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Begünstigter Veräußerungsgewinn bei Fortführung der Tätigkeit als Sachverständiger nach Übertragung des Anteils an einem Architekturbüro?

FG Münster 4.7.2014, 4 K 2898/12 F

Eine begüns­tigte Teil­pra­xis­veräußerung liegt nur dann vor, wenn sich die frei­be­ruf­li­che Ar­beit ent­we­der auf we­sensmäßig ver­schie­dene Tätig­kei­ten mit zu­gehöri­gen un­ter­schied­li­chen Kun­den­krei­sen er­streckt oder bei gleich­ar­ti­ger Tätig­keit in von­ein­an­der ge­trenn­ten ört­lich ab­ge­grenz­ten Be­rei­chen ausgeübt wird. Han­delt es sich hin­ge­gen um eine ein­heit­li­che gleich­ar­tige frei­be­ruf­li­che Tätig­keit, so kann re­gelmäßig aus­ge­schlos­sen wer­den, dass Teile der Pra­xis eine so weit­ge­hende or­ga­ni­sa­to­ri­sche Selbstständig­keit er­reicht ha­ben, dass sie Teil­be­trie­ben im ge­werb­li­chen Be­reich gleich­ge­stellt wer­den können.

Der Sach­ver­halt:
Der im Jahr 2010 ver­stor­bene Ehe­mann der Kläge­rin (B.) führte zunächst ein Ar­chi­tek­turbüro als Ein­zel­un­ter­neh­mer. Da­ne­ben war er als öff­ent­lich be­stell­ter und ver­ei­dig­ter Sach­verständi­ger tätig. In der Fol­ge­zeit gründete er ge­mein­sam mit sei­nem bis­he­ri­gen An­ge­stell­ten eine GbR, in die er sein Ar­chi­tek­turbüro ein­brachte. Im So­zietätsver­trag war u.a. ge­re­gelt, dass sämt­li­che Ein­nah­men und Aus­ga­ben im Zu­sam­men­hang mit der Sach­verständi­gentätig­keit des B. sol­che der So­zietät dar­stell­ten. Der An­teil der Ein­nah­men aus der Sach­verständi­gentätig­keit machte in den Jah­ren 2006 bis 2008 etwa 17 bis 18 % der Ge­samt­ein­nah­men der GbR aus.

Ende 2008 veräußerte B. sei­nen Ge­sell­schafts­an­teil. Vom ver­ein­bar­ten Kauf­preis i.H.v. 196.000 € soll­ten 110.000 € auf den Pra­xis­wert und der Rest auf die Be­triebs­aus­stat­tung ent­fal­len. B. ver­pflich­tete sich dazu, jeg­li­che Betäti­gung zu un­ter­las­sen, mit der er in Wett­be­werb zur Ge­schäftstätig­keit der GbR tre­ten würde. Ausdrück­lich aus­ge­nom­men von die­sem Wett­be­werbs­ver­bot wurde die Tätig­keit als Sach­verständi­ger. Im Jahr 2009 übte B. seine Tätig­keit als Sach­verständi­ger wei­ter aus und über­nahm für diese Zwecke eine zu­vor bei der GbR be­schäftigte Se­kre­ta­ri­ats­mit­ar­bei­te­rin.

In ih­rer Fest­stel­lungs­erklärung für das Streit­jahr 2009 erklärte die GbR u.a. einen Veräußerungs­ge­winn für B. i.H.v. 210.370 €, der sich aus dem Kauf­preis so­wie den Ent­nah­me­wer­ten zweier Fahr­zeuge abzüglich der Buch­werte zu­sam­men­setzte. Im ur­sprüng­li­chen Fest­stel­lungs­be­scheid berück­sich­tigte das Fi­nanz­amt noch einen ent­spre­chen­den Veräußerungs­ge­winn und rech­nete ihn in vol­lem Um­fang dem B. zu. Die­sen Be­scheid änderte die Behörde je­doch da­hin­ge­hend, dass der bis­he­rige Veräußerungs­ge­winn nun­mehr als lau­fen­der Ge­winn berück­sich­tigt wurde und führte zur Begründung aus, dass die bis­he­rige Tätig­keit nicht ein­ge­stellt wor­den sei.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab.

Die Gründe:
Das Fi­nanz­amt hatte zu­tref­fend kei­nen begüns­tig­ten Veräußerungs­ge­winn i.S.d. §§ 18 Abs. 3 i.V.m. 16 EStG fest­ge­stellt. Hier­un­ter fällt u.a. die Veräußerung des ge­sam­ten An­teils ei­nes Ge­sell­schaf­ters, der als Un­ter­neh­mer (Mit­un­ter­neh­mer) des Be­triebs an­zu­se­hen ist (§ 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG). Dem­ge­genüber sind Ge­winne, die bei der Veräußerung le­dig­lich ei­nes Teils ei­nes sol­chen An­teils er­zielt wer­den, lau­fende Ge­winne (§ 16 Abs. 1 S. 2 EStG).

Zu den we­sent­li­chen Be­triebs­grund­la­gen der GbR gehörte auch die öff­ent­li­che Be­stel­lung des B. als Sach­verständi­ger und die durch diese langjährig ausgeübte Tätig­keit auf­ge­bau­ten Kon­takte zu Ge­rich­ten zu den we­sent­li­chen Be­triebs­grund­la­gen der GbR. Da die Erlöse aus der Sach­verständi­gentätig­keit ausdrück­lich der Tätig­keit der GbR zu­ge­ord­net wor­den wa­ren, wurde diese Tätig­keit in die GbR ein­ge­bracht. Sie war für die GbR auch von we­sent­li­cher funk­tio­na­ler Be­deu­tung. Die Be­stel­lung als Sach­verständi­ger hatte B. we­der über­tra­gen (was recht­lich nicht möglich ge­we­sen wäre) noch hatte er sie zurück­ge­ge­ben. Er hatte sie viel­mehr wei­ter­hin für seine ein­zel­un­ter­neh­me­ri­sche Tätig­keit ge­nutzt.

In­so­fern lag keine steu­er­begüns­tigte Teil­pra­xis­veräußerung vor, da der B. mit der Fortführung der Sach­verständi­gentätig­keit kei­nen selbstständi­gen Teil ei­nes Vermögens i.S.v. § 18 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG veräußert hatte. Eine begüns­tigte Teil­pra­xis­veräußerung liegt nach ständi­ger Recht­spre­chung nur dann vor, wenn sich die frei­be­ruf­li­che Ar­beit ent­we­der auf we­sensmäßig ver­schie­dene Tätig­kei­ten mit zu­gehöri­gen un­ter­schied­li­chen Kun­den­krei­sen er­streckt (1. Fall­gruppe) oder bei gleich­ar­ti­ger Tätig­keit in von­ein­an­der ge­trenn­ten ört­lich ab­ge­grenz­ten Be­rei­chen ausgeübt wird (2. Fall­gruppe). Han­delt es sich hin­ge­gen - wie hier - um eine ein­heit­li­che gleich­ar­tige frei­be­ruf­li­che Tätig­keit, so kann re­gelmäßig aus­ge­schlos­sen wer­den, dass Teile der Pra­xis eine so weit­ge­hende or­ga­ni­sa­to­ri­sche Selbstständig­keit er­reicht ha­ben, dass sie Teil­be­trie­ben im ge­werb­li­chen Be­reich gleich­ge­stellt wer­den können.

Auch der Um­stand, dass eine ei­gene Schreib­kraft ein­ge­stellt wor­den war, führte noch nicht zu ei­ner or­ga­ni­sa­to­ri­schen Ver­selbstständi­gung die­ses Be­reichs i.S. ei­nes Teil­be­triebs. Das Glei­che galt für den Um­stand, dass B. für die Gut­ach­tertätig­keit häufig sein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer ge­nutzt ha­ben soll. Schließlich war die Fortführung der Gut­ach­tertätig­keit auch nicht des­halb für die An­nahme ei­ner begüns­tig­ten Be­triebs­veräußerung un­schädlich, weil sie als ge­ringfügig an­zu­se­hen ge­we­sen wäre. Die teil­weise Fortführung der frei­be­ruf­li­chen Tätig­keit ist nur dann als Tätig­keit von ge­rin­gem Um­fang i.d.S. an­zu­se­hen, wenn die dar­auf ent­fal­len­den Umsätze in den letz­ten drei Jah­ren vor der Veräußerung we­ni­ger als 10 % der ge­sam­ten Ein­nah­men aus­mach­ten. Im vor­lie­gen­den Fall machte die Gut­ach­tertätig­keit in den Jah­ren 2006 bis 2008 aber ca. 17 bis 19 % des Ge­samt­um­sat­zes der GbR aus.

Link­hin­weis:

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