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Geschäftsführer müssen substantiiert zu etwaigen stillen Reserven oder in der Bilanz nicht abgebildeten Werten vortragen

BGH 19.11.2013, II ZR 229/11

In Fällen, in de­nen ein In­sol­venz­ver­wal­ter durch Vor­lage ei­ner Han­dels­bi­lanz und den Vor­trag, dass keine stil­len Re­ser­ven so­wie aus der Bi­lanz nicht er­sicht­li­chen Vermögens­werte vor­han­den sind, die Über­schul­dung ei­ner GmbH dar­ge­legt, genügt der we­gen Zah­lun­gen nach In­sol­venz­reife in An­spruch ge­nom­mene Ge­schäftsführer sei­ner se­kundären Dar­le­gungs­last nicht, wenn er le­dig­lich von der Han­dels­bi­lanz ab­wei­chende Werte be­haup­tet. Er muss viel­mehr sub­stan­ti­iert zu et­wai­gen stil­len Re­ser­ven oder in der Bi­lanz nicht ab­ge­bil­de­ten Wer­ten vor­tra­gen.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger ist In­sol­venz­ver­wal­ter in dem im März 2009 eröff­ne­ten In­sol­venz­ver­fah­ren über das Vermögen der A-GmbH, die eine Mo­de­bou­ti­que be­trieb. Die Be­klagte war Ge­schäftsführe­rin der GmbH. Die Bi­lanz der GmbH wies seit Ende des Jah­res 2004 bis zur Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens stets einen durch Ei­gen­ka­pi­tal nicht ge­deck­ten Fehl­be­trag aus. Im Au­gust 2005 konnte die GmbH erst­mals ihre Miete nicht be­zah­len. Im Au­gust 2008 la­gen die un­be­zahl­ten Miet­ver­bind­lich­kei­ten bei ca. 30.000 €. Dar­auf­hin kündigte die Ver­mie­te­rin das Miet­verhält­nis.

Der Kläger be­haup­tete, die A-GmbH sei spätes­tens seit Ende 2007 über­schul­det und zah­lungs­unfähig ge­we­sen. Gestützt auf § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. ver­langte er von der Be­klag­ten Er­satz we­gen Zah­lun­gen im Jahr 2008 i.H.v. 91.038 €. Das LG gab der Klage i.H.v. 88.842 € statt; das OLG hob das Ur­teil auf und wies den Rechts­streit zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das LG zurück. Es war der An­sicht, dass die Vor­in­stanz un­zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen sei, dass die Be­klagte der ihr ob­lie­gen­den se­kundären Dar­le­gungs­last nicht genügt habe. Das habe zur Folge, dass der Kläger nun­mehr hätte be­wei­sen müssen, dass keine stil­len Re­ser­ven bei der Schuld­ne­rin vor­han­den ge­we­sen seien. Die­sen Be­weis habe er nicht geführt, da das LG keine Fest­stel­lun­gen zur Höhe des Li­qui­ditätswerts der stil­len Re­ser­ven ge­trof­fen habe.

Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und wies die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück.

Gründe:
Die Vor­aus­set­zun­gen für eine Zurück­ver­wei­sung an das LG la­gen schon des­halb nicht vor, weil das Be­ru­fungs­ge­richt zu Un­recht einen Ver­fah­rens­feh­ler der Vor­in­stanz an­ge­nom­men hatte. Be­wer­tet das Be­ru­fungs­ge­richt - wie hier - das Par­tei­vor­brin­gen ma­te­ri­ell-recht­lich an­ders als das Erst­ge­richt, in­dem es etwa an die Schlüssig­keit oder die Sub­stan­ti­ie­rungs­last an­dere An­for­de­run­gen als das Erst­ge­richt stellt, liegt ein zur Auf­he­bung und Zurück­ver­wei­sung be­rech­ti­gen­der we­sent­li­cher Ver­fah­rens­man­gel des Erst­ge­richts auch dann nicht vor, wenn in­folge der ab­wei­chen­den Be­ur­tei­lung eine Be­weis­auf­nahme er­for­der­lich wird.

Die Zurück­ver­wei­sung durch das Be­ru­fungs­ge­richt litt zu­dem an einem wei­te­ren Man­gel. So fehlte es an ei­ner hin­rei­chen­den Begründung im Be­ru­fungs­ur­teil, wes­halb das OLG die nach sei­ner Auf­fas­sung er­for­der­li­che Be­weis­auf­nahme nicht selbst durch­geführt, son­dern die Sa­che an das LG zurück­ver­wie­sen hatte. Al­lein der Um­stand, dass nach Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts ein Sach­verständi­gen­gut­ach­ten ein­zu­ho­len ist, recht­fer­tigte nicht die An­nahme ei­ner um­fang­rei­chen oder aufwändi­gen Be­weis­auf­nahme.

Letzt­lich recht­fer­tig­ten auch die bis­he­ri­gen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts im Rah­men der Über­schul­dungsprüfung nicht die An­nahme, die Be­klagte sei ih­rer se­kundären Dar­le­gungs­last nach­ge­kom­men. Zwar hatte das OLG im Aus­gangs­punkt rich­tig dar­auf ab­ge­stellt, dass bei der Prüfung, ob eine Über­schul­dung nach § 19 InsO ge­ge­ben ist, ei­ner vom In­sol­venz­ver­wal­ter vor­ge­leg­ten Han­dels­bi­lanz le­dig­lich in­di­zi­elle Be­deu­tung zu­kommt. Doch hat der In­sol­venz­ver­wal­ter durch Vor­lage ei­ner Han­dels­bi­lanz und den Vor­trag, dass keine stil­len Re­ser­ven so­wie aus der Bi­lanz nicht er­sicht­li­chen Vermögens­werte vor­han­den sind, die Über­schul­dung ei­ner GmbH dar­ge­legt, genügt der we­gen Zah­lun­gen nach In­sol­venz­reife in An­spruch ge­nom­mene Ge­schäftsführer sei­ner se­kundären Dar­le­gungs­last nicht, wenn er le­dig­lich von der Han­dels­bi­lanz ab­wei­chende Werte be­haup­tet. Er muss viel­mehr sub­stan­ti­iert zu et­wai­gen stil­len Re­ser­ven oder in der Bi­lanz nicht ab­ge­bil­de­ten Wer­ten vor­tra­gen.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BGH veröff­ent­licht.
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