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Steuerliche Hilfen in der Corona-Krise - gut gemacht oder nur gut gemeint?

Die Corona-Krise hat welt­weit zu einem enor­men Kon­junk­tur­ein­bruch geführt. In Deutsch­land zeigt sich zwar be­reits ein ers­ter Hoff­nungs­schim­mer, dass die Tal­sohle der Krise durch­schrit­ten sein könnte. Von einem wirt­schaft­li­chen Auf­schwung kann je­doch noch nicht die Rede sein. Viel­mehr ist zu befürch­ten, dass im Laufe des Jah­res noch ei­nige Un­ter­neh­men den Über­le­bens­kampf ver­lie­ren. Die Bun­des­re­gie­rung ver­sucht, mit einem mil­li­ar­den­schwe­ren Kon­junk­tur­pa­ket ge­gen­zu­steu­ern. Insb. die darin vor­ge­se­he­nen steu­er­li­chen Maßnah­men sind be­reits weit­ge­hend um­ge­setzt. Doch zei­gen sie Wir­kung? Ist die da­mit ver­bun­dene, enorm zu­neh­mende Staats­ver­schul­dung ge­recht­fer­tigt? Oder be­darf es gar noch wei­te­rer Un­terstützungsmaßnah­men?

Darüber re­den wir mit Prof. Dr. Chris­toph Spen­gel, In­ha­ber des Lehr­stuhls für All­ge­meine Be­triebs­wirt­schafts­lehre und Be­triebs­wirt­schaft­li­che Steu­er­lehre II der Uni­ver­sität Mann­heim, Mit­glied des Wis­sen­schaft­li­chen Bei­rats des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Fi­nan­zen und aus­ge­wie­se­ner Ex­perte u. a. im Be­reich der na­tio­na­len als auch in­ter­na­tio­na­len Un­ter­neh­mens­be­steue­rung.

© Prof. Dr. Christoph Spengel

Herr Prof. Spen­gel, die Bun­des­re­gie­rung hat es vor­ge­schla­gen und der Ge­setz­ge­ber trägt es mit, dass enorme Sum­men in die Hand ge­nom­men wer­den, um die Kon­junk­tur und da­mit die Wirt­schafts­teil­neh­mer in der Corona-Krise zu un­terstützen. Ist das aus Ih­rer Sicht der rich­tige An­satz?

Al­les in al­lem hat die Bun­des­re­gie­rung in der Corona-Krise sehr vie­les rich­tig ge­macht. Die kurz­fris­ti­gen Li­qui­ditätshil­fen, die An­pas­sun­gen der Steu­er­vor­aus­zah­lun­gen, das Kurz­ar­bei­ter­geld. Das in Kraft ge­tre­tene Kon­junk­tur­pa­ket und die auf eu­ropäischer Ebene unlängst ge­trof­fe­nen Maßnah­men halte ich eben­falls für rich­tig. Wir müssen in die­ser Krise die Wirt­schaft so gut es geht sta­bi­li­sie­ren, al­lem voran An­reize für In­ves­ti­tio­nen set­zen und Ar­beitsplätze si­chern. Lei­der bleibt die Di­gi­ta­li­sie­rung auf der Stre­cke. Das be­trifft die öff­ent­li­che Ver­wal­tung und vor al­lem un­ser Schul­sys­tem, das im sog. Ho­me­schoo­ling – für mich be­reits heute das Un­wort des Jah­res – flächen­de­ckend eine Ka­ta­stro­phe ist.

Ge­hen wir auf ei­nige der Maßnah­men ein. Sie hat­ten be­reits im Mai die Sen­kung der Um­satz­steuer für Re­stau­rants scharf kri­ti­siert. Wie be­ur­tei­len Sie nun die tem­poräre Ab­sen­kung der Um­satz­steu­ersätze von 19 % auf 16 % bzw. von 7 % auf 5 %? Setzt diese Sen­kung auf alle in der zwei­ten Jah­reshälfte 2020 er­brach­ten Umsätze an der fal­schen Stelle an?

Mit der Sen­kung der Um­satz­steu­ersätze soll der Kon­sum sti­mu­liert wer­den. Es ist zu früh, die Wirk­sam­keit die­ser Maßnahme zu eva­lu­ie­ren. Wird tatsäch­lich mehr kon­su­miert, wer­den sämt­li­che Steu­er­satz­sen­kun­gen an die Kon­su­men­ten wei­ter­ge­lei­tet usw.? Außer­dem ist die tem­porär an­ge­legte Maßnahme mit ho­hen büro­kra­ti­schen Um­stel­lungs- und Ab­gren­zungs­kos­ten ver­bun­den. In An­be­tracht des feh­len­den Di­gi­ta­li­sie­rungs­schu­bes hätte ich mir an­statt ei­ner Um­satz­steu­er­sen­kung Ta­blets für alle Schüler und Leh­rer in Deutsch­land gewünscht.

Sie wa­ren ak­tiv bei den Anhörun­gen zu den Corona-Steu­er­hil­fe­ge­set­zen be­tei­ligt und hat­ten auch schon früh dar­auf hin­ge­wie­sen, dass eine Aus­deh­nung des Ver­lustrück­trags der rich­tige Weg ist, um den Un­ter­neh­men die not­wen­dige Li­qui­dität zu ver­schaf­fen. Ver­luste aus 2020 und 2021 können nun ge­ne­rell je­weils bis zu 5 Mio. Euro ins Vor­jahr zurück­ge­tra­gen wer­den. Ist da­mit Ihre For­de­rung erfüllt?

Nein, das ist zu we­nig. Es geht um kurz­fris­tige, ziel­ge­rich­tete Li­qui­ditätshil­fen, die dem Staat im an­hal­ten­den Null­zin­sum­feld auch keine nen­nens­wer­ten Kos­ten ver­ur­sa­chen. Dazu hätte man den Rück­trag von Ver­lus­ten, die im Jahr 2020 ent­ste­hen wer­den, be­tragsmäßig und in zeit­li­cher Hin­sicht weit­aus großzügi­ger fas­sen müssen. Eine sol­che Li­qui­ditätshilfe ver­ur­sacht des­we­gen kaum nen­nens­werte Kos­ten, weil auf diese Weise Ver­lust­vorträge in das Jahr 2021 und da­mit ver­bun­dene nied­ri­gere Steu­er­zah­lun­gen ent­fal­len. Fak­ti­sch würde der Staat einen Kre­dit für ein Jahr gewähren, der ihn nichts kos­tet.

Der Ge­setz­ge­ber sieht zu­dem für Un­ter­neh­men Li­qui­ditätshil­fen vor, die in Form von Zu­schüssen gewährt wer­den. Nach­dem diese teil­weise missbräuch­lich in An­spruch ge­nom­men wur­den, ist nun eine Be­an­tra­gung von Zu­schüssen für kleine und mit­telständi­sche Un­ter­neh­men nur über Steu­er­be­ra­ter, Wirt­schaftsprüfer oder Rechts­anwälte möglich. Diese Hürde er­weist sich in der Pra­xis al­ler­dings als ziem­lich aufwändig und ggf. auch schwerfällig. Kommt hier das rich­tige Mit­tel zum Ein­satz?

Nein, das halte ich für über­zo­gen. Der Be­trug bei Corona-So­fort­hil­fen kam zu­stande, weil auf den Anträgen fal­sche Bank­ver­bin­dun­gen, nämlich die der Betrüger, an­ge­ge­ben wur­den und die Fi­nanz­ver­wal­tung dies nicht überprüft hat. In den Anträgen auf So­fort­hilfe muss­ten auch die Steu­er­num­mern an­ge­ge­ben wer­den, und ei­ner Überprüfung durch das zuständige Fi­nanz­amt wurde durch den An­trag­stel­ler ein­ge­wil­ligt. Es wäre also ohne wei­te­res möglich ge­we­sen, über die je­wei­lige Steu­er­num­mer die Kor­rekt­heit der Bank­ver­bin­dung au­to­ma­ti­siert und so­mit schnell zu prüfen. Es han­delt sich da­her um ein Versäum­nis der Fi­nanz­behörden.

Ne­ben staat­li­chen Li­qui­ditätshil­fen sind viele Un­ter­neh­men zur Si­che­rung ih­rer Li­qui­dität auf Fremd­ka­pi­tal an­ge­wie­sen. Auch dazu wur­den ei­nige staat­li­che Pro­gramme neu auf­ge­legt oder er­wei­tert, um Kre­dit­auf­nah­men zu er­leich­tern. Steu­er­lich wer­den die Un­ter­neh­men dann aber durch Zins­ab­zugs­be­schränkun­gen be­straft, etwa durch die Zins­schranke und die ge­wer­be­steu­er­li­che Hin­zu­rech­nung von Fi­nan­zie­rungs­ent­gel­ten. Passt das zu­sam­men? Sollte der Ge­setz­ge­ber hier noch­mals nach­bes­sern?

Bei den ge­wer­be­steu­er­li­chen Hin­zu­rech­nun­gen von Fi­nan­zie­rungs­ent­gel­ten hat der Ge­setz­ge­ber ja rea­giert und den Frei­be­trag von 100.000 Euro auf 200.000 Euro erhöht. Mehr ist ver­mut­lich ohne eine grund­le­gende Re­form der Ge­wer­be­steuer auch nicht drin, aber das steht jetzt nicht zur De­batte. Den Kom­mu­nen bre­chen ihre Steu­er­ein­nah­men ge­rade mas­siv weg. Die Zins­schranke kann der deut­sche Ge­setz­ge­ber nicht ändern, durch die EU-An­ti­miss­brauchs­richt­li­nie ATAD ist sie EU-weit har­mo­ni­siert. Wie sich in ei­ner fun­da­men­ta­len Krise jetzt her­aus­stellt, war die Zu­stim­mung zur ATAD ein großer Feh­ler.

Zum Schluss noch Ihre Ein­schätzung, wird der Wirt­schafts­stand­ort Deutsch­land aus steu­er­li­cher Sicht gestärkt oder ge­schwächt aus der Kri­sen­si­tua­tion her­aus­kom­men? Ge­ben Sie dem Ge­setz­ge­ber noch wei­tere To-Dos mit auf den Weg?

De­bat­ten über grund­le­gende Steu­er­re­for­men oder gar Steu­er­sen­kun­gen in Deutsch­land sind zum jet­zi­gen Zeit­punkt fehl am Platz. Je­der weiß, dass wir seit Jahr­zehn­ten eine rechts­form­abhängige Un­ter­neh­mens­be­steue­rung ha­ben, aber coron­abe­dingt müssen wir heute nicht über Op­ti­ons­mo­delle dis­ku­tie­ren. Viel­mehr soll­ten Über­le­gun­gen an­ge­stellt und auch um­ge­setzt wer­den, wie wir im kom­men­den Jahr möglichst steu­er­scho­nend aus der Krise her­aus­kom­men. Hier sind zwei Maßnah­men be­son­ders wich­tig: Die Aus­set­zung der Min­dest­be­steue­rung für im Jahr 2020 ent­stan­dene Ver­luste, um wei­ter­hin Li­qui­dität zu scho­nen, so­wie großzügige Son­der­ab­schrei­bun­gen zur An­kur­be­lung von In­ves­ti­tio­nen.

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