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Fehlerhafte Angaben zur Methode der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung

BGH v. 28.7.2020 - XI ZR 288/19

Sind die An­ga­ben zur Me­thode der Be­rech­nung der Vorfällig­keits­ent­schädi­gung in einem Ver­brau­cher­dar­le­hens­ver­trag feh­ler­haft, ver­liert der Dar­le­hens­ge­ber den An­spruch auf eine Vorfällig­keits­ent­schädi­gung nach § 502 BGB. Das An­lau­fen der Wi­der­rufs­frist bleibt da­von un­berührt.

Der Sach­ver­halt:
Die Par­teien strei­ten um die Wirk­sam­keit des Wi­der­rufs der auf Ab­schluss ei­nes Ver­brau­cher­dar­le­hens­ver­trags ge­rich­te­ten Wil­lens­erklärung des Klägers. Der Kläger er­warb im März 2016 einen ge­brauch­ten Mer­ce­des zum Kauf­preis von 32.400 €. Zur Fi­nan­zie­rung des über die ge­leis­tete An­zah­lung von 13.400 € hin­aus­ge­hen­den Kauf­preis­teils schlos­sen die Par­teien mit Da­tum vom 10.3.2016 einen Dar­le­hens­ver­trag über 19.000 € mit einem ge­bun­de­nen Soll­zins­satz von 2,95 % p.a. und ei­ner Lauf­zeit von 48 Mo­na­ten. Zins- und Til­gungs­leis­tun­gen soll­ten in 48 Mo­nats­ra­ten zu je­weils 200 € und ei­ner Ab­schluss­rate von 11.200 € er­bracht wer­den. Der neun­sei­tige Dar­le­hens­ver­trag enthält un­ter der Über­schrift "Dar­le­hens­ver­trag" den Zu­satz "Ra­ten­kre­dit mit fes­tem Zins­satz und Zu­satz­ver­ein­ba­rung". Fer­ner heißt es auf Seite 1 des Dar­le­hens­ver­trags un­ter der Über­schrift "Vor­zei­tige Rück­zah­lung des Dar­le­hens":

"Im Falle der vor­zei­ti­gen Dar­le­hensrück­zah­lung kann der Dar­le­hens­ge­ber eine Vorfällig­keits­ent­schädi­gung ver­lan­gen. Die Vorfällig­keits­ent­schädi­gung beträgt 1 Pro­zent bzw., wenn der Zeit­raum zwi­schen der vor­zei­ti­gen und der ver­ein­bar­ten Rück­zah­lung ge­rin­ger als ein Jahr ist, 0,5 Pro­zent des vor­zei­tig zurück­ge­zahl­ten Be­trags. Ist die so er­mit­telte Vorfällig­keits­ent­schädi­gung höher als die Summe der noch aus­ste­hen­den Zin­sen, wird diese Summe als Vorfällig­keits­ent­schädi­gung be­rech­net." Über sein Wi­der­rufs­recht in­for­mierte die Be­klagte den Kläger auf Seite 2 des Dar­le­hens­ver­trags.

Be­stand­teil des Dar­le­hens­ver­trags wa­ren fer­ner die All­ge­mei­nen Dar­le­hens­be­din­gun­gen (Stand 06/2015) der Be­klag­ten, die u.a. fol­gende Klau­seln ent­hiel­ten:

"IX. All­ge­meine Be­stim­mun­gen
5. Wi­der­ruft der Dar­le­hens­neh­mer seine Ver­trags­erklärung in­ner­halb der Wi­der­rufs­frist, so hat er für den Zeit­raum zwi­schen Aus­zah­lung und Rück­zah­lung des Dar­le­hens keine Soll­zin­sen zu ent­rich­ten."

Mit Schrei­ben vom 3.8.2017 erklärte der Kläger den Wi­der­ruf sei­ner auf Ab­schluss des Dar­le­hens­ver­tra­ges ge­rich­te­ten Wil­lens­erklärung. Mit der Klage be­an­tragte der Kläger zu­letzt, die Be­klagte zu ver­ur­tei­len, an ihn die An­zah­lung i.H.v. 13.400 €, die bis zum Wi­der­ruf am 3.8.2017 er­brach­ten Zah­lun­gen i.H.v. 3.400 € und seine wei­te­ren Zah­lun­gen nach Wi­der­ruf i.H.v. 4.000 € je­weils nebst Rechtshängig­keits­zin­sen Zug um Zug ge­gen Her­aus­gabe des fi­nan­zier­ten Fahr­zeugs zurück­zu­zah­len, und fest­zu­stel­len, dass er der Be­klag­ten aus dem streit­ge­genständ­li­chen Dar­le­hens­ver­trag seit dem Wi­der­ruf vom 3.8.2017 keine wei­te­ren ver­trags­gemäßen Zins- und Til­gungs­leis­tun­gen mehr schulde. Die Be­klagte hat im Wege der Hilfs­wi­der­klage be­an­tragt, fest­zu­stel­len, dass der Kläger ver­pflich­tet sei, an sie Wer­ter­satz in Höhe der Dif­fe­renz zwi­schen dem Ver­kehrs­wert des fi­nan­zier­ten Fahr­zeugs zum Zeit­punkt der Überg­abe an den Kläger nach dem Kauf und dem Ver­kehrs­wert des Fahr­zeugs zum Zeit­punkt der Her­aus­gabe an sie im Rah­men der Rück­ab­wick­lung zu zah­len.

LG und OLG wie­sen die Klage ab. Die Re­vi­sion des Klägers hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Der Kläger hat den streit­ge­genständ­li­chen, gem. § 358 Abs. 3 BGB mit einem Kauf­ver­trag über ein Kraft­fahr­zeug ver­bun­de­nen All­ge­mein-Ver­brau­cher­dar­le­hens­ver­trag nicht wirk­sam wi­der­ru­fen.

Das OLG ist zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen, dass dem Kläger bei Ab­schluss des Dar­le­hens­ver­trags gem. § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 BGB ein Wi­der­rufs­recht zu­stand und die Wi­der­rufs­frist nicht zu lau­fen be­gann, be­vor der Kläger die Pflicht­an­ga­ben nach § 492 Abs. 2 BGB er­hal­ten hatte. Zu den Pflicht­an­ga­ben gehört nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB in der hier maßgeb­li­chen, vom 13.6.2014 bis 20.3.2016 gel­ten­den Fas­sung (a.F.) die Er­tei­lung ei­ner ord­nungs­gemäßen Wi­der­rufs­in­for­ma­tion. Dem ist die Be­klagte nach­ge­kom­men. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­sion hat sie ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB a.F. re­sul­tie­rende Ver­pflich­tung, über das nach § 495 Abs. 1 BGB be­ste­hende Wi­der­rufs­recht zu in­for­mie­ren, erfüllt.

In­so­weit kann sich die Be­klagte auf die Ge­setz­lich­keits­fik­tion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB a.F. be­ru­fen, weil die in dem Dar­le­hens­ver­trag in her­vor­ge­ho­be­ner und deut­lich ge­stal­te­ter Form ent­hal­tene Wi­der­rufs­in­for­ma­tion dem Mus­ter in An­lage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EG-BGB a.F. ent­spricht. In den fort­lau­fend pa­gi­nier­ten und dem Kläger zur Verfügung ge­stell­ten Ver­trags­un­ter­la­gen wird er auf Seite 2 deut­lich auf das ihm nach § 495 BGB zu­ste­hende Wi­der­rufs­recht hin­ge­wie­sen. Die Be­klagte hat auch den pro Tag zu zah­len­den Zins­be­trag auf der Grund­lage des Ver­trags­zin­ses mit 1,56 € rech­ne­ri­sch rich­tig an­ge­ge­ben.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­sion hat die Be­klagte auch die er­for­der­li­che Pflicht­an­gabe gem. § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB a.F. über das Recht des Dar­le­hens­neh­mers, das Dar­le­hen vor­zei­tig zurück­zu­zah­len, ord­nungs­gemäß er­teilt. Auf das dem Kläger nach § 500 Abs. 2 BGB a.F. zu­ste­hende Recht zur vor­zei­ti­gen Rück­zah­lung des Dar­le­hens ist er auf Seite 1 des Dar­le­hens­ver­tra­ges klar und verständ­lich hin­ge­wie­sen wor­den. Ein nor­mal in­for­mier­ter, an­ge­mes­sen auf­merk­sa­mer und verständi­ger Ver­brau­cher ver­steht die dor­ti­gen An­ga­ben zur vor­zei­ti­gen Rück­zah­lung des Dar­le­hens da­hin, dass ihm ein sol­ches Recht dem Grunde nach vor­aus­set­zungs­los zu­steht.

Da­ge­gen hat die Be­klagte die nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB a.F. er­for­der­li­chen An­ga­ben zur Be­rech­nungs­me­thode des An­spruchs auf Vorfällig­keits­ent­schädi­gung nicht ord­nungs­gemäß er­teilt. Die­ser Ver­stoß lässt aber das An­lau­fen der 14-tägi­gen Wi­der­rufs­frist nach § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 2, § 356b BGB a.F. un­berührt. Die feh­ler­hafte An­gabe zur Be­rech­nung der Vorfällig­keits­ent­schädi­gung führt je­doch nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB le­dig­lich zum Aus­schluss des An­spruchs auf eine Vorfällig­keits­ent­schädi­gung, ohne das An­lau­fen der 14- tägi­gen Wi­der­rufs­frist nach § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 2, § 356b BGB a.F. zu berühren. In­so­weit hat die Er­tei­lung ei­ner ord­nungs­gemäßen Pflicht­an­gabe nur Be­deu­tung, so­weit der Dar­le­hens­ge­ber be­ab­sich­tigt, den An­spruch auf eine Vorfällig­keits­ent­schädi­gung gel­tend zu ma­chen.

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