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Unternehmereigenschaft im kommunalen Bereich

BFH 15.12.2016, V R 44/15

Eine ju­ris­ti­sche Per­son des öff­ent­li­chen Rechts ist nur dann Un­ter­neh­mer, wenn sie eine wirt­schaft­li­che Tätig­keit im Sinne ei­ner nach­hal­ti­gen Tätig­keit zur Er­zie­lung von Ein­nah­men gemäß § 2 Abs. 1 UStG ausübt, die sich in­ner­halb ih­rer Ge­samt­betäti­gung her­aus­hebt. Fehlt es hieran, kann sie nicht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG Or­ganträger sein.

Der Sach­ver­halt:
Die kla­gende Ge­meinde ist Al­lein­ge­sell­schaf­te­rin der K-GmbH, die ih­rer­seits Al­lein­ge­sell­schaf­te­rin der A-GmbH ist. Die Kläge­rin er­rich­tete im Zeit­raum 2001 bis 2008 ein Sport­zen­trum in drei Bau­ab­schnit­ten, be­ste­hend aus ei­ner Drei­feld­turn­halle, einem Ver­bin­dungs­bau und einem Frei­zeit­bad. Mit "Vor­ver­trag" von De­zem­ber 2007 ver­mie­tete die Kläge­rin die Drei­feld­turn­halle mit Gas­tro­no­mie­kom­plex und In­ven­tar an die A-GmbH mit Wir­kung ab 1.1.2008 zu einem Miet­zins von 900 € mtl. Die Kläge­rin ver­pflich­tete sich, den beim Be­trieb des Sport­zen­trums ent­ste­hen­den han­dels­recht­li­chen Ver­lust aus­zu­glei­chen.

Mit Ver­trag von Ok­to­ber 2008 über­trug die Kläge­rin rück­wir­kend zum 1.1.2008 den Be­trieb des Sport­zen­trums auf die A-GmbH, die sich ver­pflich­tete, das Sport­zen­trum im ei­ge­nen Na­men und auf ei­gene Rech­nung zu be­trei­ben. Die Kläge­rin ver­pflich­tete sich wie­derum zum Aus­gleich der han­dels­recht­li­chen Ver­luste. Der vor­aus­sicht­li­che Ver­lust für 2008 sollte sich auf 350.400 € be­lau­fen. Bei dem Ver­lust­aus­gleich sollte es sich um einen nicht rück­zahl­ba­ren Zu­schuss han­deln. Nach Fer­tig­stel­lung des Sport­ba­des über­trug die Kläge­rin auch die­sen Be­triebs­teil auf die A-GmbH. Nach dem Ergänzungs­ver­trag von Juni 2009 be­lief sich das Nut­zungs­ent­gelt un­ter Berück­sich­ti­gung von be­weg­li­chem An­la­ge­vermögen ab 1.12.2008 auf mtl. rd. 6.000 €.

Auf­grund der ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen leis­tete die Kläge­rin Ver­lust­aus­gleichs­zah­lun­gen i.H.v. 350.400 € (2008), rd. 660.000 € (2009) und rd. 640.000 € (2010). Für die Er­rich­tung des Sport­zen­trums machte die Kläge­rin für die Jahre 2006 bis 2010 einen Vor­steu­er­ab­zug von ins­ge­samt ca. 1,8 Mio. € gel­tend. Die Mie­ten be­han­delte sie als Ent­gelt für um­satz­steu­er­pflich­tige Leis­tun­gen. Dem­ge­genüber ver­wei­gerte das Fi­nanz­amt den Vor­steu­er­ab­zug, da die Kläge­rin kei­nen Be­trieb ge­werb­li­cher Art un­ter­hal­ten habe.

Das FG gab der Klage statt. Auf die Re­vi­sion des Fi­nanz­amts hob der BFH das Ur­teil auf und ver­wies die Sa­che an das FG zurück.

Die Gründe:
Das FG hat im Streit­fall die Un­ter­neh­merei­gen­schaft der Kläge­rin zu Un­recht be­jaht.

Eine ju­ris­ti­sche Per­son des öff­ent­li­chen Rechts ist bei richt­li­ni­en­kon­for­mer Aus­le­gung von § 2 Abs. 3 S. 1 UStG i.V.m. § 4 des KStG ent­spre­chend Art. 13 MwSt­Sys­tRL nur dann Un­ter­neh­mer, wenn sie eine wirt­schaft­li­che Tätig­keit im Sinne ei­ner nach­hal­ti­gen Tätig­keit zur Er­zie­lung von Ein­nah­men gem. § 2 Abs. 1 UStG ausübt, die sich in­ner­halb ih­rer Ge­samt­betäti­gung her­aus­hebt. An der für die Un­ter­neh­merei­gen­schaft ei­ner ju­ris­ti­schen Per­son des öff­ent­li­chen Rechts er­for­der­li­chen Grund­vor­aus­set­zung der wirt­schaft­li­chen (un­ter­neh­me­ri­schen) Tätig­keit fehlt es nach dem EuGH-Ur­teil "Ge­me­ente Bor­sele" vom 12.5.2016 (C-520/14), wenn eine Ge­meinde über die von ihr ver­ein­nahm­ten Beiträge nur einen klei­nen Teil ih­rer Kos­ten deckt.

Wer­den die Kos­ten nur zu 3 % aus Ein­nah­men und im Übri­gen mit öff­ent­li­chen Mit­teln fi­nan­ziert, deu­tet diese Asym­me­trie zwi­schen den Be­triebs­kos­ten und den als Ge­gen­leis­tung er­hal­te­nen Beträgen dar­auf hin, dass kein Leis­tungs­ent­gelt und auch keine wirt­schaft­li­che Tätig­keit vor­lie­gen. Nach die­sen Maßstäben ist das FG rechts­feh­ler­haft da­von aus­ge­gan­gen, dass die Kläge­rin als Un­ter­neh­me­rin zum Vor­steu­er­ab­zug nach § 15 UStG be­rech­tigt ist. Das Ur­teil des FG ist ma­te­ri­ell-recht­lich mit den bei der Aus­le­gung des na­tio­na­len Rechts zu berück­sich­ti­gen­den Vor­ga­ben des EuGH, die das FG teil­weise nicht berück­sich­ti­gen konnte, un­ver­ein­bar.

In einem zwei­ten Rechts­gang wird zu prüfen sein, ob ent­spre­chend dem EuGH-Ur­teil "Ge­me­ente Bor­sele" von ei­ner Asym­me­trie zwi­schen den Pacht­ein­nah­men und den Kos­ten, für die die Ge­meinde den Vor­steu­er­ab­zug gel­tend macht, aus­zu­ge­hen ist. Hierfür könnte auch spre­chen, dass die Kläge­rin selbst vorträgt, dass sie und die A-GmbH nicht wie wirt­schaft­lich ori­en­tierte Markt­teil­neh­mer han­del­ten. In­so­weit sind ins­be­son­dere Fest­stel­lun­gen zu den ein­zel­nen Kos­ten zu tref­fen, die bei der Kläge­rin für un­be­weg­li­ches und be­weg­li­ches An­la­ge­vermögen an­ge­fal­len sind.

Vor al­lem wird das FG zu prüfen ha­ben, ob Pacht und Ver­lust­aus­gleich, die auf ei­ner ein­heit­li­chen ver­trag­li­chen Grund­lage be­ru­hen, nicht ent­spre­chend dem Vor­brin­gen des Fi­nanz­amts mit­ein­an­der zu sal­die­ren sind. Dann schei­tert die An­nahme ei­ner Un­ter­neh­merei­gen­schaft der Kläge­rin be­reits daran, dass der Nut­zungsüber­las­sung an die A-GmbH kei­ner­lei Ent­gelt ge­genüber­steht, so dass von ei­ner un­ent­gelt­li­chen Über­las­sung an die A-GmbH aus­zu­ge­hen wäre. Vor­sorg­lich weist der Se­nat zu­dem dar­auf hin, dass die Kläge­rin auf der Grund­lage des übe­rein­stim­men­den Be­tei­lig­ten­vor­trags in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Se­nat man­gels ei­ge­ner Un­ter­neh­mer­stel­lung nicht gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG Or­ganträge­rin der A-GmbH sein kann.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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