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BGH: Keine Berücksichtigung gesetzlich vermuteten Verschuldens bei der Prüfung eines Mitverschuldens - Scheunenbrand

Urteil des BGH vom 20.3.2012 - VI ZR 3/11

Ein Ver­schul­den, das nur ge­setz­lich ver­mu­tet wird (hier: § 832 BGB), darf bei der Prüfung ei­nes Mit­ver­schul­dens gem. § 254 Abs. 1 BGB nicht berück­sich­tigt wer­den. Grundsätz­lich müssen Kin­der im Al­ter von sie­ben oder acht Jah­ren nur dann in die­ser Weise auf den Be­sitz von Streichhölzern oder Feu­er­zeu­gen kon­trol­liert wer­den, wenn dazu ein be­son­de­rer An­lass be­steht, wenn etwa beim Kind schon ein­mal Streichhölzer ge­fun­den wurde oder das Kind eine be­son­dere Nei­gung zum Zündeln hat.

Der Sach­ver­halt:
Der Be­klagte ist der Sohn des Ehe­manns der Kläge­rin aus des­sen ge­schie­de­ner Ehe. Der Spröss­ling hatte im April 2003 während ei­nes Auf­ent­halts auf dem Bau­ern­hof der Kläge­rin nach dem Mit­tag­es­sen un­be­auf­sich­tigt mit de­ren Sohn aus ers­ter Ehe in ei­ner Halle, die sich im Mit­ei­gen­tum der Kläge­rin und ih­res Ehe­manns be­fand, ge­spielt. Die La­ger- und Scheu­nen­halle, in der Stroh ein­ge­la­gert war und sich Pfer­de­bo­xen be­fan­den, ge­riet dar­auf­hin in Brand und wurde vollständig zerstört. Der Be­klagte war zur Tat­zeit knapp zehn Jahre alt. Der Sohn der Kläge­rin zwei­ein­halb Jahre jünger.

Nach­dem die Klage ge­gen die Mut­ter des Be­klag­ten rechtskräftig ab­ge­wie­sen wor­den war, ver­langte die Kläge­rin von dem Be­klag­ten rund 736.930 € Scha­dens­er­satz. LG und OLG ga­ben der Klage statt. Auch die Re­vi­sion des Be­klag­ten vor dem BGH blieb er­folg­los.

Die Gründe:
Ent­ge­gen der An­sicht der Re­vi­sion mus­ste die Kläge­rin sich auf den Scha­dens­er­satz­an­spruch nicht gem. § 254 Abs. 1 BGB eine ei­gene Auf­sichts­pflicht­ver­let­zung oder eine sol­che ih­res Ehe­manns als Mit­ver­schul­den an­rech­nen las­sen.

Zwar soll eine Ver­schul­dens­ver­mu­tung nach ei­ner im Schrift­tum ver­tre­te­nen Auf­fas­sung auch im Rah­men des § 254 BGB An­wen­dung fin­den. Nach der ständi­gen BGH-Recht­spre­chung können bei der Scha­dens­abwägung nach § 254 BGB in­des nur sol­che Umstände ver­wer­tet wer­den, von de­nen fest­steht, dass sie ein­ge­tre­ten und für die Ent­ste­hung des Scha­dens ursäch­lich ge­wor­den sind. Ein Ver­schul­den, das nur ge­setz­lich ver­mu­tet wird, darf da­her nicht berück­sich­tigt wer­den. Wird ein Ver­schul­den nur ver­mu­tet, so fehlt je­der An­halt für das Maß die­ses Ver­schul­dens, das von der leich­tes­ten Fahrlässig­keit bis zur gröbs­ten Sorg­falts­pflicht­ver­let­zung rei­chen kann. In­fol­ge­des­sen sind Ver­schul­dens­ver­mu­tun­gen nur für den Haf­tungs­grund re­le­vant, und daran wird fest­ge­hal­ten.

Das Be­ru­fungs­ge­richt hatte das Be­wei­ser­geb­nis auch aus­ge­schöpft. Für die Haf­tung nach § 832 BGB kommt es stets dar­auf an, ob der Auf­sichts­pflicht nach den be­son­de­ren Ge­ge­ben­hei­ten des kon­kre­ten Fal­les genügt wurde. Da­nach sind zwar so­wohl hin­sicht­lich der Be­leh­rung über die Ge­fah­ren des Feu­ers als auch der Über­wa­chung ei­nes mögli­chen Um­gangs mit Zünd­mit­teln strenge An­for­de­run­gen zu stel­len. Dies gilt ins­be­son­dere in länd­li­chen Ge­bie­ten - wie hier. Der Se­nat hat mehr­fach ent­schie­den, dass El­tern ihre sie­ben bis acht Jahre al­ten Kin­der ein­dring­lich über die Gefähr­lich­keit des Spiels mit dem Feuer be­leh­ren und dar­auf ach­ten müssen, dass diese nicht un­er­laubt in den Be­sitz von Zünd­mit­teln ge­lan­gen. Hierzu gehört auch, die Kin­der da­vor zu war­nen, an­de­ren Kin­dern bei dem Ent­fa­chen und dem Un­ter­hal­ten ei­nes Feu­ers in ir­gend­ei­ner Weise zu hel­fen oder sie dazu an­zu­stif­ten.

Eine tägli­che Kon­trolle der Ta­schen des Kin­des ist von den Auf­sichts­pflich­ti­gen al­ler­dings im Re­gel­fall nicht zu ver­lan­gen. Grundsätz­lich müssen Kin­der im Al­ter von sie­ben oder acht Jah­ren nur dann in die­ser Weise auf den Be­sitz von Streichhölzern oder Feu­er­zeu­gen kon­trol­liert wer­den, wenn dazu ein be­son­de­rer An­lass be­steht, wenn etwa beim Kind schon ein­mal Streichhölzer ge­fun­den wurde oder das Kind eine be­son­dere Nei­gung zum Zündeln hat. All dies lag hier je­doch nicht vor. Auch, wenn es in der Ver­gan­gen­heit zu einem ein- oder zwei­ma­li­gen Spie­len der Kin­der mit bren­nen­den Ker­zen ge­kom­men sein sollte, bei dem diese mit den Fin­gern an das wei­che Ker­zen­wachs ge­fasst hat­ten, mus­ste das Be­ru­fungs­ge­richt dar­aus nicht be­reits eine be­son­dere Zündel­nei­gung ab­lei­ten.

Link­hin­weise:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BGH veröff­ent­licht.
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