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Steuerberatung

Altersvorsorgevermögen zur Entschuldung selbstgenutzter Wohnimmobilie

BFH v. 12.2.2020 - X R 28/18

Die Ein­zah­lung von geförder­tem Al­ters­vor­sor­ge­vermögen auf einen nicht zer­ti­fi­zier­ten Bau­spar­ver­trag stellt auch dann eine förder­schädli­che woh­nungs­wirt­schaft­li­che Ver­wen­dung gem. § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 EStG dar, wenn in­folge der hier­durch ermöglich­ten früheren Zu­tei­lung der Bau­spar­summe er­reicht wer­den soll, ein Dar­le­hen zur Im­mo­bi­li­en­fi­nan­zie­rung zinser­spa­rend früher ab­zulösen. Die Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung Bund (Zen­trale Zu­la­gen­stelle für Al­ters­vermögen) ist be­fugt, die Un­wirk­sam­keit ei­nes Be­scheids über die Ent­nahme des Al­ters­vor­sorge-Ei­gen­heim­be­trags (§ 92b EStG) durch ei­genständi­gen Ver­wal­tungs­akt fest­zu­stel­len, so­fern der Be­scheid un­ter ei­ner - be­standskräftig ge­wor­de­nen - auflösen­den Be­din­gung er­las­sen wor­den war und die Be­din­gung ein­ge­tre­ten ist.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger war In­ha­ber ei­nes zer­ti­fi­zier­ten Al­ters­vor­sor­ge­ver­trags bei der X-AG. Er ist Ei­gentümer ei­nes im In­land be­le­ge­nen, zu ei­ge­nen Wohn­zwe­cken ge­nutz­ten Ein­fa­mi­li­en­hau­ses. Im Jahr 2010 schloss der Kläger mit der Spar­kasse Y und der Lan­des­bau­spar­kasse (LBS) meh­rere Verträge. Er nahm ein An­nuitäten­dar­le­hen (Dar­le­hen I) so­wie einen zunächst til­gungs­freien Vor­fi­nan­zie­rungs­kre­dit für ein Bau­spar­dar­le­hen (Dar­le­hen II) auf. In Höhe des Dar­le­hens II schloss er des­halb zeit­gleich einen nicht zer­ti­fi­zier­ten Bau­spar­ver­trag ab, der nach Zu­tei­lung zur Til­gung je­nes Dar­le­hens ein­zu­set­zen war. Zur Si­che­rung des Dar­le­hens II verpfändete er ver­ein­ba­rungs­gemäß sämt­li­che An­sprüche aus dem Bau­spar­ver­trag an die Spar­kasse Y. Im Sep­tem­ber 2013 be­an­tragte der Kläger bei der be­klag­ten Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung Bund (Zen­trale Zu­la­gen­stelle für Al­ters­vermögen - ZfA) die Ent­nahme sei­nes bei der X-AG auf­ge­bau­ten Al­ters­vor­sor­ge­vermögens zwecks Ent­schul­dung sei­ner Wohn­im­mo­bi­lie (sog. Al­ters­vor­sorge-Ei­gen­heim­be­trag, § 92a EStG). In der dem An­trag bei­gefügten Bestäti­gung der X-AG heißt es, der Ver­trag könne "frühes­tens zum 1.1.2014 zu Rente ab­ge­ru­fen wer­den", der späteste Ver­trags­be­ginn der "Ren­ten­phase" sei der 1.1.2018.

Nach­dem der Kläger wei­tere Nach­weise vor­ge­legt und mit­ge­teilt hatte, er wolle das Al­ters­vor­sor­ge­ka­pi­tal für die Ablösung des Dar­le­hens I ver­wen­den, er­ließ die ZfA am 5.12.2013 einen Be­scheid über die Ent­nahme ei­nes Al­ters­vor­sorge-Ei­gen­heim­be­trags gem. § 92b EStG. Sie ge­stat­tete, zu dem von ihr auf den 1.1.2014 an­ge­nom­me­nen Be­ginn der Aus­zah­lungs­phase des Al­ters­vor­sor­ge­ver­trags das geförderte Ka­pi­tal zu ent­neh­men. Der Be­scheid er­ging un­ter der auflösen­den Be­din­gung des späte­ren Nach­wei­ses ei­ner woh­nungs­wirt­schaft­li­chen Ver­wen­dung des Ka­pi­tals. Im De­zem­ber 2014 teilte der Kläger auf An­for­de­rung der ZfA mit, er habe sein Al­ters­vor­sor­ge­vermögen nur zum Teil zur Rückführung des Dar­le­hens I ge­nutzt, da er an­dern­falls eine hohe Vorfällig­keits­ent­schädi­gung hätte ent­rich­ten müssen. Des­halb habe er das rest­li­che Ka­pi­tal sei­nem Bau­spar­gut­ha­ben zu­geführt und so er­reicht, dass die Bau­spar­summe be­reits im Au­gust 2017 zu­ge­teilt wer­den könne. Auf­grund der hier­mit ver­bun­de­nen früher be­gin­nen­den Til­gung des Dar­le­hens II er­spare er sich er­heb­li­chen Zins­auf­wand. Im März 2015 teilte die X-AG mit, ver­trag­li­cher Be­ginn der Aus­zah­lungs­phase sei der 1.1.2018.

Mit Be­scheid vom 13.4.2015 stellte die ZfA rück­wir­kend die Un­wirk­sam­keit ih­res Be­scheids über die Ent­nahme des Al­ters­vor­sorge-Ei­gen­heim­be­trags fest. Zum einen sei die Ver­wen­dung des Al­ters­vor­sor­ge­ka­pi­tals zur Ent­schul­dung nur zu Be­ginn der Aus­zah­lungs­phase, die ab­wei­chend von der ur­sprüng­li­chen An­nahme erst am 1.1.2018 be­gin­nen werde, möglich. Zum an­de­ren sei das geförderte Ka­pi­tal nicht - wie be­wil­ligt - vollständig zur Rückführung des Dar­le­hens I, son­dern auch zur Auffüllung ei­nes Bau­spar­ver­trags ein­ge­setzt wor­den. Es liege ins­ge­samt eine schädli­che Ver­wen­dung vor. Über die Rück­for­de­rung werde ein ge­son­der­ter Be­scheid er­ge­hen. Während des Ein­spruchs­ver­fah­rens er­ließ die ZfA am 29.7.2016 einen Teil­ab­hil­fe­be­scheid, in dem sie die Un­wirk­sam­keit des Be­scheids vom 5.12.2013 nur noch in be­tragsmäßig ver­min­der­tem Um­fang fest­stellte. So­weit der Kläger das Al­ters­vor­sor­ge­ka­pi­tal zur Ablösung des Dar­le­hens I ein­ge­setzt habe, sei von ei­ner woh­nungs­wirt­schaft­li­chen Ver­wen­dung gem. § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG i.d.F. des Al­ters­vor­sorge-Ver­bes­se­rungs­ge­set­zes (Altv­VerbG) vom 24.6.2013 (EStG n.F.) aus­zu­ge­hen. Im Übri­gen wies die ZfA den Ein­spruch zurück.

Das FG hob die an­ge­foch­te­nen Fest­stel­lungs­be­scheide vom 13.4.2015 und 29.7.2016 auf. Es ging da­von aus, der Kläger habe nach § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in der bis zum 31.12.2013 gel­ten­den Fas­sung (EStG a.F.) das ge­samte geförderte Al­ters­vor­sor­ge­vermögen zu Be­ginn der Aus­zah­lungs­phase zur Ent­schul­dung ei­ner Woh­nung ver­wen­det. Auf die Re­vi­sion der ZfA hob der BFH das Ur­teil auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit des Be­scheids über die Ent­nahme des Al­ters­vor­sorge-Ei­gen­heim­be­trags gem. § 92b EStG vom 05.12.2013 ist im Um­fang des geänder­ten Be­scheids vom 29.07.2016 rechtmäßig und ver­letzt den Kläger nicht in sei­nen Rech­ten.

Die Vor­aus­set­zun­gen des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG n.F. lie­gen nicht vor. Nach die­ser Vor­schrift kann der Zu­la­ge­be­rech­tigte das in einem Al­ters­vor­sor­ge­ver­trag ge­bil­dete und nach § 10a EStG oder nach dem XI. Ab­schnitt des EStG geförderte Ka­pi­tal in vol­lem Um­fang oder un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen teil­weise bis zum Be­ginn der Aus­zah­lungs­phase ent­we­der un­mit­tel­bar für die An­schaf­fung oder Her­stel­lung ei­ner nach Satz 5 der Vor­schrift begüns­tig­ten Woh­nung oder - nur dies kam hier ernst­haft in Be­tracht - zur Til­gung ei­nes zu die­sem Zweck auf­ge­nom­me­nen Dar­le­hens ver­wen­den. Mit der al­ter­na­tiv zur Ka­pi­ta­lent­nahme bei An­schaf­fung/Her­stel­lung des Wohn­ei­gen­tums begüns­tig­ten Ent­schul­dung wollte der Ge­setz­ge­ber gewähr­leis­ten, dass auch die Ablösung von Dar­le­hen, de­ren Mit­tel der Fi­nan­zie­rung des Er­werbs dien­ten, vom Zweck des Al­ters­vor­sorge-Ei­gen­heim­be­trags - dem "miet­freien Woh­nen" im Al­ter - er­fasst wird. Durch diese Form der woh­nungs­wirt­schaft­li­chen Ver­wen­dung soll dem Zu­la­ge­be­rech­tig­ten ermöglicht wer­den, die Zins- und Til­gungs­kos­ten aus der selbst­ge­nutz­ten Wohn­im­mo­bi­lie zu sen­ken. Eine begüns­tigte Ent­schul­dung liegt auch dann vor, wenn das zu til­gende Dar­le­hen der Um­schul­dung ur­sprüng­li­cher An­schaf­fungs- bzw. Her­stel­lungs­dar­le­hen dient.

Vor­lie­gend war der vom Kläger vor­ge­nom­mene Auf­bau von Bau­spar­gut­ha­ben nicht als woh­nungs­wirt­schaft­li­che Ver­wen­dung i.S.v. § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 EStG n.F. zu qua­li­fi­zie­ren. Der Kläger hatte hier­durch kein zum Zweck der An­schaf­fung oder Her­stel­lung von Wohn­ei­gen­tum be­reits auf­ge­nom­me­nes Dar­le­hen ge­tilgt. Eine woh­nungs­wirt­schaft­li­che Ver­wen­dung war in­so­weit be­reits vom Wort­laut der Vor­schrift aus­ge­schlos­sen. Die "Til­gung" ei­nes Dar­le­hens setzt auch vom Wort­sinn und Sprach­ge­brauch vor­aus, dass durch eine Leis­tung des Schuld­ners der Rück­zah­lungs­an­spruch des Gläubi­gers ganz oder zu­min­dest teil­weise er­lischt; das Dar­le­hen muss "ab­gelöst" wer­den. Zu­dem ist eine fi­nale Be­zie­hung ("zur") zwi­schen der Ver­wen­dung des Al­ters­vor­sorge-Ei­gen­heim­be­trags und der Dar­le­hens­til­gung er­for­der­lich. Vor­be­rei­tende - selbst in (späte­rer) Til­gungs­ab­sicht vor­ge­nom­mene - Ver­wen­dungsmaßnah­men sind nicht begüns­tigt.

Der Kläger hat zwar Al­ters­vor­sor­ge­ka­pi­tal in der Ab­sicht der Til­gung des Dar­le­hens II sei­nem Bau­spar­gut­ha­ben zu­geführt. Al­ler­dings ver­rin­gerte diese Ein­zah­lung noch nicht den Rück­zah­lungs­an­spruch der Spar­kasse aus dem Dar­le­hen II. Die nach § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 EStG n.F. er­for­der­li­che Til­gungs­wir­kung konnte erst zum Zeit­punkt der Zu­tei­lung der Bau­spar­summe ein­tre­ten, da erst dann das Dar­le­hen II ver­ein­ba­rungs­gemäß zurück­geführt wer­den sollte. Hieran änderte auch der Um­stand nichts, dass der Kläger zur Si­che­rung des Rück­zah­lungs­an­spruchs aus dem Dar­le­hen II u.a. das sich ra­tier­lich auf­bau­ende Spar­gut­ha­ben aus dem Bau­spar­ver­trag an die Spar­kasse verpfändet hat. Denn durch die Begründung ei­nes Pfand­rechts er­lo­sch nicht etwa der Dar­le­hensrück­zah­lungs­an­spruch; viel­mehr er­hielt die Spar­kasse nur das Recht, im Si­che­rungs­fall Be­frie­di­gung aus den verpfände­ten Rech­ten zu su­chen (§ 1204 Abs. 1, § 1273 BGB).

Eine über den Wort­laut des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 EStG n.F. hin­aus­ge­hende Aus­le­gung des Merk­mals ei­ner Dar­le­hens­til­gung wi­der­spräche der ge­setz­li­chen Sys­te­ma­tik der Förde­rung pri­va­ter Al­ters­vor­sorge und ist da­her aus­ge­schlos­sen. Im Übri­gen war der vom Kläger an­ge­foch­tene Fest­stel­lungs­be­scheid ver­fah­rens­recht­lich rechtmäßig, da die in dem Ge­stat­tungs­be­scheid ent­hal­tene auflösende Be­din­gung ein­ge­tre­ten war. Dem­zu­folge entfällt die Wirk­sam­keit je­nes Be­scheids im Um­fang der geänder­ten Fest­stel­lung rück­wir­kend. Denn der Kläger hat nicht nach­ge­wie­sen, dass er sein geförder­tes Al­ters­vor­sor­ge­vermögen in­so­weit woh­nungs­wirt­schaft­lich i.S.v. § 92a Abs. 1 EStG n.F. ver­wen­det hatte, als er es auf das bei der LBS geführte Bau­spar­konto ein­ge­zahlt hatte.

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