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Betriebsrentengesetz: Abweichen zum Nachteil von Gesellschaftsorganen

BGH 23.5.2017, II ZR 6/16

Von den Vor­schrif­ten des Be­triebs­ren­ten­ge­set­zes kann zum Nach­teil von Or­ga­nen ei­ner Ka­pi­tal­ge­sell­schaft ab­ge­wi­chen wer­den, so­weit auch den Ta­rif­ver­trags­par­teien Ab­wei­chun­gen er­laubt sind. Von ei­ner Ver­hand­lungs­un­ter­le­gen­heit des ein­zel­nen Or­gan­mit­glieds, wie sie der Ge­setz­ge­ber bei einem Ar­beit­neh­mer ty­pi­siert an­nimmt, kann nicht aus­ge­gan­gen wer­den.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger war von 1989 bis zum 30.9.2011 ge­mein­sam mit dem Mit­ge­sell­schaf­ter G Ge­schäftsführer der be­klag­ten GmbH. Der Kläger hielt 35 %, G 5 % der Ge­schäfts­an­teile an der Be­klag­ten. Am 21.12.1999 be­schloss die Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung der Be­klag­ten, dem Kläger und sei­nen ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten Hin­ter­blie­be­nen eine be­trieb­li­che Ver­sor­gung zu gewähren. Der Kläger sollte eine Ver­sor­gungs­zu­sage von da­mals mtl. 3.500 DM er­hal­ten.

Nr. 15.4 der Ver­ein­ba­rung lau­tet:
"Das Un­ter­neh­men ist be­rech­tigt, nach Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls Ver­sor­gungs­an­sprüche durch Ka­pi­tal­zah­lung ab­zu­fin­den. Die Ka­pi­ta­li­sie­rung er­folgt in Übe­rein­stim­mung mit den Be­stim­mun­gen des Be­triebs­ren­ten­ge­set­zes gem. den ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­schen Grundsätzen und Be­mes­sungs­grund­la­gen, die für die Be­rech­nung der jähr­li­chen Teil­werte gem. § 6a EStG zu die­sem Zeit­punkt gültig sind."

Nr. 20 der Ver­ein­ba­rung lau­tet:
"Auf diese Ver­sor­gungs­zu­sage fin­det das Be­triebs­ren­ten­ge­setz mit Aus­nahme des Ab­fin­dungs­ver­bots aus § 3 des Ge­set­zes in sei­ner je­wei­li­gen Fas­sung An­wen­dung, so­weit diese Ver­sor­gungs­zu­sage nicht ausdrück­lich güns­ti­gere Re­ge­lun­gen für den Ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten enthält."

Ab dem 1.10.2011 zahlte die Be­klagte an den Kläger eine mtl. Rente, der­zeit rd. 2.300 € brutto. Nach ei­ner von der Be­klag­ten er­stell­ten Ab­fin­dungs­be­rech­nung auf der Grund­lage des Teil­wert­prin­zips nach § 6a EStG be­lief sich der Ka­pi­ta­li­sie­rungs­be­trag der Rente zum 31.12.2011 auf 300.000 €. Die Mit­ge­sell­schaf­ter des Klägers be­ab­sich­ti­gen, die Rente in eine Ka­pi­tal­ab­fin­dung um­zu­wan­deln. In ei­ner Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung vom 28.11.2013 wur­den mit der Mehr­heit der Stim­men "die ver­trag­li­che Ab­wick­lung der Ver­sor­gungs­an­sprüche über das im Jahr 1999 ver­ein­barte Ab­fin­dungs­mo­dell nach § 15.4" be­schlos­sen und der An­trag des Klägers, die Ver­sor­gungs­zu­sage ins Sys­tem des Be­trAVG zurück­zuführen, ab­ge­lehnt. Der Kläger wen­det sich mit sei­ner An­fech­tungs­klage ge­gen die­sen Be­schluss.

Das LG gab der Klage statt; das OLG wies sie ab. Die Re­vi­sion des Klägers hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Der Be­schluss, die Ver­sor­gung des Klägers zu ka­pi­ta­li­sie­ren, verstößt nicht ge­gen das Ge­setz.

Der Be­schluss verstößt nicht ge­gen § 3 Be­trAVG. Da­bei kann da­hin­ste­hen, ob das Ab­fin­dungs­ver­bot in § 3 Be­trAVG nicht ein­greift, wenn be­reits in der Ver­sor­gungs­zu­sage ver­ein­bart ist, dass der Dienst­herr statt ei­ner lau­fen­den Ren­ten­zah­lung auch nach de­ren Be­ginn einen ka­pi­ta­li­sier­ten Be­trag leis­ten kann. Denn in Nr. 20 der Ver­sor­gungs­ver­ein­ba­rung war ver­ein­bart, dass § 3 Be­trAVG und da­mit auch das Ab­fin­dungs­ver­bot auf die Ver­ein­ba­rung zur Al­ters­ver­sor­gung des Klägers keine An­wen­dung fin­den sol­len. § 3 Be­trAVG konnte in der Ver­sor­gungs­ver­ein­ba­rung ab­be­dun­gen wer­den. Von den Vor­schrif­ten des Be­triebs­ren­ten­ge­set­zes kann zum Nach­teil von Or­ga­nen ei­ner Ka­pi­tal­ge­sell­schaft nach § 17 Abs. 3 S. 1 Be­trAVG ab­ge­wi­chen wer­den, so­weit auch den Ta­rif­ver­trags­par­teien Ab­wei­chun­gen er­laubt sind. Zu den Vor­schrif­ten, von de­nen nach § 17 Abs. 3 S. 1 Be­trAVG ab­ge­wi­chen wer­den kann, zählt auch § 3 Be­trAVG.

Nach § 17 Abs. 3 S. 3 Be­trAVG kann al­ler­dings von den Be­stim­mun­gen des Be­triebs­ren­ten­ge­set­zes grundsätz­lich nicht zu­un­guns­ten der Ar­beit­neh­mer ab­ge­wi­chen wer­den. Diese Re­ge­lung gilt auch für den Kläger, der als Ge­schäftsführer Or­gan­mit­glied der Be­klag­ten war. Ar­beit­neh­mer i.S.v. § 17 Abs. 3 S. 3 Be­trAVG sind auch die in § 17 Abs. 1 S. 2 Be­trAVG ge­nann­ten Per­so­nen, zu de­nen der Kläger gehörte. Die Er­stre­ckung der ar­beits­recht­li­chen Vor­schrif­ten des Be­triebs­ren­ten­ge­set­zes auf die­sen Per­so­nen­kreis liefe ins Leere, könnte durch ver­trag­li­che Ver­ein­ba­run­gen ohne wei­te­res von den ge­setz­li­chen Schutz­re­ge­lun­gen ab­ge­wi­chen wer­den. Dass bei Or­gan­mit­glie­dern - zu­min­dest ty­pi­scher­weise - an­ders als bei Ar­beit­neh­mern bei der Aus­hand­lung ih­rer Be­triebs­ren­ten­re­ge­lung keine Ver­hand­lungs­un­ter­le­gen­heit vor­liegt, recht­fer­tigt nicht die An­nahme, das Be­triebs­ren­ten­recht sei für die­sen Per­so­nen­kreis vollständig ab­be­ding­bar.

Ab­wei­chende Ver­ein­ba­run­gen kom­men al­ler­dings in­so­weit in Be­tracht, als der Ge­setz­ge­ber sie un­ter Zu­grun­de­le­gung ei­nes Ver­hand­lungs­pro­zes­ses, der ge­eig­net ist, zu an­ge­mes­se­nen Er­geb­nis­sen zu führen, zulässt, wie § 17 Abs. 3 S. 1 Be­trAVG zeigt. Für Ar­beit­neh­mer im ar­beits­recht­li­chen Sinne kann dies an­ge­nom­men wer­den, so­weit eine ta­rif­li­che Re­ge­lung vor­liegt, weil der Ge­setz­ge­ber den Ta­rif­ver­trags­par­teien eine ent­spre­chende Ver­hand­lungs­macht zu­er­kennt. Das Be­triebs­ren­ten­recht ist dem­zu­folge auch für Or­gan­mit­glie­der in­so­weit ab­ding­bar, als auch den Ta­rif­ver­trags­par­teien Ab­wei­chun­gen er­laubt sind. Eine wei­ter­ge­hende Un­ab­ding­bar­keit würde dazu führen, dass die­ser Per­so­nen­kreis bes­ser ge­schützt wäre als Ar­beit­neh­mer. Von ei­ner Ver­hand­lungs­un­ter­le­gen­heit des ein­zel­nen Or­gan­mit­glieds, wie sie der Ge­setz­ge­ber bei einem Ar­beit­neh­mer ty­pi­siert an­nimmt, kann nicht aus­ge­gan­gen wer­den.

Der Be­schluss verstößt auch nicht ge­gen die gu­ten Sit­ten (§ 138 BGB). Zwar ist ein Be­schluss ent­spre­chend § 241 Nr. 4 AktG nich­tig, wenn er nach sei­nem In­halt ge­gen die gu­ten Sit­ten verstößt. Der Be­schlus­sin­halt, ent­spre­chend der ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung die lau­fen­den Ren­ten zu ka­pi­ta­li­sie­ren und den sich er­ge­ben­den Be­trag aus­zu­zah­len, enthält aber ebenso we­nig einen Sit­ten­ver­stoß wie die ver­ein­barte Ka­pi­ta­li­sie­rungs­re­ge­lung ent­spre­chend § 6a EStG. Einen sol­chen macht der Kläger auch nicht gel­tend, der viel­mehr ein Miss­verhält­nis zwi­schen dem von der Be­klag­ten er­rech­ne­ten Ka­pi­ta­li­sie­rungs­be­trag und der sei­ner An­sicht nach noch zu zah­len­den Rente ge­se­hen hat. Der er­rech­nete Ka­pi­ta­li­sie­rungs­be­trag ist aber schon nicht Ge­gen­stand des an­ge­foch­te­nen Be­schlus­ses, so dass auch of­fen blei­ben kann, ob und wie in ihm künf­tige Ren­ten­erhöhun­gen ein­zu­be­zie­hen sind.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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