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Steuerberatung

Abgrenzung von beteiligungs- und obligationsähnlichen Genussrechten

BFH v. 14.8.2019 - I R 44/17

Ge­nuss­rechte führen nur dann zu Bezügen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn der Ge­nuss­rechts­in­ha­ber ku­mu­la­tiv so­wohl am Ge­winn als auch am Li­qui­da­ti­ons­erlös be­tei­ligt ist (sog. be­tei­li­gungsähn­li­che Ge­nuss­rechte). Für die Be­tei­li­gung am Li­qui­da­ti­ons­erlös ist auf das Ab­wick­lungs­end­vermögen i.S.d. § 11 KStG, d.h. auf die Be­tei­li­gung an einem et­wai­gen Li­qui­da­ti­ons(mehr)erlös und die da­mit ver­bun­dene Be­tei­li­gung des Ge­nuss­rechts­in­ha­bers an den stil­len Re­ser­ven ab­zu­stel­len, nicht hin­ge­gen auf die Ge­winn­abhängig­keit der Ge­nuss­rechts­aus­schüttun­gen, die Stel­lung ei­nes Al­lein­ge­sell­schaf­ters, die lange Lauf­zeit des Ge­nuss­rechts oder auf ein Wand­lungs­recht des Ge­nuss­rechts­in­ha­bers zum Er­werb von Ge­sell­schafts­an­tei­len, selbst wenn des­sen Ausübung wahr­schein­lich ist.

Der Sach­ver­halt:
Die in Deutsch­land ansässige Kläge­rin, die im Streit­jahr 2005 die Rechts­form ei­ner AG hatte, war zu je­weils 100 % an der X-C, Großbri­tan­nien und der X-A, Ka­nada be­tei­ligt. Die X-A hielt ih­rer­seits 100 % der An­teile an der im De­zem­ber 2003 gegründe­ten X-D, Ka­nada.

Darüber hin­aus war die Kläge­rin al­lei­nige Ge­sell­schaf­te­rin der X-F GmbH, die ih­rer­seits 100 % der An­teile der 2005 gegründe­ten X-H GmbH hielt. Die wirt­schaft­li­che Tätig­keit der X-H GmbH be­stand im Hal­ten von An­tei­len auf ei­gene Rech­nung und Ge­fahr. Ihr Ge­schäftsführer war der Fi­nanz­vor­stand der Kläge­rin. Zwi­schen der Kläge­rin und der X-F GmbH so­wie zwi­schen der X-F GmbH und der X-H GmbH be­stand auf Grund­lage ent­spre­chen­der Er­geb­nis­abführungs­verträge eine körper­schaft- und ge­wer­be­steu­er­recht­li­che Or­gan­schaft. Wei­ter­hin war die Kläge­rin al­lei­nige Ge­sell­schaf­te­rin der X-I, USA, die ih­rer­seits zunächst 100 % der An­teile an der X-B, USA hielt.

Mit dem Fi­nanz­amt stritt die Kläge­rin darüber, ob sie im Streit­jahr aus den kon­zern­in­ter­nen Fi­nan­zie­rungs­struk­tu­ren steu­er­freie Bezüge i.S.d. § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG oder steu­er­pflich­tige Zin­sen er­zielt hat. Da­bei wurde die Frage auf­ge­wor­fen, ob die Länge ei­ner Ge­nuss­rechts­lauf­zeit - ent­ge­gen der Ver­wal­tungs­auf­fas­sung - kein ge­eig­ne­tes Kri­te­rium ist, um zwi­schen Einkünf­ten nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 und § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu un­ter­schei­den. Strei­tig war fer­ner, ob die Zwi­schen­schal­tung ei­ner Ka­pi­tal­ge­sell­schaft zur Ver­mei­dung von Sale-and-buy-back-Ge­schäften missbräuch­lich i.S.v. § 42 AO sein kann.

Das FG hat ent­schie­den, dass hin­sicht­lich der Ge­nuss­rechte die für § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG er­for­der­li­che Be­tei­li­gung am Li­qui­da­ti­ons­erlös fehle. Zwar sei das wirt­schaft­li­che Ei­gen­tum an den An­tei­len gem. § 20 Abs. 2a EStG i. V. mit § 39 AO auf die GmbH über­ge­gan­gen. We­gen ei­nes Miss­brauchs von Ge­stal­tungsmöglich­kei­ten gem. § 42 AO sei aber von steu­er­pflich­ti­gen Zin­sen aus­zu­ge­hen. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hat der BFH das Ur­teil auf­ge­ho­ben und die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das FG zurück­ver­wie­sen.

Gründe:
Die Ent­schei­dung der Vor­in­stanz lei­det an einem Ver­fah­rens­feh­ler, da das FG aus­schließlich über Be­scheide ent­schie­den hatte, die zum Zeit­punkt der Vor­ent­schei­dung durch den Er­lass neuer Ände­rungs­be­scheide über­holt und nicht mehr exis­tent wa­ren.

Der Be­griff der "Ge­nuss­rechte" ist we­der in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG noch in ei­ner an­de­ren - steu­er­recht­li­chen oder zi­vil­recht­li­chen - Vor­schrift de­fi­niert. Zi­vil­recht­lich han­delt es sich nicht um ge­sell­schafts­recht­lich geprägte Mit­glied­schafts­rechte, son­dern um schuld­recht­li­che An­sprüche, die so aus­ge­stal­tet sein können, dass sie dem Ge­nuss­rechts­in­ha­ber hin­sicht­lich der vermögens­recht­li­chen Rechte und Pflich­ten eine ge­sell­schaf­terähn­li­che Rechts­stel­lung einräumen; Mit­ver­wal­tungs­rechte (z.B. Stimm­rechte) wer­den da­ge­gen nicht ver­mit­telt.

Nach sei­nem kla­ren Wort­laut er­fasst § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG - ebenso wie § 8 Abs. 3 Satz 2 Va­ri­ante 2 KStG - nur die­je­ni­gen Ge­nuss­rechte, bei de­nen der Ge­nuss­rechts­in­ha­ber so­wohl am Ge­winn als auch am Li­qui­da­ti­ons­erlös be­tei­ligt ist. Nur wenn beide Vor­aus­set­zun­gen ku­mu­la­tiv erfüllt sind, ver­mit­teln die Ge­nuss­rechte aus steu­er­recht­li­cher Sicht eine ge­sell­schaf­terähn­li­che Rechts­stel­lung, die zu Einkünf­ten i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führt. Fehlt eine der bei­den Vor­aus­set­zun­gen, lie­gen da­ge­gen keine be­tei­li­gungsähn­li­chen, son­dern ob­li­ga­ti­onsähn­li­che Ge­nuss­rechte vor, aus de­nen Einkünfte i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG er­zielt wer­den. Ge­nuss­rechte i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG können im Übri­gen auch an Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten be­ste­hen, die nach ausländi­schem Recht er­rich­tet wor­den sind.

Im vor­lie­gen­den Fall fehlte eine Be­tei­li­gung der Kläge­rin am Li­qui­da­ti­ons­erlös. Hierfür wa­ren we­der die ge­winn­abhängi­gen Ge­nuss­rechts­aus­schüttun­gen noch die Stel­lung der Steu­er­pflich­ti­gen als Al­lein­ge­sell­schaf­te­rin, die lange Lauf­zeit der Ge­nuss­rechte oder das un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen ver­ein­barte Wand­lungs­recht aus­rei­chend. Für die Ab­gren­zung be­tei­li­gungsähn­li­cher Ge­nuss­rechte sind wei­ter­hin die vom der Recht­spre­chung ent­wi­ckel­ten Grundsätze von Be­deu­tung, wel­che die Grund­lage für die erst­ma­lige Ko­di­fi­zie­rung in § 7 Satz 2 KStG 1934 bil­de­ten, der Vorgänger­re­ge­lung zu § 8 Abs. 3 Satz 2 Va­ri­ante 2 KStG. Da­bei ist für die An­nahme be­tei­li­gungsähn­li­cher Ge­nuss­rechte vor al­lem dar­auf ab­zu­stel­len, dass das Ge­nuss­recht die Ka­pi­tal­ge­sell­schaft etwa in glei­cher Weise be­las­tet wie die Be­tei­li­gung ei­nes Ge­sell­schaf­ters.

Das FG hatte zu­tref­fend er­kannt, dass al­lein die ge­winn­abhängige Vergütung nicht zu ei­ner Be­tei­li­gung der Steu­er­pflich­ti­gen am Li­qui­da­ti­ons­erlös i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führt. Dass die Kläge­rin durch die ge­winn­abhängige Vergütung an den im lau­fen­den Ge­schäfts­ver­kehr auf­ge­deck­ten stil­len Re­ser­ven be­tei­ligt ist, reicht nach dem ein­deu­ti­gen Wort­laut des Ge­set­zes ge­rade nicht aus, um ein Ge­nuss­recht mit Be­tei­li­gungs­cha­rak­ter an­zu­neh­men. Viel­mehr ist zusätz­lich die Be­tei­li­gung am Li­qui­da­ti­ons(mehr)erlös er­for­der­lich. Im Streit­fall war hin­ge­gen nach der Ge­nuss­rechts­ver­ein­ba­rung nur eine Rück­zah­lung des Ge­nuss­rechts­ka­pi­tals zum Nenn­be­trag vor­ge­se­hen. Dies gilt so­wohl für den Fall ei­ner Li­qui­da­tion als auch für je­den an­de­ren Fällig­keits­zeit­punkt.

Darüber hin­aus hatte das FG zu Recht er­kannt, dass auch die Stel­lung der Kläge­rin als Al­lein­ge­sell­schaf­te­rin nicht für eine Be­tei­li­gung am Li­qui­da­ti­ons­erlös i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus­reicht. Zwar trifft es zu, dass dem Al­lein­ge­sell­schaf­ter oh­ne­hin sämt­li­che stille Re­ser­ven sei­ner Ge­sell­schaft zu­ste­hen. Für die Qua­li­fi­zie­rung der Ge­nuss­rechte kommt es aber dar­auf an, ob sich die Be­tei­li­gung an den stil­len Re­ser­ven aus den Ge­nuss­rechts­ver­ein­ba­run­gen er­gibt. Dies zeigt be­reits der Wort­laut des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, der von Ge­nuss­rech­ten spricht, "mit de­nen" be­stimmte Rechte "ver­bun­den" sind. Daran wird deut­lich, dass sich diese Rechte aus den Ge­nuss­rech­ten selbst er­ge­ben müssen.

Auch lag in dem ver­ein­bar­ten Wand­lungs­recht keine aus­rei­chende Be­tei­li­gung an den stil­len Re­ser­ven, und zwar un­abhängig da­von, ob die Zahl der auf­grund des Wand­lungs­rechts zu lie­fern­den An­teile so be­mes­sen ist, dass ihr er­war­te­ter Wert zum Zeit­punkt der (ge­ge­be­nen­falls auch vor­zei­ti­gen) Fällig­keit über dem Nenn­be­trag des Ge­nuss­rechts­ka­pi­tals liegt. Aus Sicht der Ge­sell­schaft, die eine Wan­del­schuld­ver­schrei­bung aus­ge­ge­ben hat, ändert sich die steu­er­recht­li­che Qua­li­fi­zie­rung in Fremd- oder Ei­gen­ka­pi­tal erst mit der Ausübung des Wand­lungs­rechts. Dies ist auf Ge­nuss­rechte mit Wand­lungs­recht zu über­tra­gen und gilt we­gen der kor­re­spon­die­ren­den Re­ge­lun­gen in § 8 Abs. 3 Satz 2 Va­ri­ante 2 KStG und § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG auch für die Ab­gren­zung der Einkünfte des Ge­nuss­rechts­in­ha­bers nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 7 EStG.

Nach dem DBA - Ka­nada steht Deutsch­land auch das Be­steue­rungs­recht an den nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steu­er­pflich­ti­gen Ge­nuss­rechts­aus­schüttun­gen aus ob­li­ga­ti­onsähn­li­chen Ge­nuss­rech­ten zu. Dies er­gibt sich aus der Re­ge­lung für Zin­sen in Art. 11 Abs. 1 DBA- Ka­nada.

Hin­sicht­lich der er­ziel­ten Vor­zugs­di­vi­den­den hatte das FG da­ge­gen rechts­feh­ler­haft steu­er­freie Bezüge gemäß § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG i. V. mit § 8b Abs. 1 und 5 KStG so­wie § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ab­ge­lehnt. Die An­nahme steu­er­freier Bezüge i.S. des § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG hängt da­von ab, wem die Vor­zugs­di­vi­den­den steu­er­recht­lich zu­zu­rech­nen sind. Maßgeb­lich ist § 39 AO. Geht es - wie im Streit­fall - um den Ver­kauf von An­tei­len an ei­ner Ka­pi­tal­ge­sell­schaft, liegt wirt­schaft­li­ches Ei­gen­tum des Käufers der An­teile vor, wenn die­ser auf­grund ei­nes Rechts­ge­schäfts eine recht­lich ge­schützte, auf den Er­werb des Rechts ge­rich­tete Po­si­tion er­wor­ben hat, die ihm ge­gen sei­nen Wil­len nicht mehr ent­zo­gen wer­den kann, und darüber hin­aus die mit dem An­teil ver­bun­de­nen we­sent­li­chen Rechte so­wie das Ri­siko ei­ner Wert­min­de­rung und die Chance ei­ner Wert­stei­ge­rung auf ihn über­ge­gan­gen sind.

Auch der Würdi­gung des FG, die Zwi­schen­schal­tung der X-H GmbH sei ein Miss­brauch von Ge­stal­tungsmöglich­kei­ten gemäß § 42 AO mit der Folge, dass die Vor­zugs­di­vi­den­den trotz Überg­angs des wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tums der Class-B Sha­res als steu­er­pflich­tige Zin­sen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG an­zu­se­hen seien, war nicht zu fol­gen. Im Streit­fall fehlte es zu­dem an ei­ner für § 42 AO re­le­van­ten Steu­er­min­de­rung. Die Steu­er­frei­heit für Bezüge i.S. des § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG kommt hierfür zwar grundsätz­lich in Be­tracht. In­ner­halb ei­nes Ka­pi­tal­ge­sell­schafts­kon­zerns ist sie aber die ge­setz­lich vor­ge­se­hene Folge der Ei­gen­ka­pi­tal­fi­nan­zie­rung. Dass mit Hilfe ei­ner "hy­bri­den" Fi­nan­zie­rungs­struk­tur, die von den ame­ri­ka­ni­schen Steu­er­behörden als Fremd­ka­pi­tal an­er­kannt wird, zusätz­lich der Zins­ab­zug auf Ebene der ame­ri­ka­ni­schen Kon­zern­ge­sell­schaf­ten bei­be­hal­ten wurde, führt zu kei­nem an­de­ren Er­geb­nis. Die Er­zie­lung von Steu­er­vor­tei­len im Aus­land ist keine für § 42 AO re­le­vante Steu­er­min­de­rung.

Der dop­pelte steu­er­li­che Vor­teil, der durch die Steu­er­frei­stel­lung für Di­vi­den­den im In­land und dem gleich­zei­ti­gen Zins­ab­zug im Aus­land ein­tritt, ist keine Frage des Miss­brauchs, son­dern der un­ter­schied­li­chen Qua­li­fi­ka­tion von Be­steue­rungs­tat­beständen durch sou­veräne Staa­ten. Aus der späte­ren Einführung des § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG n.F., der sol­che Struk­tu­ren und da­mit den An­fall sog. "weißer Einkünfte" ver­hin­dern soll, kann gleich­falls nicht auf die Erfüllung des all­ge­mei­nen Miss­brauch­stat­be­stands in vor­her­ge­hen­den Ver­an­la­gungs­zeiträumen ge­schlos­sen wer­den. Die Steu­er­frei­stel­lung der Di­vi­den­den gemäß § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG i.V.m. § 8b Abs. 1 und 5 KStG so­wie § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gilt über § 7 Satz 1 GewStG auch für die Er­mitt­lung des Ge­wer­be­er­trags. Eine Hin­zu­rech­nung gemäß § 8 Nr. 5 GewStG schei­det aus. Ge­wer­be­steu­er­recht­lich lebt das ab­kom­mens­recht­li­che Schach­tel­pri­vi­leg auf, im Streit­fall mit­hin Art. 10 Abs. 1 i.V.m. Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 3 DBA-USA, des­sen Vor­aus­set­zun­gen erfüllt wa­ren.

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