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Nichtzulassung der Sukzessivadoption durch eingetragene Lebenspartner ist verfassungswidrig

Urteile des BVerfG vom 19.2.2013 - 1 BvL 1/11 u.a.

Die Nicht­zu­las­sung der suk­zes­si­ven Ad­op­tion an­ge­nom­me­ner Kin­der ein­ge­tra­ge­ner Le­bens­part­ner durch den an­de­ren Le­bens­part­ner ver­letzt so­wohl die be­trof­fe­nen Kin­der als auch die be­trof­fe­nen Le­bens­part­ner in ih­rem Recht auf Gleich­be­hand­lung. Bis zu ei­ner Neu­re­ge­lung ist das LPartG mit der Maßgabe an­zu­wen­den, dass die Suk­zes­si­va­dop­tion auch für ein­ge­tra­gene Le­bens­part­ner­schaf­ten möglich ist.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­schwer­deführe­rin des Ver­fah­rens 1 BvR 3247/09 gründete im Jahr 2005 eine Le­bens­part­ner­schaft und lebt seit­dem mit ih­rer Le­bens­part­ne­rin in einem ge­mein­sa­men Haus­halt. Ihre Le­bens­part­ne­rin hatte zu­vor ein in Bul­ga­rien ge­bo­re­nes Kind ad­op­tiert. Im Jahr 2008 stellte die Be­schwer­deführe­rin einen An­trag auf Ad­op­tion die­ses Kin­des. Die Fach­ge­richte lehn­ten den An­trag ab. Mit ih­rer Ver­fas­sungs­be­schwerde rügte die Be­schwer­deführe­rin die Ver­let­zung ih­rer Grund­rechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG.

Die Be­tei­lig­ten des Ver­fah­rens 1 BvL 1/11 gründe­ten im De­zem­ber 2002 eine Le­bens­part­ner­schaft. Ei­ner der Le­bens­part­ner hatte kurz zu­vor ein in Rumänien ge­bo­re­nes Kind ad­op­tiert. Das Kind lebt im ge­mein­sa­men Haus­halt der Be­tei­lig­ten, die die el­ter­li­che Be­treu­ung ge­mein­sam über­neh­men. Der an­dere Le­bens­part­ner be­ab­sich­tigte eben­falls er­folg­los, das Kind zu ad­op­tie­ren. Das Han­sea­ti­sche OLG setzte das Ver­fah­ren aus und legte dem BVerfG die Frage zur Ent­schei­dung vor, ob die Ver­weh­rung der suk­zes­si­ven Ad­op­tion durch den Le­bens­part­ner des zunächst An­neh­men­den gem. § 9 Abs. 7 LPartG mit dem GG ver­ein­bar ist.

Nach der­zeit gel­ten­dem Recht ist die Ad­op­tion des leib­li­chen Kin­des des ein­ge­tra­ge­nen Le­bens­part­ners möglich (sog. Stief­kin­da­dop­tion, § 9 Abs. 7 LPartG). Nicht eröff­net ist hin­ge­gen die hier in Rede ste­hende Ad­op­tion des vom ein­ge­tra­ge­nen Le­bens­part­ner an­ge­nom­me­nen Kin­des (so­ge­nannte Suk­zes­si­va­dop­tion). Ehe­gat­ten wird dem­ge­genüber nach § 1742 BGB so­wohl die Möglich­keit der Stief­kin­da­dop­tion als auch die der Suk­zes­si­va­dop­tion ein­geräumt.

Das BVerfG hat die Nicht­zu­las­sung der Suk­zes­si­va­dop­tion durch ein­ge­tra­gene Le­bens­part­ner nun für ver­fas­sungs­wid­rig erklärt.

Die Gründe:
Die Nicht­zu­las­sung der suk­zes­si­ven Ad­op­tion an­ge­nom­me­ner Kin­der ein­ge­tra­ge­ner Le­bens­part­ner durch den an­de­ren Le­bens­part­ner ver­letzt so­wohl die be­trof­fe­nen Kin­der als auch die be­trof­fe­nen Le­bens­part­ner in ih­rem Recht auf Gleich­be­hand­lung. Der Ge­setz­ge­ber hat bis zum 30.6.2014 eine ver­fas­sungs­gemäße Re­ge­lung zu tref­fen. Bis da­hin ist das Le­bens­part­ner­schafts­ge­setz mit der Maßgabe an­zu­wen­den, dass die Suk­zes­si­va­dop­tion auch für ein­ge­tra­gene Le­bens­part­ner­schaf­ten möglich ist.

Ge­ne­rell soll zwar mit der Be­schränkung von Suk­zes­si­va­dop­tio­nen der Ge­fahr ent­ge­gen­ge­wirkt wer­den, dass ein Kind kon­kur­rie­ren­den El­tern­rech­ten aus­ge­setzt ist, die wi­der­sprüch­lich ausgeübt wer­den könn­ten. Diese Ge­fahr kann je­doch für ge­ring ge­hal­ten wer­den, wenn es sich bei den El­tern um Ehe­part­ner han­delt. Die Ad­op­tion durch den ein­ge­tra­ge­nen Le­bens­part­ner un­ter­schei­det sich nicht von der durch den Ehe­part­ner. Ins­be­son­dere ist die ein­ge­tra­gene Le­bens­part­ner­schaft glei­chermaßen auf Dauer an­ge­legt und durch eine ver­bind­li­che Ver­ant­wor­tungsüber­nahme geprägt wie eine Ehe. Der Aus­schluss der Suk­zes­si­va­dop­tion ist auch nicht da­mit zu recht­fer­ti­gen, dass dem Kind das Auf­wach­sen mit gleich­ge­schlecht­li­chen El­tern schade. Es ist viel­mehr da­von aus­zu­ge­hen, dass die behüte­ten Verhält­nisse ei­ner ein­ge­tra­ge­nen Le­bens­part­ner­schaft das Auf­wach­sen von Kin­dern ebenso fördern können wie die ei­ner Ehe.

Nach Ein­schätzung der an­gehörten Sach­verständi­gen ist die Suk­zes­si­va­dop­tion in den vor­lie­gen­den Kon­stel­la­tio­nen ge­eig­net, sta­bi­li­sie­rende ent­wick­lungs­psy­cho­lo­gi­sche Ef­fekte zu ent­fal­ten. Fer­ner ver­bes­sert sie die Rechts­stel­lung des Kin­des bei Auflösung der Le­bens­part­ner­schaft durch Tren­nung oder Tod. Dies be­trifft zum einen das Sor­ge­recht, das dann im Fall der Tren­nung un­ter Berück­sich­ti­gung des Kin­des­wohls von Fall zu Fall an­ge­mes­sen ge­re­gelt wer­den kann. Zum an­de­ren gilt dies in ma­te­ri­el­ler Hin­sicht, denn ein Kind pro­fi­tiert von der dop­pel­ten El­tern­schaft ins­be­son­dere in un­ter­halts- und er­brecht­li­cher Hin­sicht. Schließlich ist zu berück­sich­ti­gen, dass je­der Ad­op­tion - auch der Suk­zes­si­va­dop­tion - eine Ein­zel­fallprüfung vor­aus­geht.

Das Recht des Kin­des auf staat­li­che Gewähr­leis­tung el­ter­li­cher Pflege und Er­zie­hung, das El­tern­grund­recht und das Fa­mi­li­en­grund­recht sind hin­ge­gen - für sich ge­nom­men - nicht ver­letzt. Die Gren­zen des dem Ge­setz­ge­ber zu­ste­hen­den Spiel­raums sind hier nicht über­schrit­ten. Die be­trof­fe­nen Kin­der sind nicht el­tern­los, son­dern ha­ben einen El­tern­teil im Rechts­sinne. Zu­dem hat der Ge­setz­ge­ber an­der­wei­tig Sorge dafür ge­tra­gen, dass der Le­bens­part­ner des Ad­op­tiv­el­tern­teils in ge­wis­sem Um­fang el­ter­li­che Auf­ga­ben wahr­neh­men kann, in­dem ihm prak­ti­sch wich­tige el­tern­ty­pi­sche Be­fug­nisse ver­lie­hen wer­den.

Zwar schützt Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG nicht nur ver­schie­den­ge­schlecht­li­che El­tern, son­dern auch zwei El­tern­teile glei­chen Ge­schlechts. Je­doch begründet ein al­lein so­zia­les-fa­miliäres El­tern­verhält­nis zum Kind des Le­bens­part­ners keine ver­fas­sungs­recht­li­che El­tern­schaft. Träger des ver­fas­sungs­recht­li­chen El­tern­rechts können grundsätz­lich nur Per­so­nen sein, die in einem durch Ab­stam­mung oder durch ein­fach­ge­setz­li­che Zu­ord­nung begründe­ten El­tern­verhält­nis zum Kind ste­hen. Außer­dem steht dem Ge­setz­ge­ber bei der recht­li­chen Aus­ge­stal­tung der Fa­mi­lie ein Spiel­raum zu. Die­ser ist durch die Ver­weh­rung der Suk­zes­si­va­dop­tion nicht über­schrit­ten. Der Ge­setz­ge­ber ist durch Art. 6 Abs. 1 GG nicht ver­pflich­tet, in je­dem Fall ei­ner fak­ti­schen El­tern-Kind-Be­zie­hung das volle El­tern­recht zu gewähren.

Link­hin­weis:
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