Die Klägerinnen sind kommerzielle Fernsehsender, denen nach nationalem Recht das Urheberrecht an ihren Fernsehsendungen sowie an den Filmen und den anderen Elementen in ihren Sendungen zusteht. Sie werden durch Werbung in ihren Sendungen finanziert. Die Beklagte ist die TVCatchup Ltd. Sie bietet über das Internet Dienstleistungen an, die die Verbreitung von Fernsehsendungen betreffen. Diese Dienstleistungen ermöglichen es den Nutzern, über das Internet Streams von frei zugänglichen Fernsehsendungen in "Echtzeit" zu empfangen ("Livestreaming").
Die Beklagte vergewissert sich, dass ihre Nutzer nur Zugang zu einem Inhalt erhalten, den sie bereits aufgrund ihrer Fernsehempfangslizenz im Vereinigten Königreich rechtmäßig sehen dürfen. Die Bedingungen, mit denen sich die Nutzer einverstanden erklären müssen, umfassen den Besitz einer gültigen Fernsehempfangslizenz und die Beschränkung der Dienste von TVCatchup Ltd. auf das Vereinigte Königreich. Ihre Website verfügt über Einrichtungen, die es ihr erlauben, den Ort zu überprüfen, an dem sich der Nutzer befindet, und versagt den Zugang, wenn die den Nutzern auferlegten Bedingungen nicht erfüllt sind.
Die Klägerinnen sahen darin einen Verstoß gegen nationales Recht und gegen die nach der Richtlinie 2001/29 verbotene öffentliche Wiedergabe. Das nationale Gericht hatte beim EuGH angefragt, ob eine Einrichtung wie die Beklagte Sendungen i.S.d. Richtlinie 2001/29 öffentlich wiedergibt, wenn sie die Sendungen über das Internet an Mitglieder des Publikums verbreitet, die zum Zugang zum Signal der Erstsendung unter Benutzung ihrer eigenen heimischen Fernsehgeräte oder ihrer eigenen heimischen tragbaren Computer berechtigt wären. Der EuGH bejahte dies.
Die Gründe:
Nach der Richtlinie 2001/29 umfasst das für die öffentliche Wiedergabe geltende Urheberrecht jegliche drahtgebundene oder drahtlose Übertragung oder Weiterverbreitung einschließlich der Rundfunkübertragung an die Öffentlichkeit, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist. Da ein Zugänglichmachen der Werke durch Weiterverbreitung einer terrestrischen Fernsehsendung über Internet nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet, ist sie als "Wiedergabe" i.S.d. Richtlinie zu betrachten. Infolgedessen kann eine solche Weiterverbreitung nicht ohne Erlaubnis der Urheber der weiterverbreiteten Werke vorgenommen werden, wenn die Werke öffentlich wiedergegeben werden.
Der Begriff der Öffentlichkeit umfasst eine unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten und impliziert eine ziemlich große Zahl von Personen. Dabei ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich daraus ergibt, dass die Werke den potenziellen Adressaten zugänglich gemacht werden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die Zahl der Personen, die neben- und nacheinander Zugang zum selben Werk haben, von Bedeutung. Im vorliegenden Fall können alle Personen, die über einen Internetanschluss verfügen und erklären, Inhaber einer Fernsehempfangslizenz zu sein, im Rahmen des "Livestreaming" über das Internet nebeneinander Zugang zu den geschützten Werken haben. Somit richtet sich die Weiterverbreitung an eine unbestimmte Anzahl potenzieller Adressaten und erfasst eine große Zahl von Personen.
Der Begriff "öffentliche Wiedergabe" i.S.d. Richtlinie 2001/29 ist infolgedessen dahin auszulegen, dass er eine Weiterverbreitung der in eine terrestrische Fernsehsendung integrierten Werke umfasst, die durch eine andere Einrichtung als das ursprüngliche Sendeunternehmen mittels eines Internetstreamings vorgenommen wird, das den Abonnenten dieser Einrichtung zugänglich gemacht wird. Diese können die Weiterverbreitung dadurch empfangen, dass sie sich mit dem Server dieser Einrichtung verbinden, obwohl sich die Abonnenten im Sendegebiet der terrestrischen Fernsehsendung befinden und diese rechtmäßig mittels eines Empfangsgeräts empfangen können. Somit können die Kläger die Weiterverbreitung ihrer Sendungen durch die Beklagte über das Internet gegebenenfalls verbieten.
Linkhinweis:Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.