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Zustandekommen des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts bei privaten Veräußerungsgeschäften

BFH 8.4.2014, IX R 18/13

In Fällen, in de­nen sich aus den tatsäch­li­chen Umständen des Ein­zel­falls er­gibt, dass sich die Par­teien ohne Berück­sich­ti­gung der Schrift­form wirk­sam bin­den woll­ten, ist § 154 Abs. 2 BGB nicht an­wend­bar. Hat das FG sämt­li­che Tat­sa­chen fest­ge­stellt und spre­chen die Fest­stel­lun­gen nach den Denk­ge­set­zen und den all­ge­mei­nen Er­fah­rungssätzen für eine be­stimmte Schluss­fol­ge­rung, kann der BFH die Tat­sa­chen aus­nahms­weise selbst würdi­gen.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger war seit Ende Juli 1998 mit 4 % an der X-AG be­tei­ligt. Im Ja­nuar 1999 be­schloss diese eine Erhöhung des Grund­ka­pi­tals um 1,5 Mio. DM durch Aus­gabe neuer Na­mens­ak­tien, die al­lein der Kläger über­nahm. Die An­schaf­fungs­kos­ten ent­spra­chen da­bei dem Nenn­wert der neuen Ak­tien. In sei­ner Ein­kom­men­steu­er­erklärung für 2000 gab der Kläger an, er habe seine 302.000 Ak­tien der X-AG mit Ver­trag vom 10.3.2000 für 105.700 DM an die A-GmbH veräußert und dar­aus einen Ver­lust gem. § 17 EStG i.H.v. 1,4 Mio. DM er­zielt.

Eine Kon­zern­be­triebsprüfung bei der X-AG und ein ge­gen den Kläger durch­geführ­tes straf­recht­li­ches Er­mitt­lungs­ver­fah­ren führ­ten im Zu­sam­men­hang mit dem Ak­ti­en­ver­kauf zu den Fest­stel­lun­gen, dass der Kläger ur­sprüng­lich einen auf den 28.12.1999 da­tier­ten schrift­li­chen Kauf­ver­trag über die Ak­tien ent­wor­fen hatte, wo­nach der Er­werb zum 30.12.1999 durch­geführt wer­den sollte. Der Ent­wurf war zwar nicht vom Kläger un­ter­zeich­net wor­den, den­noch ging am 28.12.1999 eine Zah­lung der A-GmbH über 100.000 DM an den Kläger ein. Außer­dem un­ter­zeich­nete der Ge­schäftsführer der A-GmbH (M.) den Kauf­ver­trag für diese ohne Da­tums­an­gabe. Im Ak­ti­en­buch der X-AG trug er (als de­ren Vor­stand) den Überg­ang der Ak­tien zum 30.12.1999 ein.

Auf­grund der Er­mitt­lungs­er­geb­nisse nahm der Prüfer an, der Ak­ti­en­kauf­ver­trag sei be­reits am 28.12.1999 zu­stande ge­kom­men. Der M. habe im Sep­tem­ber 2000 be­merkt, dass der Ver­lust dann nicht un­ter § 17 EStG fiele und nicht ver­re­chen­bar wäre. Da­nach hätten er und der Kläger ver­sucht, die Ak­ten so zu verändern, als sei der Ver­trag erst nach Ab­lauf der Spe­ku­la­ti­ons­frist zu­stande ge­kom­men. Das Fi­nanz­amt schloss sich die­ser Ein­schätzung an und änderte den Ein­kom­men­steu­er­be­scheid des Klägers für 2000. An­statt des ur­sprüng­lich im Ver­an­la­gungs­zeit­raum 2000 berück­sich­tig­ten Ver­lus­tes nach § 17 EStG setzte es für 1999 einen Ver­lust nach § 23 EStG an, der nur be­schränkt ver­re­chen­bar war.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Die Re­vi­sion des Klägers vor dem BFH blieb er­folg­los.

Die Gründe:
Das FG ging im Er­geb­nis zu Recht von der Erfüllung des Veräußerungs­tat­be­stan­des im Jahr 1999 aus, da in die­sem Jahr der schuld­recht­li­che Über­tra­gungs­ver­trag rechts­wirk­sam zu­stande ge­kom­men war.

Für die Be­rech­nung der Veräußerungs­fris­ten in § 23 EStG kommt es auf den wirk­sa­men Ab­schluss der schuld­recht­li­chen Ver­pflich­tungs­ge­schäfte an. Diese Recht­spre­chung trägt dem Grund­ge­dan­ken Rech­nung, der der Be­steue­rung der pri­va­ten Veräußerungs­ge­schäfte zu­grunde liegt, dass der Steu­er­pflich­tige sich Wert­erhöhun­gen von Wirt­schaftsgütern in­ner­halb ei­ner be­stimm­ten Frist wirt­schaft­lich zu­geführt hat. Das ist aber be­reits mit dem Ab­schluss des schuld­recht­li­chen Ver­pflich­tungs­ge­schäfts ge­sche­hen. Von die­sen Grundsätzen war auch das FG aus­ge­gan­gen.

So­weit der Kläger sinn­gemäß gerügt hatte, das FG habe § 154 Abs. 2 BGB über­se­hen und des­halb zu Un­recht an­ge­nom­men, der Ver­trag über die Veräußerung der Ak­tien sei schon 1999 zu­stande ge­kom­men, ver­half dies der Re­vi­sion nicht zum Er­folg. Zwar sieht die ge­setz­li­che Aus­le­gungs­re­gel vor, dass ein schrift­li­cher Ver­trags­ent­wurf, den nur eine Seite un­ter­schrie­ben hat, im Zwei­fel noch nicht zu­stande ge­kom­men ist. Dies hatte das FG of­fen­sicht­lich nicht be­ach­tet. An seine ge­gen­tei­lige Würdi­gung der Umstände des Ein­zel­falls war der BFH des­halb nicht ge­bun­den.

Zwar ist der BFH grundsätz­lich daran ge­hin­dert, die fest­ge­stell­ten Tat­sa­chen selbst zu würdi­gen. Eine Aus­nahme gilt je­doch dann, wenn das FG alle für die Tat­sa­chenwürdi­gung er­for­der­li­chen Tat­sa­chen fest­ge­stellt hat und diese Fest­stel­lun­gen nach den Denk­ge­set­zen und all­ge­mei­nen Er­fah­rungssätzen für eine be­stimmte Schluss­fol­ge­rung spre­chen, die das FG nicht ge­zo­gen hat. Das war hier der Fall. So spra­chen die vom FG um­fas­send fest­ge­stell­ten Umstände dafür, dass die Ver­trags­par­teien sich be­reits im De­zem­ber 1999 ohne Be­ach­tung der Schrift­form endgültig bin­den woll­ten.

So hat der M. un­mit­tel­bar nach sei­ner Un­ter­schrift da­mit be­gon­nen, den Ver­trag zu voll­zie­hen, in­dem er die Be­zah­lung des Kauf­prei­ses und die Um­schrei­bung der Ak­tien im Ak­ti­en­buch der X-AG ver­an­lasst hatte. Dar­aus er­gab sich, dass er - aus der in­so­weit maßgeb­li­chen Empfänger­sicht - das An­ge­bot des Klägers als bin­dend an­ge­se­hen hatte. An­sons­ten hätte er die Zah­lung zurück­hal­ten müssen. Außer­dem hat der Kläger den Ver­trag trotz sei­ner feh­len­den Un­ter­schrift eben­falls als ver­bind­lich an­ge­se­hen. Dafür sprach, dass er die Zah­lung der Er­wer­be­rin wi­der­spruchs­los ent­ge­gen­ge­nom­men hatte. Wäre der Kläger da­von aus­ge­gan­gen, dass der Ver­trag nicht wirk­sam zu­stande ge­kom­men war, hätte es genügt, sich dar­auf zu be­ru­fen.

Link­hin­weis:

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