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Wann ist ein Kunde ein "neuer Kunde"?

BGH 14.5.2014, VII ZR 328/12

Für die Ent­schei­dung des Rechts­streits kommt es maßgeb­lich dar­auf an, ob die von der Kläge­rin für die von ihr ver­trie­be­nen Bril­len­kol­lek­tio­nen erst­mals ge­wor­be­nen Kun­den recht­lich als "neue Kun­den" i.S.v. § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB an­zu­se­hen sind. Zwei­fel­haft ist, ob die vom Se­nat in Aus­sicht ge­nom­mene Aus­le­gung des Be­griffs des "neuen Kun­den" in § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB mit Art. 17 Abs. 2a) ers­ter Ge­dan­ken­strich der Han­dels­ver­tre­ter­richt­li­nie in Ein­klang steht. In­so­weit be­darf es ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung des EuGH.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­klagte be­treibt einen Großhan­del mit Bril­len­ge­stel­len ver­schie­de­ner Kol­lek­tio­nen und Mar­ken und veräußert diese an Op­ti­ker. Sie weist ih­ren Han­dels­ver­tre­tern nicht den Ver­trieb ih­rer ge­sam­ten Pro­dukt­pa­lette zu, son­dern le­dig­lich Bril­len­kol­lek­tio­nen be­stimm­ter Mar­ken. Der Kläge­rin war für die Be­klagte von Sep­tem­ber 2008 bis Juni 2009 als Be­zirks­ver­tre­te­rin tätig. Sie stand da­bei im Wett­be­werb zu an­de­ren Ge­biets­ver­tre­tern der Be­klag­ten, de­nen der Ver­trieb an­de­rer Bril­len­kol­lek­tio­nen über­tra­gen wor­den war.

Die Be­klagte stellte der Kläge­rin eine Kun­den­liste mit Op­ti­kern zur Verfügung, die be­reits an­dere Bril­len­kol­lek­tio­nen der Be­klag­ten er­wor­ben hat­ten. Die Kläge­rin ver­mit­telte über­wie­gend Ge­schäfte mit Op­ti­kern, die be­reits zu­vor an­dere Bril­len­kol­lek­tio­nen der Be­klag­ten er­wor­ben hat­ten. Nach Be­en­di­gung des Han­dels­ver­tre­ter­ver­tra­ges machte die Kläge­rin einen An­spruch auf Han­dels­ver­tre­ter­aus­gleich gel­tend. Ihre For­de­rung begründete sie u.a. da­mit, dass die von ihr ge­wor­be­nen Op­ti­ker, auch wenn sie be­reits auf der ihr über­las­se­nen Kun­den­liste ver­zeich­net ge­we­sen seien, als Neu­kun­den an­zu­se­hen seien, weil sie erst­ma­lig Bril­len der von ihr ver­trie­be­nen Kol­lek­tio­nen be­zo­gen hätten.

LG und OLG ga­ben der Klage zwar statt, nah­men je­doch einen Bil­lig­keits­ab­schlag i.H.v. 50 % vor, weil dem Han­dels­ver­tre­ter der Ver­trieb der Bril­len er­leich­tert werde, wenn der Kunde sei­nen Ver­trags­part­ner be­reits kenne. Auf die hier­ge­gen ge­rich­tete Re­vi­sion der Be­klag­ten setzte der BGH das Ver­fah­ren aus und legte die Sa­che dem EuGH hin­sicht­lich der Aus­le­gung von Art. 17 Abs. 2a) der Richt­li­nie 86/653/EWG zur Ko­or­di­nie­rung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten be­tref­fend die selbständi­gen Han­dels­ver­tre­ter zur Ent­schei­dung vor.

Gründe:
Für die Ent­schei­dung des Rechts­streits kommt es maßgeb­lich dar­auf an, ob die von der Kläge­rin für die von ihr ver­trie­be­nen Bril­len­kol­lek­tio­nen erst­mals ge­wor­be­nen Kun­den recht­lich als "neue Kun­den" i.S.v. § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB an­zu­se­hen sind. Zwei­fel­haft ist, ob die vom Se­nat in Aus­sicht ge­nom­mene Aus­le­gung des Be­griffs des "neuen Kun­den" in § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB mit Art. 17 Abs. 2a) ers­ter Ge­dan­ken­strich der Han­dels­ver­tre­ter­richt­li­nie in Ein­klang steht. In­so­weit be­darf es ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung des EuGH.

Nach dem Wort­laut der Richt­li­nie könnte es al­lein dar­auf an­kom­men, ob der Kunde "für den Un­ter­neh­mer" neu ist. Auch nach BGH-Recht­spre­chung sind neue Kun­den i.S.d. § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB im Aus­gangs­punkt sol­che Kun­den, die mit dem Un­ter­neh­mer vor dem ver­trags­gemäßen Tätig­wer­den des Han­dels­ver­tre­ters noch kein Um­satz­ge­schäft getätigt ha­ben, son­dern erst­mals un­ter Ein­schal­tung des Han­dels­ver­tre­ters ein Ge­schäft mit dem Un­ter­neh­mer ab­ge­schlos­sen ha­ben. Sinn und Zweck der Richt­li­nie könn­ten hin­ge­gen eine an­dere Aus-le­gung na­he­le­gen, wenn nach der Ver­triebs­struk­tur des Un­ter­neh­mers der Han­dels­ver­tre­ter le­dig­lich den Ver­trieb ei­nes Pro­dukt­seg­ments über­nom­men hat. Denn die Richt­li­nie soll ins­be­son­dere die nach Be­en­di­gung des Ver­trags be­ste­hen­den In­ter­es­sen der Han­dels­ver­tre­ter ge­genüber den Un­ter­neh­mern schützen. Dem Han­dels­ver­tre­ter soll so ein Aus­gleich für den Wert des für den Un­ter­neh­mer aus der Ge­schäfts­ver­bin­dung mit dem Kun­den er­wach­se­nen "good­will" gewährt wer­den.

Zwar ist der Un­ter­neh­mer in sei­ner Ent­schei­dung frei, wel­che Pro­dukte vom Han­dels­ver­tre­ter ver­mit­telt wer­den sol­len. Die Han­dels­ver­tre­ter­richt­li­nie stellt je­doch in Art. 3 Abs. 2a) auch auf das dem Han­dels­ver­tre­ter "an­ver­traute Ge­schäft" ab. Ver­traut der Un­ter­neh­mer so­mit dem Han­dels­ver­tre­ter nur ein­zelne Pro­dukte sei­nes Ge­samts­or­ti­ments zum Ver­trieb an, gibt er da­mit zu er­ken­nen, dass Ge­schäfts­ver­bin­dun­gen für je­des die­ser Pro­dukte ge­schaf­fen wer­den müssen und ge­son­derte Ver­kaufs­bemühun­gen er­for­dern. Daran muss sich der Un­ter­neh­mer fest­hal­ten las­sen, wenn der Han­dels­ver­tre­ter für das ihm zu­ge­wie­sene Pro­dukt­seg­ment Kun­den ge­winnt, auch wenn diese be­reits zu­vor an­dere, ihm nicht zum Ver­trieb über­tra­gene Pro­dukte des Un­ter­neh­mers er­wor­ben hat­ten.

Für diese Sicht spricht auch, dass dem Ver­trieb ver­schie­de­ner Pro­dukte - wie hier - re­gelmäßig un­ter­schied­li­che Ver­triebs­vor­ga­ben etwa bezüglich Grundsor­ti­ment, Wer­bung und Präsen­ta­tion zu­grunde ge­legt wer­den und der Han­dels­ver­tre­ter in sol­chen Fällen in Kon­kur­renz mit an­de­ren Han­dels­ver­tre­tern des Un­ter­neh­mers tritt, de­nen der Ver­trieb von Pro­duk­ten an­de­rer Mar­ken über­tra­gen wurde. Der durch die Tätig­keit des Han­dels­ver­tre­ters im Hin­blick auf das ihm zu­ge­wie­sene Pro­dukt­seg­ment für den Un­ter­neh­mer begründete Vor­teil, für den die­ser nach Be­en­di­gung des Ver­trags dem Han­dels­ver­tre­ter einen Aus­gleich schul­det, liegt in die­sem Fall des­halb in den im Verhält­nis zu die­sen Kun­den im Hin­blick auf die Pro­dukte die­ses Seg­ments ge­schaf­fe­nen neuen Ge­schäfts­ver­bin­dun­gen.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BGH veröff­ent­licht.
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