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Mitverschulden eines Fußgängers bei Unfall mit Pkw muss der Pkw-Halter beweisen

BGH 24.9.2013, VI ZR 255/12

Bei einem Un­fall zwi­schen einem Fußgänger und einem Kraft­fahr­zeug darf bei der Abwägung der Ver­ur­sa­chungs­an­teile im Rah­men des § 254 Abs. 1 BGB nur schuld­haf­tes Ver­hal­ten des Fußgängers ver­wer­tet wer­den, von dem fest­steht, dass es zu dem Scha­den oder zu dem Scha­den­sum­fang bei­ge­tra­gen hat. Die Be­weis­last für den un­fall­ursäch­li­chen Mit­ver­schul­dens­an­teil des Fußgängers trägt re­gelmäßig der Hal­ter des Kraft­fahr­zeugs.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin be­gehrt von den Be­klag­ten we­gen der Fol­gen ei­nes Ver­kehrs­un­falls Schmer­zens­geld und Fest­stel­lung der Ver­pflich­tung zur Zah­lung zukünf­ti­ger Schäden vor­be­halt­lich des An­spruchsüberg­angs auf Dritte, wo­bei sie eine Mit­haf­tung von 75 Pro­zent hin­nimmt.

Die Kläge­rin wurde am 6.2.2009 ge­gen 20.11 Uhr als Fußgänge­rin beim Über­que­ren ei­ner in­nerört­li­chen Straße von dem bei der Be­klag­ten zu 2) haft­pflicht­ver­si­cher­ten Pkw er­fasst, des­sen Hal­te­rin und Fah­re­rin die Be­klagte zu 1) war. Da­bei wurde die Kläge­rin schwer ver­letzt. Bei der ihr ent­nom­me­nen Blut­probe wurde eine BAK von 1,75 Pro­mille fest­ge­stellt.

LG und OLG wie­sen die Klage ab. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und ver­wies die Sa­che zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das Be­ru­fungs­ur­teil kann kei­nen Be­stand ha­ben, so­weit es die Haf­tung der Be­klag­ten we­gen des über­wie­gen­den Ver­schul­dens der Kläge­rin ver­neint.

Die Be­klag­ten zu 1) und 2) haf­ten der Kläge­rin grundsätz­lich als Ge­samt­schuld­ner in vol­lem Um­fang. Die Gefähr­dungs­haf­tung kann al­ler­dings im Rah­men der Abwägung nach § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB ent­fal­len, wenn die im Vor­der­grund ste­hende Scha­den­sur­sa­che ein grob ver­kehrswid­ri­ges Ver­hal­ten des Ge­schädig­ten dar­stellt. Die Abwägung nach § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB setzt je­doch stets die Fest­stel­lung ei­nes haf­tungs­begründen­den Tat­be­stan­des auf der Seite des Ge­schädig­ten vor­aus. Die für die Abwägung maßge­ben­den Umstände müssen fest­ste­hen, d.h. un­strei­tig, zu­ge­stan­den oder nach § 286 ZPO be­wie­sen und für die Ent­ste­hung des Scha­dens ursäch­lich ge­wor­den sein.

Da­nach durfte das OLG auf der Grund­lage der ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen nicht an­neh­men, das Ver­schul­den der Kläge­rin über­wiege ge­genüber der nicht aus­geräum­ten Be­triebs­ge­fahr des Fahr­zeugs der Be­klag­ten dermaßen, dass die Be­triebs­ge­fahr hin­ter dem Ver­schul­den der Kläge­rin zurück­trete. Man­gels aus­rei­chen­der Fest­stel­lun­gen zum Un­fall­her­gang er­gibt sich ein der­art über­wie­gen­des Mit­ver­schul­den der Kläge­rin am Zu­stan­de­kom­men des Un­falls nicht be­reits dar­aus, dass diese in er­heb­lich al­ko­ho­li­sier­tem Zu­stand un­ter Ver­stoß ge­gen § 25 Abs. 3 StVO die Straße über­querte, ohne auf den Fahr­zeug­ver­kehr zu ach­ten.

In­so­weit er­weist sich das Be­ru­fungs­ur­teil als wi­der­sprüch­lich zu der Begründung, mit der das OLG die Ein­ho­lung ei­nes un­fal­lana­ly­ti­schen Sach­verständi­gen­gut­ach­tens ab­ge­lehnt hat. Denn das OLG meinte, dass sich we­der aus der Er­mitt­lungs­akte noch aus der Aus­sage des Zeu­gen M oder der Anhörung der Par­teien kon­krete Anknüpfungs­tat­sa­chen, ins­bes. Ent­fer­nun­gen, Abstände, End­la­gen und Ge­schwin­dig­kei­ten ent­neh­men ließen, die aus­reich­ten, um einen Sach­verständi­gen mit der Er­stel­lung ei­nes un­fal­lana­ly­ti­schen Gut­ach­tens über den Her­gang des Un­falls zu be­auf­tra­gen. Mit­hin stand für das OLG we­der fest, wel­che Weg­stre­cke die Kläge­rin auf der Fahr­bahn bis zum Er­rei­chen des Kol­li­si­ons­orts zurück­ge­legt hat, noch dass sie für die Be­klagte zu 1) nicht er­kenn­bar ge­we­sen ist und der Un­fall durch eine so­for­tige Re­ak­tion der Be­klag­ten zu 1) nicht hätte ver­mie­den wer­den können.

Das OLG hat außer­dem ver­kannt, dass bei ei­ner Nicht­be­weis­bar­keit des Un­fall­her­gangs die Be­weis­last für den un­fall­ursäch­li­chen Mit­ver­schul­dens­an­teil der Kläge­rin nach all­ge­mei­nen Be­weis­grundsätzen die Be­klag­ten tra­gen und nicht die Kläge­rin.

Link­hin­weis:

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