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BFH zur Bildung von Rückstellungen wegen zukünftiger Betriebsprüfung bei Großbetrieben

Urteil des BFH vom 6.6.2012 - I R 99/10

In Steu­er­bi­lan­zen von als Großbe­triebe i.S.v. § 3 BpO 2000 ein­ge­stuf­ten Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten sind Rück­stel­lun­gen für die im Zu­sam­men­hang mit ei­ner Außenprüfung be­ste­hen­den Mit­wir­kungs­pflich­ten gem. § 200 AO, so­weit diese die am je­wei­li­gen Bi­lanz­stich­tag be­reits ab­ge­lau­fe­nen Wirt­schafts­jahre (Prüfungs­jahre) be­tref­fen, grundsätz­lich auch vor Er­lass ei­ner Prüfungs­an­ord­nung zu bil­den. Et­was an­de­res er­gibt sich nicht dar­aus, dass auch bei Großbe­trie­ben die Be­triebsprüfungs­an­ord­nung auf ei­ner Er­mes­sens­ent­schei­dung des Fi­nanz­am­tes be­ruht.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist eine GmbH, die durch form­wech­selnde Um­wand­lung zum 1.12.2005 aus ei­ner KG her­vor­ge­gan­gen war. Ihr vom Ka­len­der­jahr ab­wei­chen­des Wirt­schafts­jahr en­dete am 30.11.2006. Sie war gem. § 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Be­triebsprüfungs­an­ord­nung (BpO 2000) als Großbe­trieb ein­ge­stuft, der zum Kon­zern ih­rer bei­den Ge­sell­schaf­ter gehörte.

In ih­rem Jah­res­ab­schluss für das Wirt­schafts­jahr 2005/2006 vom 31.1.2007 hatte die Kläge­rin eine Rück­stel­lung für die Kos­ten ei­ner zu er­war­ten­den Be­triebsprüfung be­tref­fend die Jahre 2004 bis 2006 i.H.v. 25.100 € ge­bil­det. Die Rück­stel­lung wurde bei den zunächst für das Streit­jahr 2006 er­gan­ge­nen Be­schei­den zur Fest­set­zung der Körper­schaft­steuer so­wie des Ge­wer­be­steu­er­mess­be­trags berück­sich­tigt. Alle Be­scheide stan­den un­ter dem Vor­be­halt der Nachprüfung.
Nach ei­ner Kon­zern­be­triebsprüfung im Jahre 2008 hin­sicht­lich der Jahre 2004 bis 2006 ver­trat das Fi­nanz­amt die Auf­fas­sung, die von der Kläge­rin ge­bil­dete Rück­stel­lung für künf­tige Be­triebsprüfungs­kos­ten sei nicht an­zu­er­ken­nen, weil am Bi­lanz­stich­tag le­dig­lich die die Jahre 2001 bis 2003 be­tref­fende Be­triebsprüfung ab­ge­schlos­sen ge­we­sen sei und es im Zeit­punkt der Bi­lanz­auf­stel­lung (31.1.2007) an ei­ner Prüfungs­an­ord­nung für die Jahre 2004 bis 2006 ge­fehlt habe. Letz­tere Prüfung sei erst im Mai 2008 verfügt wor­den. Die Behörde er­ließ des­halb geänderte Be­scheide zur Fest­set­zung der Körper­schaft­steuer so­wie des Ge­wer­be­steu­er­mess­be­trags.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Die Re­vi­sion des Fi­nanz­am­tes blieb vor dem BFH er­folg­los.

Die Gründe:
Das FG hatte zu Recht ent­schie­den, dass bei Großbe­trie­ben i.S.v. § 3 BpO 2000 Rück­stel­lun­gen für die im Zu­sam­men­hang mit ei­ner Außenprüfung be­ste­hen­den Mit­wir­kungs­pflich­ten gem. § 200 AO - so­weit diese die am je­wei­li­gen Bi­lanz­stich­tag be­reits ab­ge­lau­fe­nen Wirt­schafts­jahre (Prüfungs­jahre) be­tref­fen - grundsätz­lich auch vor Er­lass ei­ner Prüfungs­an­ord­nung zu bil­den sind.

Im Schrift­tum wird zwar teil­weise ver­tre­ten, dass Kos­ten ei­ner zukünf­ti­gen Außenprüfung erst ab dem Er­lass der Prüfungs­an­ord­nung pas­si­viert wer­den dürfen. Nach an­de­rer Auf­fas­sung, der sich auch der Se­nat an­schließt, sind hin­ge­gen (je­den­falls) bei Großbe­trie­ben, die nach § 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 BpO 2000 der sog. An­schlussprüfung un­ter­lie­gen, Rück­stel­lun­gen für die zukünf­ti­gen Be­triebsprüfungs­kos­ten zu bil­den, die am je­wei­li­gen Bi­lanz­stich­tag auf die bis da­hin ab­ge­lau­fe­nen Wirt­schafts­jahre ent­fal­len.

Zwar war die Kläge­rin am Bi­lanz­stich­tag des Streit­jah­res noch nicht gem. § 200 AO zur Mit­wir­kung an der Außenprüfung be­tref­fend die Wirt­schafts­jahre 2004 bis 2006 ver­pflich­tet, da die Be­triebsprüfung für diese Zeiträume erst im Jahre 2008 an­ge­ord­net wurde. Al­ler­dings hatte das FG zu­tref­fend an­ge­nom­men, dass im Streit­fall die Vor­aus­set­zun­gen für die Rück­stel­lung ei­ner dem Grunde und der Höhe nach un­ge­wis­sen Ver­bind­lich­keit vor­la­gen. Der Er­lass ei­ner Prüfungs­an­ord­nung be­tref­fend die Wirt­schafts­jahre 2004 bis 2006 ge­genüber der Kläge­rin und da­mit auch de­ren Ver­pflich­tung zur Mit­wir­kung nach § 200 AO, war nicht nur wahr­schein­lich, son­dern auch wirt­schaft­lich ver­ur­sacht. Et­was an­de­res er­gab sich nicht dar­aus, dass auch bei Großbe­trie­ben die Be­triebsprüfungs­an­ord­nung auf ei­ner Er­mes­sens­ent­schei­dung des Fi­nanz­am­tes be­ruht.

Die sich aus § 200 AO er­ge­ben­den öff­ent­lich-recht­li­chen Mit­wir­kungs­pflich­ten wa­ren am Bi­lanz­stich­tag so­wohl in­halt­lich als auch in zeit­li­cher Hin­sicht kon­kre­ti­siert. Denn es genügend, wenn die in der Zu­kunft mit über­wie­gen­der Wahr­schein­lich­keit ent­ste­hende Ver­pflich­tung in­ner­halb ei­nes be­stimm­ba­ren und dem Be­lie­ben des Steu­er­pflich­ti­gen ent­zo­ge­nen Zeit­raums zu erfüllen ist. Auch wa­ren die auf die Vor­schrift gestütz­ten Mit­wir­kungs­ver­lan­gen sank­ti­ons­be­wehrt, da sie nach BFH-Recht­spre­chung re­gelmäßig als Ver­wal­tungs­akte zu qua­li­fi­zie­ren sind.

Die Ge­winn­wirk­sam­keit der für die Erfüllung der Mit­wir­kungs­pflich­ten ge­bil­de­ten Rück­stel­lun­gen war letzt­lich auch nicht da­durch aus­ge­schlos­sen, dass die hierfür an­fal­len­den Auf­wen­dun­gen nicht als Be­triebs­aus­ga­ben ab­ge­zo­gen wer­den könn­ten. So­weit das BMF hierzu in der münd­li­chen Ver­hand­lung gel­tend ge­macht hatte, dass der Auf­wand - so­weit er die Prüfung der Körper­schaft­steuer be­treffe - nach § 10 Nr. 2 KStG 2002 das Ein­kom­men der Kläge­rin nicht min­dern dürfe, konnte dem nicht ge­folgt wer­den. Die Vor­schrift er­fasst ne­ben der Körper­schaft­steuer die hier­auf ent­fal­len­den steu­er­li­chen Ne­ben­leis­tun­gen, nicht hin­ge­gen die Auf­wen­dun­gen, die ei­ner Ka­pi­tal­ge­sell­schaft im Rah­men der Erfüllung ih­rer Mit­wir­kungs­pflich­ten gem. § 200 AO ent­ste­hen. Sie ist ent­spre­chend "eng" aus­zu­le­gen.

Link­hin­weis:
  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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