deen

Rechtsberatung

Zitatrecht umfasst umfangreiche schriftliche Zitate eines Vortrags

OLG Frankfurt a.M. v. 18.4.2019 - 11 U 27/18

Hält ein Au­tor eine frei zugäng­li­che Vor­le­sung, können auch um­fang­rei­che Zi­tate aus die­ser Rede in­ner­halb ei­ner sich mit die­ser Vor­le­sung aus­ein­an­der­set­zen­den Be­richt­er­stat­tung zulässig sein. Die Vor­aus­set­zun­gen für die Recht­fer­ti­gung von Zi­ta­ten (§ 51 UrhG) sind über die ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen hin­aus nicht da­von abhängig, ob das in öff­ent­li­cher Rede ge­hal­tene Sprach­werk vor der Zi­tie­rung schrift­lich er­schie­nen ist. Dies gilt auch, wenn das Sprach­werk die In­timsphäre des Ur­he­bers be­trifft.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger ist Schrift­stel­ler, die Be­klagte ist ein Pres­se­un­ter­neh­men und be­treibt ein On­line­me­dium. Der Kläger hielt im Frühjahr 2018 im Rah­men ei­ner Gast­do­zen­tentätig­keit eine frei zugäng­li­che Vor­le­sung. Die Be­klagte be­rich­tete am Fol­ge­tag ausführ­lich über die­sen Vor­trag. Da­bei gab sie in meh­re­ren Textblöcken wört­li­che Zi­tate aus der Rede wie­der, in de­nen auch persönli­che Er­leb­nisse des Klägers ge­schil­dert wor­den wa­ren. Der Kläger be­gehrt nun im Eil­ver­fah­ren, der Be­klag­ten die Ver­vielfälti­gung und Ver­brei­tung kon­kre­ter Text­pas­sa­gen mit sei­nen Zi­ta­ten zu un­ter­sa­gen.

Das LG gab dem An­trag statt. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten hob das OLG die einst­wei­lige Verfügung auf. Das Ur­teil ist nicht an­fecht­bar.

Die Gründe:
Die Be­richt­er­stat­tung ist rechtmäßig. Die wie­der­ge­ge­be­nen Text­pas­sa­gen sind zwar als Sprach­werke ur­he­ber­recht­lich ge­schützt. Die Veröff­ent­li­chung ist je­doch über das sog. ur­he­ber­recht­li­che Zi­tat­recht (§ 51 UrhG) ge­recht­fer­tigt.

Der Kläger hat selbst das Sprach­werk in freier Rede der Öff­ent­lich­keit in Ge­stalt der Zuhörer sei­ner Vor­le­sung zugäng­lich ge­macht. Ein Zi­tat in Schrift­form - wie hier - setzt nicht vor­aus, dass die Erst­veröff­ent­li­chung eben­falls in Schrift­form er­folgte. Die Be­klagte hat die Zi­tate auch im Rah­men ei­nes Ar­ti­kels ver­wen­det, der sei­ner­seits ein ei­gentümli­ches und ori­gi­nel­les Sprach­werk dar­stellt. Schließlich ist die Wie­der­gabe der Text­teile durch den zulässi­gen Zi­tatz­weck ge­deckt. Die Zi­tat­frei­heit soll die geis­tige Aus­ein­an­der­set­zung mit frem­den Wer­ken er­leich­tern, sie ge­stat­tet es nicht, ein frem­des Werk nur um sei­ner selbst wil­len zur Kennt­nis der All­ge­mein­heit zu brin­gen. Der Zi­tie­ren­den muss eine in­nere Ver­bin­dung zwi­schen dem frem­den Werk und den ei­ge­nen Ge­dan­ken her­stell(en) und das Zi­tat als Be­leg­stelle oder Erörte­rungs­grund­lage für selbständige Ausführun­gen des Zi­tie­ren­den er­schein(en) las­sen.

Dies ist hier der Fall. Der Ar­ti­kel gibt nicht le­dig­lich den Kern des Vor­trags wie­der. Er be­schreibt viel­mehr in ei­ge­ner Art und Weise, wie der Kläger pri­vate Umstände im Rah­men sei­nes Vor­trags of­fen­barte und wel­che Re­ak­tio­nen und Fra­gen er da­mit beim Pu­bli­kum und der Au­to­rin des Ar­ti­kels auslöste. Die Wie­der­gabe der Text­stel­len dient da­mit nicht le­dig­lich der Il­lus­tra­tion der Be­richt­er­stat­tung, son­dern be­schreibt und erläutert sie und ermöglicht es dem Le­ser, die Ein­ord­nun­gen der Au­to­rin selbst nach­voll­zieh­bar zu ma­chen und sich mit ih­nen aus­ein­an­der­zu­set­zen.

Der Um­fang der hier ver­wen­de­ten Zi­tate ist eben­falls noch vom Zi­tat­recht ge­deckt. Zulässig ist das Zi­tie­ren in einem ins­ge­samt vernünf­ti­gen und sach­ge­rech­ten Um­fang un­ter Berück­sich­ti­gung der Ein­zel­fal­lumstände. Die­ser Rah­men wird hier ein­ge­hal­ten. Der Ar­ti­kel stellt den Ver­such dar, sich dem Kläger an­zunähern, ihn und sein Le­ben, ins­be­son­dere sein li­te­ra­ri­sches Schaf­fen, ge­rade im Hin­blick auf die in der Vor­le­sung wie­der­ge­ge­be­nen Ge­scheh­nisse zu ver­ste­hen und zu über­den­ken.

Die Zi­tate sind hier in die Dar­stel­lun­gen und Erläute­run­gen der Au­to­rin auf ver­schie­de­nen Ebe­nen ein­be­zo­gen und aus ver­schie­de­nen Per­spek­ti­ven be­leuch­tet wor­den. Der Ar­ti­kel reiht die Zi­tate ge­rade nicht le­dig­lich an­ein­an­der, son­dern folgt ei­ner ei­ge­nen Dra­ma­tur­gie. Ins­ge­samt lie­gen da­mit die Vor­aus­set­zun­gen für eine rechtmäßige Zi­tie­rung nach § 51 UrhG vor, die nach dem Ge­setz auch nicht an­de­ren An­for­de­run­gen un­ter­liegt, wenn der Ur­he­ber sich - wie hier - ent­schlos­sen hat, ein seine In­timsphäre berühren­des Sprach­werk zu veröff­ent­li­chen.

nach oben