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Rechtsberatung

Entwaldungsfreie Lieferketten: Mögliche Verzögerung bei der Risikoeinstufung der Länder durch die EU-Kommission?

Die am 29.06.2023 in Kraft ge­tre­tene EU-Ver­ord­nung für ent­wal­dungs­freie Lie­fer­ket­ten (VO (EU) 2023/1115) (kurz Wald­schutzVO) sieht vor, dass Mit­glied­staa­ten, Drittländer oder Lan­des­teile, in de­nen re­le­vante Roh­stoffe oder re­le­vante Er­zeug­nisse wie z. B. Kaf­fee, Holz oder Soja an­ge­baut oder er­zeugt wer­den, von der EU-Kom­mis­sion in die Ri­si­ko­st­ufe „ho­hes Ri­siko“, „nor­ma­les Ri­siko“ oder „ge­rin­ges Ri­siko“ ein­zu­tei­len sind. Die Ein­tei­lung rich­tet sich da­nach, wie hoch das Ri­siko in den Ländern ist, dass dort Roh­stoffe er­zeugt bzw. aus die­sen Roh­stof­fen Er­zeug­nisse her­ge­stellt wer­den, die nicht ent­wal­dungs­frei sind und da­mit ge­gen die Vor­ga­ben der Wald­schutzVO (Art. 3 Buchst. a)) ver­stoßen.

Von der Ri­si­ko­st­ufe soll insb. der Um­fang der Sorg­falts­pflicht der je­wei­li­gen Markt­teil­neh­mer und Händ­ler abhängen. Die Liste der Länder oder Lan­des­teile, die ein ge­rin­ges oder ho­hes Ri­siko auf­wei­sen, soll mit­tels Durchführungs­rechts­ak­ten gemäß ei­nes Prüfver­fah­rens nach Art. 36 Abs. 2 Wald­schutzVO er­las­sen und bis zum 30.12.2024 veröff­ent­licht wer­den. Be­rich­ten zu­folge könnte sich die Ri­si­ko­ein­stu­fung der Länder oder Lan­des­teile je­doch verzögern.

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Hintergrund der möglichen Verzögerung

Die Verzöge­rung der Ri­si­ko­ein­stu­fung sei vor al­lem auf die Kri­tik von Ent­wick­lungsländern zurück­zuführen, die mit ho­her Wahr­schein­lich­keit als „Hochri­si­ko­land“ im Sinne des Art. 29 Abs. 1 Buchst. a) Wald­schutzVO ein­ge­stuft wer­den soll­ten. Sie befürch­ten, dass Un­ter­neh­men ihre Tätig­keit in den be­trof­fe­nen Ländern auf­grund des schlech­ten Rufs, der mit dem Sta­tus als „Hochri­si­ko­land“ ein­her­geht, ein­stel­len. Sie kri­ti­sie­ren, dass Großpro­du­zen­ten, die über mo­derne Geo­lo­ka­li­sie­rungs­tech­no­lo­gien verfügen, ge­genüber Klein­bau­ern, die Schwie­rig­kei­ten bei der Ein­hal­tung der neuen Re­ge­lun­gen ha­ben, begüns­tigt wer­den.

Of­fen­bar sol­len Un­ter­neh­men, die re­le­vante Roh­stoffe und re­le­vante Er­zeug­nisse in die EU einführen, ihre Einkäufe bei Klein­bau­ern in Ent­wick­lungsländern be­reits re­du­ziert ha­ben. Dies hänge vor al­lem mit den Schwie­rig­kei­ten bei der Er­brin­gung ent­spre­chen­der Nach­weise, dass die re­le­van­ten Roh­stoffe und re­le­van­ten Er­zeug­nisse ent­wal­dungs­frei sind, zu­sam­men.

Auswirkungen einer verzögerten Einstufung

Eine Verzöge­rung der Ri­si­ko­ein­stu­fung hätte zur Folge, dass alle Länder und Lan­des­teile gleich­ge­stellt wer­den. Diese Gleich­stel­lung be­zieht sich zunächst auf den Um­fang der Sorg­falts­pflicht; alle re­le­van­ten Roh­stoffe und re­le­van­ten Er­zeug­nisse müssen un­abhängig vom Her­kunfts­land ei­ner um­fas­sen­den Sorg­falts­pflichtprüfung durch die Markt­teil­neh­mer und Händ­ler un­ter­zo­gen wer­den, so­dass vor al­lem die ver­ein­fachte Sorg­falts­pflicht gemäß Art. 13 Wald­schutzVO bezüglich der re­le­van­ten Roh­stoffe und re­le­van­ten Er­zeug­nisse, die aus Ländern oder Lan­des­tei­len mit ge­rin­gem Ri­siko stam­men, entfällt.

Ne­ben dem Um­fang der Sorg­falts­pflicht wirkt sich die Verzöge­rung der Ri­si­ko­ein­stu­fung und die da­mit ein­her­ge­hende Gleich­stel­lung der Länder und Lan­des­teile auch auf die Durch­set­zung der Re­ge­lun­gen der Wald­schutzVO aus. Die In­ten­sität der Durch­set­zungsmaßnah­men der Wald­schutzVO rich­tet sich nach der Ri­si­ko­ein­tei­lung der Länder oder Lan­des­teile. Je höher das Ri­siko der Ent­wal­dung in dem Land ist, desto höher ist der Pro­zent­satz der Markt­teil­neh­mer und Händ­ler, die von den zuständi­gen na­tio­na­len Behörden jähr­lich kon­trol­liert wer­den sol­len.

Die Gleich­stel­lung würde zu einem ein­heit­li­chen Schwel­len­wert von 3 % der jähr­lich statt­fin­den­den Kon­trol­len der Markt­teil­neh­mer und Händ­ler führen. Zwar würden sich die Kon­trol­len der Markt­teil­neh­mer und Händ­ler, die re­le­vante Roh­stoffe oder re­le­vante Er­zeug­nisse aus Ländern oder Lan­des­tei­len ein- oder ausführen, für die ein ho­hes Ri­siko fest­ge­stellt wor­den ist, an­statt der nach Art. 16 Abs. 9 Wald­schutzVO ge­for­der­ten 9 % auf le­dig­lich 3 % der Kon­trol­len re­du­zie­ren. Dies würde für die Länder, de­nen wahr­schein­lich ein ho­hes Ri­siko zu­ge­wie­sen wer­den sollte, ei­ner­seits eine ge­wisse Er­leich­te­rung be­deu­ten.

An­de­rer­seits würde sich die nied­rige Kon­troll­schwelle von 1 % gemäß Art. 16 Abs. 10 Wald­schutzVO, die für Markt­teil­neh­mer und Händ­ler gilt, die re­le­vante Roh­stoffe und re­le­vante Er­zeug­nisse aus Ländern oder Lan­des­tei­len mit ge­rin­gem Ri­siko ein- oder ausführen wol­len, auf 3 % erhöhen.

Bewertung der möglichen Verzögerung

Viele Länder begrüßen die Verzöge­rung der Ri­si­ko­be­wer­tung, weil sie sich da­von mehr Zeit zur Vor­be­rei­tung und zur Durchführung der neuen Re­ge­lun­gen der Wald­schutzVO er­hof­fen. Fest­zu­hal­ten ist aber, dass sich die Si­tua­tion der Er­zeu­ger in den ent­spre­chen­den Ländern und die Ver­pflich­tun­gen der Markt­teil­neh­mer und Händ­ler aus der Wald­schutzVO durch die Ver­schie­bung der Frist nicht verändern wird; das Be­reit­stel­len oder die Ein­fuhr von re­le­van­ten Roh­stof­fen oder re­le­van­ten Er­zeug­nis­sen auf den EU-Markt, de­ren Er­zeu­ger keine An­ga­ben zur geo­gra­fi­schen Lage ih­rer Grundstücke ma­chen können, wird wei­ter­hin nicht möglich sein.

Auch ohne die Ein­stu­fung sind die Markt­teil­neh­mer und Händ­ler da­her an­ge­hal­ten, die er­for­der­li­chen Da­ten und In­for­ma­tio­nen von Er­zeu­gern zur Ein­hal­tung ih­rer Sorg­falts­pflicht an­zu­for­dern. Die grund­le­gen­den An­for­de­run­gen be­ste­hen wei­ter­hin, so­dass sich Un­ter­neh­men, so­wie Markt­teil­neh­mer und Händ­ler auf die kom­men­den Ände­run­gen vor­be­rei­ten soll­ten.

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