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Steuerbegünstigung für dauerdefizitäre Tätigkeiten kommunaler Eigengesellschaften

BFH v. 13.3.2019 - I R 18/19

Der BFH bit­tet den EuGH um Klärung, ob die Steu­er­begüns­ti­gung für dau­er­de­fi­zitäre Tätig­kei­ten kom­mu­na­ler Ei­gen­ge­sell­schaf­ten ge­gen die Bei­hil­fe­re­ge­lung des Uni­ons­rechts verstößt. Der Vor­la­ge­be­schluss be­trifft § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 KStG in der Fas­sung des JStG 2009 und ist für Städte und Ge­mein­den von großer Be­deu­tung, da sie im Be­reich der Da­seins­vor­sorge häufig an Ei­gen­ge­sell­schaf­ten mit dau­er­de­fi­zitären Tätig­kei­ten be­tei­ligt sind.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist ein En­er­gie­ver­sor­gungs­un­ter­neh­men in der Rechts­form ei­ner GmbH. Da die An­teile der Kläge­rin zu 100 % von ei­ner Stadt ge­hal­ten wer­den, han­delt es sich um eine sog. kom­mu­nale Ei­gen­ge­sell­schaft. Aus dem Be­trieb ei­ner Schwimm­halle er­wirt­schaf­tete die Kläge­rin in den Streit­jah­ren 2002 und 2003 (dau­er­haft) Ver­luste. Diese Ver­luste wur­den vom Fi­nanz­amt nicht steu­er­min­dernd an­er­kannt.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Hier­ge­gen rich­tet sich die Re­vi­sion der Kläge­rin, mit der sie eine Ver­let­zung ma­te­ri­el­len Rechts gel­tend macht. Der BFH setzte das Ver­fah­ren nun­mehr aus und legte dem EuGH fol­gende Frage zur Vor­ab­ent­schei­dung vor:

Ist Art. 107 Abs. 1 AEUV da­hin­ge­hend aus­zu­le­gen, dass eine un­ter diese Vor­schrift fal­lende staat­li­che Bei­hilfe vor­liegt, wenn nach den Re­ge­lun­gen ei­nes Mit­glied­staats (Dauer-)Ver­luste ei­ner Ka­pi­tal­ge­sell­schaft aus ei­ner wirt­schaft­li­chen Betäti­gung, die ohne kos­ten­de­cken­des Ent­gelt un­ter­hal­ten wird, zwar im Grund­satz als vGA an­zu­se­hen sind und dem­ent­spre­chend den Ge­winn ei­ner Ka­pi­tal­ge­sell­schaft nicht min­dern dürfen, je­doch bei Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten, bei de­nen die Mehr­heit der Stimm­rechte un­mit­tel­bar oder mit­tel­bar auf ju­ris­ti­sche Per­so­nen des öff­ent­li­chen Rechts entfällt, diese Rechts­fol­gen für Dau­er­ver­lust­ge­schäfte nicht zu zie­hen sind, wenn sie die be­tref­fen­den Ge­schäfte aus ver­kehrs-, um­welt-, so­zial-, kul­tur-, bil­dungs- oder ge­sund­heits­po­li­ti­schen Gründen un­ter­hal­ten?

Die Gründe:
Der BFH hat be­reits in der Ver­gan­gen­heit ent­schie­den, dass die Hin­nahme von Dau­er­ver­lus­ten im In­ter­esse von Städten und Ge­mein­den bei kom­mu­na­len Ei­gen­ge­sell­schaf­ten re­gelmäßig zu ei­ner ver­deck­ten Ge­winn­aus­schüttung (vGA) führt (BFH v. 22.8.2007 - I R 32/06). Dem­ent­spre­chend sieht der BFH auch in der Hin­nahme der Dau­er­ver­luste durch die Ei­gen­ge­sell­schaft im Streit­fall eine vGA an die Stadt, mit der Folge, dass das Ein­kom­men der Ge­sell­schaft ent­spre­chend zu erhöhen ist. Die­ser Rechts­folge steht je­doch die durch das JStG 2009 auch mit Wir­kung für die Ver­gan­gen­heit ge­schaf­fene Re­ge­lung des § 8 Abs. 7 S.1 Nr. 2 KStG ent­ge­gen, wo­nach die Rechts­fol­gen ei­ner vGA bei kom­mu­na­len Ei­gen­ge­sell­schaf­ten nicht zu zie­hen sind, wenn sie ein sog. Dau­er­ver­lust­ge­schäft, wie z.B. beim Be­trieb von Schwimmbädern aus ge­sund­heits­po­li­ti­schen Gründen, un­ter­hal­ten.

Frag­lich ist aber, ob die Steu­er­begüns­ti­gung nach § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 KStG eine staat­li­che Bei­hilfe i.S.v. Art. 107 Abs. 1 i.V.m. Art. 108 Abs. 3 des Ver­tra­ges über die Ar­beits­weise der Eu­ropäischen Union (AEUV) ist. Ge­neh­mi­gungs­pflich­tig sind da­nach se­lek­tive Bei­hil­fen für be­stimmte Un­ter­neh­men oder Pro­duk­ti­ons­zweige. Der BFH ist der Auf­fas­sung, dass § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 KStG den kom­mu­na­len Ei­gen­ge­sell­schaf­ten einen se­lek­ti­ven Vor­teil da­durch ver­schafft, dass die Rechts­fol­gen ei­ner vGA nicht zu zie­hen sind, während bei den übri­gen Steu­er­pflich­ti­gen, die eben­falls im In­ter­esse ih­rer Ge­sell­schaf­ter ver­lust­rei­che Tätig­kei­ten durchführen, diese Rechts­fol­gen ein­tre­ten. In sei­nem Vor­la­ge­be­schluss geht der BFH von einem grundsätz­li­chen Vor­lie­gen ei­ner Bei­hilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV aus, über­ant­wor­tet aber dem EuGH die ver­bind­li­che Klärung der im Streit­fall be­ste­hen­den Aus­le­gungs­frage.

Sollte der EuGH das Vor­lie­gen ei­ner Bei­hilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV be­ja­hen, wäre § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 KStG bis zu ei­ner Ent­schei­dung der EU-Kom­mis­sion über die Ver­ein­bar­keit der Steu­er­begüns­ti­gung mit dem Bin­nen­markt nicht an­wend­bar. Der Streit­fall wie auch die wei­tere An­wen­dung die­ser Vor­schrift müss­ten bis zu ei­ner Ent­schei­dung durch die Kom­mis­sion aus­ge­setzt wer­den. Im Übri­gen ist in Be­zug auf die Be­steue­rungs­zeiträume ab 2009 - an­ders als im Streit­fall - auch die sog. Spar­ten­rech­nung des § 8 Abs. 9 KStG zu be­ach­ten. Diese ändert aber nichts am Ent­fal­len der vGA, mit dem der BFH sein Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen maßgeb­lich begründet hat. Ein vom EuGH auf die­ser Grund­lage be­jah­ter Bei­hilf­etat­be­stand könnte sich da­her auch auf die heute be­ste­hende Rechts­lage aus­wir­ken.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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