Sie diskutierten lebhaft die Frage: im Zeitungsgeschäft bleiben oder gehen? Was ist die richtige Strategie, wann der richtige Zeitpunkt? Vier Referenten boten Hilfestellung und spannende Einblicke.
Challenge accepted
Wie sich Verlage im Hinblick auf den digitalen Wandel erfolgreich positionieren können, davon berichtete Dr. Christian Wegner, seit 2018 Vorsitzender der Geschäftsführung der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH). Nach einem kurzen Blick auf die Probleme der Medienschaffenden, wie sinkende Abonnentenzahlen im Printbereich und das Abwandern des Anzeigengeschäfts zu Google & Facebook, kam Wegner zum Wesentlichen: Es gibt Licht am Ende des Tunnels und die SWMH ist strategisch gut aufgestellt. Ihre Prioritäten: überregional die Zahl der Abonnenten steigern, in Neugeschäft mit skalierbaren Themen investieren, durch Bündelung von Technologien strukturell effizienter werden und – zentrales Thema bei allen Referenten – die Unternehmenskultur revolutionieren.
Neue Mitarbeiter, die Erfahrungen aus der digitalen Wirtschaft mitbringen, sollen die digitalen Produkte weiter verbessern und im Idealfall das eine „Killer-Feature“ finden, das digitale Erfolgsrezept. Beim Kampf um die Tech-Talente hilft laut Wegner der „neue deutsche Purpose“. Der von vielen Arbeitnehmern gesuchte Sinn hinter der Arbeit muss im Zeitungsgeschäft nicht erst erfunden werden: Er impliziert das Versprechen, mit Hilfe von Qualitätsjournalismus das Gute in der Welt zu stärken.
You cannot rest. Ever!
Auch unser Gast aus der Schweiz, Dr. Patrick Rademacher, Senior Manager Strategy bei der Ringier AG in Zürich, schaut optimistisch in die Zukunft. Zunächst blickt er zurück auf 12 Jahre digitale Transformation der Ringier-Gruppe: Das Unternehmen entwickelte sich von einem traditionsreichen Print-Verlag zu einem diversifizierten Medienunternehmen, das 2018 einen digitalen EBITDA-Anteil von 71 Prozent erzielte. Neben zahlreichen Magazinen produziert Ringier u.a. den Blick, das Schweizer Pendant zur Bildzeitung, und hat sich vorgenommen, von Google & Co. zu lernen. Denn laut Rademacher haben digitale publizistische Angebote deutlich bessere Erfolgschancen, wenn sie eingeloggte User auf ihren Seiten haben, wie Facebook, Instagram, Twitter und Netflix es vormachen.
Der Befreiungsschlag: Ringier schmiedete Ende 2018 eine Login-Allianz mit den anderen großen Schweizer Medienhäusern sowie dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Ein Login soll in Zukunft für alle Seiten der beteiligten Unternehmen ausreichen. Das generiert mehr Traffic, mehr Reichweite und bessere Daten. Auf dieser Basis können dem Werbemarkt bessere Angebote gemacht werden und für die Nutzer individualisierte Angebote. Zusätzlich investiert Ringier in den Wachstumsmarkt Video und installiert mit BlickTV ein digitales TV-Angebot. Neben zwei hochmodernen Digital TV-Studios, welche aktuell gebaut werden, liefert eine Partnerschaft mit CNN bewegte Nachrichtenbilder aus dem Ausland.
Die abschließende Botschaft von Patrick Rademacher: Egal, ob man sich entscheidet, ein Geschäftsfeld auszubauen oder dieses zu verlassen – es ist wichtig, zu entscheiden und dann entsprechend zu handeln. Stillstand ist die schlechteste Option.
Wie Großverlage Portfolio-Entscheidungen treffen
Die Gefühlslage ist laut Marc Zeimetz häufig der Beweggrund, der Verleger am Zeitungsgeschäft festhalten lässt oder eben nicht. Der frühere Medien-Manager, u. a. bei Holtzbrinck und der Madsack-Gruppe, und heutige Investor, erklärt, dass große Medienkonzerne wie Springer oder Burda sich früh von vielen ihrer Zeitungstitel getrennt haben; weil sie bereits digitale Alternativen in ihrem Portfolio hatten, aber auch, weil sie als Großkonzern weniger emotional entscheiden. Ein mittelständischer Verleger dagegen handelt oft emotionaler und wird sich, auch aus Mangel an Alternativen im eigenen Portfolio, eher für „Stay“ entscheiden. Gefühlt ist der Markt gerade stark in Bewegung, er hat sich aber von einem Verkäufer- zu einem reinen Käufermarkt gewandelt.
Um erfolgreich zu investieren, braucht man laut Zeimetz neben einem guten „Näschen“ vor allem Unabhängigkeit für Entscheidungen abseits der ausgetretenen Pfade. Wie die Geschichte des südafrikanischen Medienkonzerns Naspers und seines CEOs, Koos Bekker, beweist. Seine frühen Investitionen in das kleine chinesische Startup und heutigen Technologieriesen Tencent machten den Konzern zu einem internationalen Big Player.
Kontinuität in Zeiten der Disruption
Einen optimistischen Schlusspunkt setzte der Verleger Lars Joachim Rose von der Mediengruppe Klambt in seinem Interview mit Karl-Heinz Bonny. Sein Medienhaus, das vor allem mit Illustrierten-Titeln für eine ältere Zielgruppe, aber auch mit Programmzeitschriften, erfolgreich ist, hat in den vergangenen Jahren sogar noch Printobjekte zugekauft. Mit einem Schmunzeln sagt Rose, dass sein Unternehmen wohl so eine Art erfolgreicher „Dinosaurier“ ist, der noch genug Lebensraum findet und sich mit der Anpassung an die veränderte Umwelt mehr Zeit lassen kann als andere. Denn seine Zielgruppe kauft noch Print, weshalb auch der Werbemarkt noch floriert, vor allem durch Pharma und Health Care.
Gleichwohl investiert auch Klambt in digitale Formate und neue Geschäftsfelder, bündelt Ressourcen und etabliert sukzessive eine veränderte Unternehmenskultur. Zum dritten Mal für heute lautet die Antwort auf die eingangs gestellte Frage: Bleiben! Und der Familienunternehmer fügt hinzu: „Aber dabei gut vorsorgen für die kommende Generation.“
Aus der Geschichte lernen
Aus der Geschichte lernen heißt in diesem Fall: Die, die bleiben, müssen und wollen sich bewegen. Neue Wege gehen, Allianzen schmieden und auf ihr Potenzial vertrauen. Andreas Schüren und Oliver Göbl, die für Ebner Stolz durch die Veranstaltung führten, nahmen die Anregungen und ihre Gäste mit in einen schönen Abend mit lebhaften Gesprächen in entspannter Atmosphäre.