pro­vi­sio­nen für Ver­trags­ab­schlüsse mit den Op­ti­kern be­rech­net, die sie für die ihr zu­ge­wie­se­nen Bril­len­mar­ken ge­wor­ben hatte. Sie hat die Klage da­nach dar­auf gestützt, dass es sich bei den ge­wor­be­nen Op­ti­kern um neue Kun­den i.S.d. § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB ge­han­delt hat. Hierfür kommt es nach den vor­ste­hen­den Grundsätzen dar­auf an, ob der Ver­trieb der ihr zu­ge­wie­se­nen Bril­len­mar­ken Ver­mitt­lungs­bemühun­gen und eine be­son­dere Ver­kaufs­stra­te­gie im Hin­blick auf die Begründung ei­ner spe­zi­el­len Ge­schäfts­ver­bin­dung zu die­sen Kun­den er­for­dert hat.

Link­hin­weise:

  • Der Voll­text die­ser Ent­schei­dung wird demnächst auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
  • Für den Voll­text der Ent­schei­dung kli­cken Sie bitte hier.
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