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Vorerst gescheitert: Das Verbandssanktionengesetz - Überblick über die geplanten Regelungen

Die Bun­des­re­gie­rung hat am 16.06.2020 den von Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­rin Lam­brecht vor­ge­leg­ten Ent­wurf für ein Ver­bands­sank­tio­nen­ge­setz be­schlos­sen. Kernstück des un­ter der Über­schrift „Ge­setz zur Stärkung der In­te­grität in der Wirt­schaft“ vor­ge­stell­ten Ge­set­zes­vor­ha­bens ist das Ver­bands­sank­tio­nen­ge­setz (Ver­SanG), mit des­sen Einführung ins­be­son­dere die Sank­tio­nie­rung von un­ter­neh­mens­be­zo­ge­nen Straf­ta­ten auf eine neue Grund­lage ge­stellt wer­den soll. Die Einführung die­ses Ge­set­zes hätte für den Mit­tel­stand er­heb­li­che Kon­se­quen­zen ge­habt und ins­be­son­dere die Not­wen­dig­keit von Com­pli­ance-Maßnah­men stark erhöht - nun ist das Ge­set­zes­vor­ha­ben am Wi­der­stand der Union ge­schei­tert.

Wa­rum die Union ein Veto ein­ge­legt hat, le­sen Sie hier.

Das Verbandssanktionengesetz rückt näher - der Mittelstand muss rechtzeitig die Weichen stellen© Unsplash

Zentrale Aspekte des Gesetzesentwurfs

Nach der­zei­ti­ger Rechts­lage kön­nen Straf­ta­­ten, die aus Ver­­bän­­den (ju­ris­­ti­­sche Per­­so­­nen und Per­­so­­nen­ve­r­ei­­ni­­gun­­gen) her­aus be­gan­­gen wer­­den, ge­gen­­über dem Ver­­­band ledi­g­­lich mit ei­ner Gel­d­buße nach dem Ge­setz über Ord­­nungs­­wi­d­­ri­g­kei­­ten (OWiG) auf Grund­lage des § 30 OWiG ge­ahn­­det wer­­den.

Nach dem Ge­set­zes­ent­wur­f hätte § 3 Ver­SanG die bis­he­rige Funk­tion des § 30 OWiG bei ei­ner als „Ver­band­stat“ be­zeich­ne­ten Straf­tat über­neh­men sol­len. § 3 Ver­SanG ord­net die Ver­hän­gung von Ver­bands­sank­tio­nen an, wenn

  • eine Lei­tungs­per­son des Ver­ban­des eine Ver­bands­tat be­gan­gen hat (Abs. 1 Nr. 1) oder
  • je­mand sonst in Wahr­neh­mung der Ange­le­gen­heit des Ver­ban­des eine Ver­bands­tat be­gan­gen hat und Lei­tungs­per­so­nen diese Straf­tat durch ange­mes­sene Vor­keh­run­gen wie ins­be­son­dere die Orga­ni­sa­tion, Aus­wahl, An­lei­tung und Auf­sicht hät­ten ver­hin­dern oder we­sent­lich er­schwe­ren kön­nen (Abs. 1 Nr. 2).
Da­bei hätte eine ob­jek­tive Pflicht­wid­rig­keit des Un­ter­las­sens et­wai­ger Vor­keh­run­gen bei ob­jek­tiv er­kenn­bar ge­schaf­fe­ner Ge­fahr genü­gen sol­len, so­fern die „Nicht-Lei­tungs­per­son“ voll­de­lik­tisch eine Ver­bands­tat be­gan­gen hat. Auf ein vor­sätz­li­ches oder zu­min­dest fahr­läs­si­ges Un­ter­las­sen von Auf­sichts­maß­nah­men wäre es – an­ders als bei ei­ner Buß­geld­ver­hän­gung nach dem OWiG – hier ge­rade nicht mehr an­ge­kom­men.

Aus­weis­lich der For­mu­lie­rung des § 3 Ver­SanG („wird eine Ver­bands­sank­tion ver­hängt“) hätte das Lega­li­tät­s­prin­zip An­wen­dung ge­fun­den. Dem­ent­sp­re­chend bestünde ein Ver­fol­gungs­zwang für die Behör­den ge­gen das Un­ter­neh­men als sol­ches, so­bald ein An­fangs­ver­dacht für eine aus einem Un­ter­neh­men her­aus be­gan­gene Straf­tat zu beja­hen ist. Ge­genwärtig gilt die­ser Ver­fol­gungs­zwang in sol­chen Kon­s­tel­la­tio­nen le­dig­lich in Be­zug auf den mut­maß­li­chen Straf­tä­ter.

Dane­ben wären die Vor­schrif­ten der Straf­pro­zess­ord­nung über den Be­schul­dig­ten ent­sp­re­chend an­wend­bar ge­we­sen (vgl. § 27 Ver­SanG). Da­mit wäre der Ver­band ab dem Zeit­punkt der Ver­fah­rens­ein­lei­tung pro­zes­sual dem Be­schul­dig­ten gleich­ge­s­tellt ge­we­sen und hätte dem­ent­sp­re­chende auch die je­wei­li­gen Rechte ge­habt.

Als einen der zen­tra­len As­pekte sah der Ge­set­zes­ent­wurf eine ganz er­heb­li­che Erhöh­ung des bis­her für Un­ter­neh­men gel­ten­den Sank­ti­ons­rah­mens vor. So hätten nach § 9 Abs. 1 Ver­SanG zunächst Geld­bu­ßen bis zu 10 Mio. Euro ver­hängt wer­den können; für Un­ter­neh­men mit einem Kon­zern­um­satz von mehr als 100 Mio. Euro wies der Ge­set­zes­ent­wurf so­gar eine Ober­g­renze von 10 % des Jah­re­s­um­sat­zes aus.

Bei ei­ner Schä­d­i­gung ei­ner gro­ßen An­zahl von Per­so­nen hätte als Ne­ben­folge auch die öff­ent­li­che Be­kannt­ma­chung der Ver­ur­tei­lung ange­ord­net wer­den können.

Sank­ti­ons­be­mes­sung und die zen­trale Rolle unter­neh­mens­in­ter­ner Unter­su­chun­gen

Für die Sank­ti­ons­be­mes­sung sah § 15 Ver­SanG eine Viel­zahl von ver­bands­spe­zi­fi­schen Zu­mes­sungs­kri­te­rien vor. Der auf poli­ti­scher Ebene geäu­ßerte Wille, An­reize für recht­st­reues Ver­hal­ten der Un­ter­neh­men zu bie­ten, wurde da­bei durch § 15 Abs. 1 Nr. 2 bzw. § 15 Abs. 3 Nr. 6 Ver­SanG er­kenn­bar – so hätten hier u. a. die Schwere und das Aus­maß des Un­ter­las­sens ange­mes­se­ner Vor­keh­run­gen zur Ver­mei­dung bzw. Auf­de­ckung von Ver­band­sta­ten die Maß­s­täbe ge­setzt.

Eine ganz we­sent­li­che Rolle bei der Be­stim­mung ei­ner et­wai­gen Sank­ti­ons­höhe spielte gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 7 Ver­SanG „das Bemühen des Ver­ban­des, die Ver­bands­tat auf­zu­de­cken“; ins­be­son­dere die in­ter­nen Un­ter­su­chun­gen er­hiel­ten in den §§ 16, 17 Ver­SanG eine wei­tere Kon­k­re­ti­sie­rung.

Erfüllt die Durch­füh­rung ver­bands­in­ter­ner Un­ter­su­chun­gen kumu­la­tiv die dort auf­ge­s­tell­ten so­wie zu doku­men­tie­ren­den Be­din­gun­gen, wäre sie zwangs­läu­fig mit ei­ner Sank­ti­ons­mil­de­rung ver­bun­den und da­mit zug­leich die An­ord­nung der öff­ent­li­chen Be­kannt­ma­chung aus­ge­sch­los­sen ge­we­sen. So hätte der Ver­band eine Her­ab­set­zung des Sank­ti­ons­rah­mens um die Hälfte so­wie einen Weg­fall des Min­dest­ma­ßes er­fah­ren (vgl. § 18 Ver­SanG), wenn

  • der Ver­band oder der von ihm be­auf­tragte Dritte we­sent­lich zur Auf­klär­ung der Ver­bands­tat bei­ge­tra­gen hätten (Abs. 1 Nr. 1),
  • es sich bei den be­auf­trag­ten Drit­ten nicht um die Ver­tei­di­ger des Ver­ban­des oder ei­nes Be­schul­dig­ten ge­han­delt hätte (Abs. 1 Nr. 2),
  • der Ver­band oder der von ihm be­auf­tragte Dritte unun­ter­bro­chen und un­ein­ge­schränkt mit den Ver­fol­gungs­be­hör­den zu­sam­menge­ar­bei­tet hätten (Abs. 1 Nr. 3),
  • das Er­geb­nis der in­ter­nen Un­ter­su­chung (Ab­schluss­be­richt und we­sent­li­che Doku­mente) den Ver­fol­gungs­be­hör­den zur Ver­fü­gung ges­tellt wor­den wäre (Abs. 1 Nr. 4) und
  • die ver­bands­in­terne Un­ter­su­chung un­ter Be­ach­tung der Grund­sätze ei­nes fai­ren Ver­fah­rens, die so­dann näher defi­niert wur­den, durch­ge­führt wor­den wäre (Abs. 1 Nr. 5).
Nach dem Wil­len des Ge­setz­ge­bers wäre eine Mil­de­rung nur in Be­tracht ge­kom­men, so­fern die Auf­ar­bei­tungs­leis­tung des Un­ter­neh­mens tat­säch­lich zur Auf­klär­ung des Sach­ver­halts bei­ge­tra­gen hätte. Dem­ent­sp­re­chend wurde sch­ließ­lich klar­ge­s­tellt, dass die Er­geb­nisse der ver­bands­in­ter­nen Un­ter­su­chung vor Eröff­nung des Haupt­ver­fah­rens hätten of­fen­ge­legt wer­den müs­sen.

Zug­leich ge­wan­nen Com­p­li­ance-Maß­nah­men er­heb­lich an Be­deu­tung. Ver­bände hätten auf eine Straf­mil­de­rung hof­fen dürfen, wenn sie Com­p­li­ance-Vor­keh­run­gen imp­le­men­tiert ha­ben.

Hierzu wurde in der Ge­set­zes­be­grün­dung aus­drück­lich klar­ge­s­tellt, dass bei klei­nen und mitt­le­ren Un­ter­neh­men mit ge­rin­gem Ri­siko von Rechts­ver­let­zun­gen schon we­nige, ein­fa­che Maß­nah­men hätten aus­rei­chend sein kön­nen und der „Zu­kauf“ ei­nes Com­p­li­ance-Pro­gramms oder von Zer­ti­fi­zie­run­gen inso­weit re­gel­mä­ßig nicht er­for­der­lich wäre.

Fazit

Jen­seits des nun­mehr ge­schei­ter­ten Ge­set­zes­vor­ha­bens be­steht auf Sei­ten der Behör­den ver­mehrt die Ten­denz, Un­ter­neh­men in den Fo­kus straf­recht­li­cher Er­mitt­lun­gen zu neh­men. Mit oder ohne Ver­bands­sank­tio­nen­ge­setz ist es da­her für Mit­tel­stand drin­gend gebo­ten, zu­min­dest grund­le­gende Com­p­li­ance-Struk­tu­ren ein­zu­füh­ren.

Wel­che Maß­nah­men und Vor­keh­run­gen für die je­wei­li­gen Un­ter­neh­men er­for­der­lich sind, muss ein­zel­fall­be­zo­gen geprüft wer­den.

Hierzu ist einem ers­ten Schritt eine Risi­ko­ana­lyse durch­zu­füh­ren, um her­aus­zu­ar­bei­ten, wel­che Lücken in der Com­p­li­ance-Orga­ni­sa­tion des Un­ter­neh­mens gege­be­nen­falls vor­han­den sind.

Sehr gerne un­ter­stüt­zen wir Sie da­bei.

 

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