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BFH: Aufgabe des subjektiven Fehlerbegriffs hinsichtlich bilanzieller Rechtsfragen

Beschluss des BFH vom 31.01.2013 - GrS 1/10

Der Große Se­nat des Bun­des­fi­nanz­hofs (BFH) hat auf Vor­lage des I. Se­nats des BFH vom 7. April 2010 I R 77/08 (BFHE 228, 533, BStBl II 2010, 739; vgl. Pres­se­mit­tei­lung Nr. 44 vom 19. Mai 2010) ent­schie­den, dass das Fi­nanz­amt (FA) ab­wei­chend von der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung im Rah­men der er­trag­steu­er­recht­li­chen Ge­winn­er­mitt­lung auch dann nicht an die recht­li­che Be­ur­tei­lung ge­bun­den ist, die der vom Steu­er­pflich­ti­gen auf­ge­stell­ten Bi­lanz (und de­ren ein­zel­nen Ansätzen) zu­grunde liegt, wenn diese Be­ur­tei­lung aus der Sicht ei­nes or­dent­li­chen und ge­wis­sen­haf­ten Kauf­manns im Zeit­punkt der Bi­lanz­auf­stel­lung ver­tret­bar war. Das gilt auch für eine in die­sem Zeit­punkt von Ver­wal­tung und Recht­spre­chung prak­ti­zierte, später aber geänderte Rechts­auf­fas­sung. Im Aus­gangs­ver­fah­ren ist strei­tig, wie die ver­bil­ligte Handy-Ab­gabe bi­lanz­steu­er­recht­lich zu be­ur­tei­len ist.

Für die Be­ur­tei­lung, ob eine beim FA ein­ge­reichte Bi­lanz „feh­ler­haft“ in dem Sinne ist, dass das FA sich von den Bi­lanz­ansätzen des Steu­er­pflich­ti­gen lösen kann, galt nach der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des BFH auch hin­sicht­lich der Be­ur­tei­lung von Rechts­fra­gen ein sub­jek­ti­ver Maßstab. War die ei­ner Bi­lanz oder einem Bi­lanz­an­satz zu­grunde lie­gende recht­li­che Be­ur­tei­lung im Zeit­punkt der Bi­lanz­auf­stel­lung aus der Sicht ei­nes or­dent­li­chen und ge­wis­sen­haf­ten Kauf­manns ver­tret­bar, war das FA daran bei der Steu­er­fest­set­zung auch dann ge­bun­den, wenn diese Be­ur­tei­lung ob­jek­tiv feh­ler­haft war.

Diese Recht­spre­chung hat der Große Se­nat des BFH nun­mehr auf­ge­ge­ben. Eine Bin­dung des Fi­nanz­amts an eine ob­jek­tiv un­zu­tref­fende, aber im Zeit­punkt der Bi­lanz­auf­stel­lung aus der Sicht ei­nes or­dent­li­chen und ge­wis­sen­haf­ten Kauf­manns ver­tret­bare recht­li­che Be­ur­tei­lung, die der vom Steu­er­pflich­ti­gen auf­ge­stell­ten Han­dels oder Steu­er­bi­lanz oder de­ren ein­zel­nen Ansätzen zu­grunde liegt, lasse sich we­der aus § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG noch aus § 4 Abs. 2 EStG ab­lei­ten. Die Fi­nanz­ver­wal­tung und die Ge­richte seien ins­be­son­dere aus ver­fas­sungs­recht­li­chen Gründen ver­pflich­tet, ih­rer Ent­schei­dung die ob­jek­tiv rich­tige Rechts­lage zu­grunde zu le­gen. Dies gelte un­abhängig da­von, ob sich die un­zu­tref­fende Rechts­an­sicht des Steu­er­pflich­ti­gen zu sei­nen Guns­ten oder zu sei­nen Las­ten aus­ge­wirkt habe. Eine Überg­angs­re­ge­lung sei nicht zu tref­fen.

Quelle: Pres­se­mit­tei­lung des BFH Nr. 17/2013 vom 27.03.2013
Den Be­schluss des BFH im Voll­text fin­den Sie hier.
28.03.2013 nach oben

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