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Steuerberatung

Barabfindung: Abziehbarkeit anteiliger Anschaffungskosten bei Anteilstausch

FG Münster 9.10.2018, 2 K 3516/17 E

Die Aus­le­gung des § 20 Abs. 4a S. 2 EStG, da­hin­ge­hend, dass im Wege ei­ner ver­fas­sungs­kon­for­men Aus­le­gung der Norm bei der Be­steue­rung der Bar­ab­fin­dung (an­tei­lige) An­schaf­fungs­kos­ten der bis­he­ri­gen, im Zuge der ge­sell­schafts­recht­li­chen Maßnahme ein­ge­tausch­ten Ak­tien in Ab­zug zu brin­gen sind, schei­det aus. Der Wort­laut der Norm ord­net ohne jede Ein­schränkung an, dass die Ge­gen­leis­tung, die zusätz­lich zu den neuen An­tei­len gewährt wird, als "Er­trag" i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gilt.

Der Sach­ver­halt:

Der Kläger besaß ein Ak­ti­en­de­pot, auf dem sich im Streit­jahr 2015 zunächst 2.000 Ak­tien der Firma M (USA) be­fan­den. Diese hatte er je­weils zur Hälfte am 26.7.2013 für 44,65 USD pro Stück und am 23.5.2014 für 60,43 USD pro Stück, ins­ge­samt für 105.080 USD, an­ge­schafft. Per 12.6.2015 buchte die Bank sämt­li­che M-Ak­tien aus sei­nem De­pot aus und buchte dafür 581,800 Stück Ak­tien der S (USA) ein. Zusätz­lich kam es zu ei­ner Bar­aus­zah­lung i.H.v. 50,50 USD pro Ak­tie der M ins­ge­samt 101.000 USD. Am 16.6.2015 erläuterte die Bank hierzu, dass die Ak­tien per 12.6.2015 we­gen ei­ner Fu­sion um­ge­tauscht würden. Die an­ge­fal­le­nen Ak­ti­en­bruch­teile würden in bar vergütet.

 

In der Jah­res­steu­er­be­schei­ni­gung vom 10.2.2016 wies die Bank für das Ka­len­der­jahr 2015 Ka­pi­tal­erträge lt. Zeile 7 der An­lage KAP mit ins­ge­samt rund 169.280 € aus. In die­ser Summe war die Bar­aus­zah­lung von 89.801 € ent­hal­ten, die der Kläger ne­ben den S-Ak­tien er­hal­ten hatte. Der Kläger be­an­tragte in sei­ner Ein­kom­men­steu­er­erklärung 2015 die Überprüfung des Steu­er­ein­be­halts für Ka­pi­tal­erträge gem. § 32d Abs. 4 EStG so­wie die Güns­ti­gerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG. Die Höhe der Ka­pi­tal­erträge kor­ri­gierte er da­bei um den Be­trag von 93.425 € nach un­ten. Da­von ent­fie­len 89.801 € auf den Kurs­wert der aus­ge­buch­ten M-Ak­tien und 3.623 € auf die Dif­fe­renz zwi­schen den An­schaf­fungs­kos­ten die­ser Ak­tien (105.080 USD) und der ge­zahl­ten Bar­ab­fin­dung (101.000 USD), ins­ge­samt 4.080 USD, um­ge­rech­net zum Stich­tag 12.6.2015 mit einem Kurs von 0,8881 €. Hierzu führte der Kläger aus, die Bank D habe den Vor­gang wi­der bes­se­res Wis­sen falsch de­kla­riert, nämlich so, als hätte S ohne Ge­gen­leis­tung eine Bar­aus­schüttung er­bracht. Tatsäch­lich habe die Firma S die Firma M käuf­lich er­wor­ben. Er habe aus dem Zwangs­ver­kauf einen Ver­lust er­lit­ten.

 

Das Fi­nanz­amt er­fasste Ka­pi­tal­erträge i.H.v. 206.806 € bei der Be­rech­nung der nach § 32d Abs. 1 EStG (Ab­gel­tungs­steuer) be­steu­er­ten Einkünfte. Die von der Bank be­schei­nig­ten Ka­pi­tal­erträge wa­ren darin in vol­lem Um­fang ent­hal­ten. Der Kläger machte gel­tend, dass § 20 Abs. 4a S. 2 EStG nicht zu ak­zep­tie­ren sei. Das FG wies die Klage ab. Al­ler­dings wurde zur Fort­bil­dung des Rechts die Re­vi­sion zu­ge­las­sen.

 

Die Gründe:

Das Fi­nanz­amt ist zu Recht da­von aus­ge­gan­gen, dass der bei dem Ak­ti­en­tausch ge­zahlte Bar­aus­gleich i.H.v. ins­ge­samt 89.801 € gem. § 20 Abs. 4a S. 2 EStG als Ka­pi­tal­er­trag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG der Be­steue­rung nach § 32d Abs. 1 EStG in vol­lem Um­fang, ohne Ab­zug von An­schaf­fungs­kos­ten, zu­grunde zu le­gen ist. Die Bar­ab­fin­dung, die der Kläger im Zu­sam­men­hang mit der Über­nahme von M durch S er­hal­ten hat, gilt nach § 20 Abs. 4a S. 2 EStG in vol­lem Um­fang als Er­trag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

 

Die vom Kläger be­gehrte Aus­le­gung des § 20 Abs. 4a S. 2 EStG, da­hin­ge­hend, dass im Wege ei­ner ver­fas­sungs­kon­for­men Aus­le­gung der Norm bei der Be­steue­rung der Bar­ab­fin­dung (an­tei­lige) An­schaf­fungs­kos­ten der bis­he­ri­gen, im Zuge der ge­sell­schafts­recht­li­chen Maßnahme ein­ge­tausch­ten Ak­tien in Ab­zug zu brin­gen sind, schei­det aus. Der Wort­laut der Norm ord­net ohne jede Ein­schränkung an, dass die Ge­gen­leis­tung, die zusätz­lich zu den neuen An­tei­len gewährt wird, als "Er­trag" i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gilt. Das Wort "Ge­winn", das § 20 Abs. 4a S. 1 EStG bezüglich der späte­ren Veräußerung der er­wor­be­nen An­teile ver­wen­det und das nach der Le­gal­de­fi­ni­tion in § 20 Abs. 4 EStG eine Re­si­dualgröße aus Ein­nah­men ei­ner­seits und be­stimm­ten Auf­wen­dun­gen und An­schaf­fungs­kos­ten an­de­rer­seits be­zeich­net, enthält § 20 Abs. 4a S. 2 EStG ge­rade nicht. Auch mit Sinn und Zweck der Norm so­wie dem im Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren geäußer­ten Wil­len des Ge­setz­ge­bers ist eine Aus­le­gung des § 20 Abs. 4a S. 2 EStG, bei der (an­tei­lige) An­schaf­fungs­kos­ten der bis­he­ri­gen Ak­tien in Ab­zug zu brin­gen sind, nicht ver­ein­bar.

 

Auch die Aus­set­zung des Ver­fah­rens und die Ein­ho­lung ei­ner Ent­schei­dung des BVerfG gem. Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 2 S. 1 des Ge­set­zes über das BVerfG kommt im Streit­fall nicht in Be­tracht. Der Se­nat ist der Über­zeu­gung, dass die Re­ge­lun­gen in § 20 Abs. 4a S. 1 u. 2 EStG ver­fas­sungs­kon­form sind. Sie ver­stoßen ins­be­son­dere nicht ge­gen den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Ge­setz­ge­ber hat die Gren­zen sei­nes wei­ten Ge­stal­tungs­spiel­raums auch nicht da­durch über­schrit­ten, dass er eine in Zu­kunft mögli­cher­weise dro­hende Ent­ste­hung von nach § 20 Abs. 6 S. 4 EStG nur be­schränkt ver­re­chen­ba­ren Ver­lus­ten im Zuge von An­teils­tausch­vorgängen nicht ent­ge­gen­ge­wirkt hat und statt des­sen et­waige Bar­auf­ga­ben ohne Ab­zugsmöglich­keit von An­schaf­fungs­kos­ten gem. § 20 Abs. 4a S. 2 EStG in vol­lem Um­fang der Be­steue­rung un­ter­wor­fen hat.

 

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