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Steuerberatung

Veräußerung von jungen Aktien nach Ausübung des Bezugsrechts

BFH 9.5.2017, VIII R 54/14

Bei der Er­mitt­lung des Veräußerungs­ge­winns ei­ner Ak­tie, die durch die Ausübung ei­nes Be­zugs­rechts er­wor­ben wurde, das von ei­ner vor dem 1.1.2009 er­wor­be­nen und be­reits steu­er­ents­trick­ten Ak­tie ab­ge­spal­ten wurde, sind die An­schaf­fungs­kos­ten des Be­zugs­rechts in der tatsäch­li­chen Höhe an­zu­set­zen.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger hatte im Streit­jahr 2010 im Rah­men ei­ner Ka­pi­tal­erhöhung der D-AG junge Ak­tien der AG über die Ausübung von Be­zugs­rech­ten er­wor­ben. Diese wa­ren von Ak­tien ab­ge­spal­ten wor­den, die der Kläger be­reits vor dem 1.1.2009 an­ge­schafft hatte (sog. Alt­ak­tien). Die An­schaf­fungs­kos­ten der Be­zugs­rechte be­lie­fen sich auf 7,20 € je Ak­tie. Noch im Streit­jahr veräußerte der Kläger zehn der jun­gen Ak­tien und er­zielte einen Veräußerungs­erlös i.H.v. rund 410 €. Nach der Be­schei­ni­gung der Bank über den Wert­pa­pier­ver­kauf be­lief sich der Veräußerungs­ge­winn, bei des­sen Er­mitt­lung der Wert der Be­zugs­rechte un­berück­sich­tigt blieb, auf rund 58 €.

Der Kläger be­an­tragte in der Ein­kom­men­steu­er­erklärung für 2010 die Überprüfung des Steu­er­ein­be­halts für Ka­pi­tal­erträge gem. § 32d Abs. 4 EStG. Sie erklärten Ka­pi­tal­erträge des Klägers i.H.v. 135 €, darin ent­hal­ten der Ge­winn aus der Veräußerung der jun­gen Ak­tien i.H.v. 58 €. Der Kläger min­derte die Summe der Ka­pi­tal­erträge um die An­schaf­fungs­kos­ten der Be­zugs­rechte für die zehn Ak­tien der D-AG in Höhe von 72 € (10 x 7,20 EUR), so dass er nach sei­ner Be­rech­nung Ka­pi­tal­einkünfte i.H.v. ins­ge­samt 63 € er­zielte.

Das Fi­nanz­amt berück­sich­tigte im Ein­kom­men­steu­er­be­scheid einen Ge­winn aus Ak­ti­en­verkäufen i.H.v. 58 € und Ka­pi­tal­einkünfte i.H.v. ins­ge­samt 135 €, wo­bei es nach Ab­zug des Spa­rer-Pausch­be­trags die Ka­pi­tal­einkünfte der Be­steue­rung mit 0 € zu­grunde legte. Die Behörde erhöhte die Ka­pi­tal­einkünfte des Klägers auf 19.433 €. Den Ge­winn aus der Veräußerung der Ak­tien legte es da­bei un­verändert i.H.v. 58 € der Be­steue­rung zu­grunde.

Der Kläger be­gehrte wei­ter­hin den Ab­zug der An­schaf­fungs­kos­ten der Be­zugs­rechte i.H.v. 72 €. Das FG gab der Klage statt. Auf die Re­vi­sion des Fi­nanz­am­tes hob der BFH das Ur­teil auf und wies die Klage ab.

Gründe:
Das FG war zwar zu Recht da­von aus­ge­gan­gen, dass bei der Er­mitt­lung des steu­er­pflich­ti­gen Ge­winns des Klägers aus dem Ver­kauf der jun­gen Ak­tien der D-AG gem. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 4 S. 1 EStG der Teil der An­schaf­fungs­kos­ten der Alt­an­teile, der auf das Be­zugs­recht entfällt, nicht gem. § 20 Abs. 4a S. 4 EStG mit 0 €, son­dern mit den tatsäch­li­chen An­schaf­fungs­kos­ten des Be­zugs­rechts i.H.v. 72 € an­zu­set­zen ist. Der da­nach ver­blei­bende Ver­lust i.H.v. 14 € kann auf­grund der Ein­schränkung der Ver­lust­ver­rech­nung nach § 20 Abs. 6 S. 5 EStG nur mit Ge­win­nen aus der Veräußerung von Ak­tien i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG ver­rech­net wer­den. Er ist man­gels Ver­lust­ver­rech­nungsmöglich­keit im Streit­jahr gem. § 10d Abs. 4 EStG ge­son­dert fest­zu­stel­len.

Zwar enthält der Wort­laut des § 20 Abs. 4a S. 4 EStG keine ein­deu­tige Re­ge­lung zur Be­wer­tung des Be­zugs­rechts bei der Veräußerung von jun­gen Ak­tien. Es ist je­doch mit der herr­schen­den Auf­fas­sung im Schrift­tum da­von aus­zu­ge­hen, dass die Einkünf­te­er­mitt­lungs­vor­schrift des § 20 Abs. 4a S. 4 EStG auch bei der Veräußerung von jun­gen Ak­tien An­wen­dung fin­det, die auf­grund der Ausübung ei­nes Be­zugs­rechts er­wor­ben wur­den. Da diese Ausübung selbst nicht un­ter den Tat­be­stand des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG fällt und es so­mit nicht zu ei­ner Ge­winn­er­mitt­lung nach § 20 Abs. 4 EStG kom­men kann, er­gibt die Re­ge­lung des § 20 Abs. 4a S. 4 EStG nur dann einen Sinn, wenn sie sich auf die Er­mitt­lung des Ge­winns aus ei­ner späte­ren Veräußerung der durch Ausübung des Be­zugs­rechts er­lang­ten An­teile be­zieht.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Fi­nanz­ver­wal­tung fin­det die Re­ge­lung des § 20 Abs. 4a S. 4 EStG je­doch keine An­wen­dung, wenn die veräußer­ten jun­gen Ak­tien auf­grund der Ausübung von Be­zugs­rech­ten er­wor­ben wur­den, die von vor dem 1.1.2009 an­ge­schaff­ten Alt­an­tei­len ab­ge­spal­ten wur­den, bei de­nen - wie im Streit­fall - die Veräußerungs­frist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG in der am 1.1.1999 gel­ten­den Fas­sung (EStG a.F.) zum Zeit­punkt der Veräußerung der jun­gen Ak­tien be­reits ab­ge­lau­fen war. In die­sem Fall sind bei der Er­mitt­lung des Veräußerungs­ge­winns die tatsäch­li­chen An­schaf­fungs­kos­ten des Be­zugs­rechts zu berück­sich­ti­gen.

Schließlich führt eine Ka­pi­tal­erhöhung ge­gen Ein­lage hin­sicht­lich der be­reits be­ste­hen­den An­teile zu ei­ner Sub­stanz­ab­spal­tung zu­guns­ten der auf­grund der Be­zugs­rechte er­wor­be­nen neuen An­teile. Die Sub­stanz­ab­spal­tung hat zur Folge, dass An­schaf­fungs­kos­ten der be­reits be­ste­hen­den An­teile den neuen An­tei­len zu­zu­ord­nen sind; ent­spre­chend min­dern sich die An­schaf­fungs­kos­ten der Alt­an­teile (Ge­samt­wert­me­thode). Der Ge­sell­schaf­ter erhält da­nach durch die "Verwässe­rung" sei­ner Be­tei­li­gung auf­grund der Ka­pi­tal­erhöhung kei­nen wei­te­ren Wert­zu­wachs der stil­len Re­ser­ven sei­ner An­teile.

Dies hat zur Folge, dass die Be­steue­rung der durch die Ab­spal­tung von den Alt­an­tei­len auf die neuen Ge­schäfts­an­teile über­ge­gan­ge­nen stil­len Re­ser­ven nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG a.F. er­folgt, wenn die Alt­an­teile vor dem 1.1.2009 an­ge­schafft wur­den (§ 52a Abs. 11 S. 4 EStG). Wa­ren die über­ge­gan­ge­nen stil­len Re­ser­ven auf­grund des Ab­laufs der Veräußerungs­frist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG a.F. nicht mehr steu­er­bar, dürfen sie nicht le­dig­lich auf­grund der Ka­pi­tal­erhöhung bei ei­ner Wei­ter­veräußerung der jun­gen Ak­tien er­neut steu­er­ver­haf­tet wer­den.

Dies wäre je­doch der Fall, wenn bei der Er­mitt­lung des Veräußerungs­ge­winns der jun­gen Ak­tien die auf die Neu­an­teile über­ge­gan­ge­nen An­schaf­fungs­kos­ten der Alt­an­teile gem. § 20 Abs. 4a S. 4 EStG mit 0 € an­ge­setzt würden. Da­ge­gen spricht, dass es sich bei der Re­ge­lung des § 20 Abs. 4a S. 4 EStG um eine Einkünf­te­er­mitt­lungs­vor­schrift han­delt, die ein Be­steue­rungs­recht vor­aus­setzt, je­doch kein Be­steue­rungs­recht für be­reits steu­er­ents­trickte Vermögens­werte begründet. Eine Ein­schränkung des An­wen­dungs­be­reichs des § 20 Abs. 4a S. 4 EStG auf Be­zugs­rechte, die aus vor dem 1.1.2009 an­ge­schaff­ten Ak­tien ab­ge­spal­ten wur­den, ist auch aus ver­fas­sungs­recht­li­chen Gründen ge­bo­ten, da es dem Ge­setz­ge­ber ver­wehrt ist, rück­wir­kend auf be­reits steu­er­ents­trickte Vermögens­po­si­tio­nen zu­zu­grei­fen.

Da im Streit­fall die veräußer­ten Ak­tien auf­grund der Ausübung von Be­zugs­rech­ten er­wor­ben wor­den wa­ren, die von vor dem 1.1.2009 er­wor­be­nen Ak­tien ab­ge­spal­ten wur­den, bei de­nen die Veräußerungs­frist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG a.F. be­reits ab­ge­lau­fen war, wa­ren bei der Er­mitt­lung des Veräußerungs­ge­winns aus dem Ver­kauf der jun­gen Ak­tien die An­schaf­fungs­kos­ten der Be­zugs­rechte ent­ge­gen der Re­ge­lung des § 20 Abs. 4a S. 4 EStG nicht mit 0 €, son­dern in der tatsäch­li­chen Höhe von 72 € zu berück­sich­ti­gen.

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