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Keine Stromsteuer für in einem Versorgungsnetz entstandene Umspann- und Leitungsverluste

BFH 24.2.2016, VII R 7/15

Für strom­steu­er­recht­li­che Zwecke ist von einem ein­zi­gen Ver­sor­gungs­netz aus­zu­ge­hen, das nicht in ver­schie­dene Teil­netze auf­ge­spal­ten wer­den kann. Ein Ver­sor­gungs­netz liegt nicht vor, wenn ein Strom­netz aus­schließlich dem Ei­gen­ver­brauch von Ei­gen­er­zeu­gern nach § 2 Nr. 2 StromStG dient. So­fern ein Ver­sor­ger meh­rere Be­triebsstätten mit ent­spre­chen­den Ver­brauchs­stel­len un­terhält, gehören sämt­li­che Strom­lei­tun­gen und Um­spann­vor­rich­tun­gen un­abhängig da­von zum Ver­sor­gungs­netz, ob in den Be­triebsstätten Strom von Drit­ten oder vom Ver­sor­ger selbst ent­nom­men wird.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist ein mit meh­re­ren Nie­der­las­sun­gen in Deutsch­land ansässi­ges Wirt­schafts­un­ter­neh­men, das über Strom­er­zeu­gungs­ein­hei­ten, pro­du­zie­rende Be­triebe, La­bo­ra­to­rien und Büros verfügt. Als Un­ter­neh­men des Pro­du­zie­ren­den Ge­wer­bes be­sitzt sie eine Er­laub­nis zur Leis­tung von Strom an Letzt­ver­brau­cher nach § 4 StromStG. An ih­ren Stand­or­ten ent­ste­hen Ver­luste so­wohl in Form von Um­span­nungs- bzw. Tra­fo­ver­lus­ten als auch in Form von Ka­bel- und Lei­tungs­ver­lus­ten.

In ih­rer für den Zeit­raum von Ja­nuar bis De­zem­ber 2007 beim be­klag­ten Haupt­zoll­amt ein­ge­reich­ten Steu­er­an­mel­dung zog die Kläge­rin Um­spann- und Lei­tungs­ver­luste von ins­ge­samt rd. 50.000 MWh ab. Das Haupt­zoll­amt setzte die Strom­steuer für das Ka­len­der­jahr 2007 fest. Später ka­men die Kläge­rin und das Haupt­zoll­amt in ei­ner tatsäch­li­chen Verständi­gung übe­rein, u.a. für das Streit­jahr Strom­lei­tungs­ver­luste i.H.v. 1,6 Pro­zent in Re­la­tion zu ei­ner noch fest­zu­stel­len­den Strom­be­zugs­menge an­zu­set­zen. Ausdrück­lich strit­tig blieb die Strom­menge und die recht­li­che Be­wer­tung des Ver­sor­gungs­net­zes.

Dar­auf­hin legte die Kläge­rin eine neue Be­rech­nung der Um­spann­ver­luste für das Ka­len­der­jahr 2007 vor. Dar­auf­hin setzte das Haupt­zoll­amt mit Steuerände­rungs­be­scheid die Strom­steuer für das Ka­len­der­jahr 2007 neu fest. Da­bei er­kannte es Um­spann­ver­luste und Lei­tungs­ver­luste an. Dies ent­sprach 1,6 Pro­zent der Strom­menge bei Be­triebsstätten, bei de­nen Strom auch an an­dere Ab­neh­mer ge­leis­tet wor­den war. Für Um­spann­ver­luste i.H.v. rd. 5.900 MWh und Lei­tungs­ver­luste i.H.v. rd. 4.400 MWh setzte es da­ge­gen Strom­steuer fest.

Dies begründete das Haupt­zoll­amt da­mit, dass ein Ver­sor­gungs­netz erst dann vor­liege, wenn der an den Be­triebsstätten bzw. den Ver­brauchs­stel­len der Kläge­rin be­zo­gene und in das je­wei­lige Be­triebsstätten­netz ein­ge­speiste Strom zu­min­dest teil­weise auch durch an­dere Per­so­nen ent­nom­men oder an an­dere Ver­sor­ger durch­ge­lei­tet werde. Werde Strom hin­ge­gen aus einem be­trieb­li­chen Netz aus­schließlich zum Selbst­ver­brauch ent­nom­men, seien diese be­trieb­li­chen Netze nicht als Ver­sor­gungs­netz zu qua­li­fi­zie­ren.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Die Re­vi­sion des Fi­nanz­amts hatte vor dem BFH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das Haupt­zoll­amt hat zu Un­recht auf die in der Höhe un­strit­ti­gen Um­spann- und Lei­tungs­ver­luste Strom­steuer er­ho­ben. Für die als Ver­luste gel­tend ge­mach­ten Strom­men­gen ist eine Strom­steuer durch Ent­nahme aus dem Ver­sor­gungs­netz nach § 5 Abs. 1 S. 1 StromStG nicht ent­stan­den.

Nach dem Wort­laut des § 5 Abs. 1 S. 1 StromStG ist vom Be­ste­hen ei­nes ein­zi­gen Ver­sor­gungs­net­zes aus­zu­ge­hen, denn nach die­ser Vor­schrift ent­steht die Steuer durch Ent­nahme von Strom aus dem Ver­sor­gungs­netz und nicht aus einem Ver­sor­gungs­netz. Dif­fe­ren­zie­run­gen nach ein­zel­nen Tei­len des Ver­sor­gungs­net­zes oder nach mit ei­ner Strom­lei­tung ver­bun­de­nen Be­triebsstätten sieht das StromStG nicht vor. Da­nach wäre ein Verständ­nis des in § 5 StromStG ge­nann­ten Ver­sor­gungs­net­zes zu eng, nach dem ein sol­ches nur dann vor­liegt, wenn Strom von einem Ver­sor­ger Letzt­ver­brau­chern oder an­de­ren Ver­sor­gern ge­leis­tet wird.

Eine Ne­ga­tiv­ab­gren­zung des Be­griffs des Ver­sor­gungs­net­zes lässt sich aus der Be­stim­mung für Ei­gen­er­zeu­ger ab­lei­ten. Nach § 5 Abs. 1 S. 2 StromStG ent­steht die Steuer bei Ei­gen­er­zeu­gern nach § 2 Nr. 2 StromStG vor­be­halt­lich Satz 1 mit der Ent­nahme von Strom zum Selbst­ver­brauch. Dem­nach geht der Ge­setz­ge­ber of­fen­sicht­lich da­von aus, dass Ei­gen­er­zeu­ger kein Ver­sor­gungs­netz un­ter­hal­ten. Al­ler­dings gilt der für den Fall der Ei­gen­er­zeu­gung nor­mierte Steu­er­ent­ste­hungs­tat­be­stand auf­grund des Vor­be­halts nicht für Ei­gen­er­zeu­ger, die zu­gleich Ver­sor­ger sind. So­fern diese Ver­sor­ger Strom zum Selbst­ver­brauch benöti­gen, ent­neh­men sie die­sen dem Ver­sor­gungs­netz, so dass die Steuer nach § 5 Abs. 1 S. 1 StromStG ent­steht.

Ebenso wie diese Un­ter­neh­men können auch Ver­sor­ger ohne Ei­gen­er­zeu­gung dem Ver­sor­gungs­netz Strom zum Selbst­ver­brauch ent­neh­men. Un­terhält der Ver­sor­ger meh­rere Be­triebsstätten mit ent­spre­chen­den Ver­brauchs­stel­len, gehören sämt­li­che Lei­tun­gen und Um­spann­vor­rich­tun­gen zum Ver­sor­gungs­netz, und zwar un­abhängig da­von, ob in den Be­triebsstätten Strom von Drit­ten oder vom Ver­sor­ger selbst ent­nom­men wird. Auch die Lei­tun­gen auf dem Gelände ei­nes Ver­sor­gers gehören zum Ver­sor­gungs­netz. Ent­schei­dend ist so­mit, dass ein Lei­tungs­netz, um Ver­sor­gungs­netz zu sein, nicht wie bei Ei­gen­er­zeu­gern aus­schließlich dem Ei­gen­ver­brauch dient, was bei einem Ver­sor­ger, der Strom nicht nur ver­braucht, son­dern auch auf­grund ver­trag­li­cher Be­zie­hun­gen leis­tet (§ 2 Nr. 1 StromStG), re­gelmäßig aus­ge­schlos­sen wer­den kann.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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