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Zwang zum Wandel wie nie zuvor - Bündelt die Branche Ihre Kräfte?

Der Kon­so­li­die­rungs­druck in der deut­schen Zu­lie­fe­rer­in­dus­trie wird durch die zu­neh­mende Elek­tri­fi­zie­rung im­mer greif­ba­rer. Um mit den Tech­no­lo­gie­sprüngen der Bran­che mit­zu­hal­ten, brau­chen die oft klei­nen Mit­telständ­ler Mut und starke Part­ner. Im In­ter­view mit Prof. Dr. Ralf Wörner (In­sti­tut für Au­to­mo­bil­ma­nage­ment, Hoch­schule Ess­lin­gen) be­leuch­ten wir die kom­ple­xen Her­aus­for­de­run­gen auf dem Weg zur De­kar­bo­ni­sie­rung.

Herr Prof. Wörner, wir spre­chen in Deutsch­land sehr viel über das Tesla-Werk in Grünheide und zu­neh­mend we­ni­ger über Wolfs­burg, Stutt­gart oder München. Wie den­ken Sie darüber?

Prof. Wörner: Der Markt verändert sich ge­rade mit großer Ge­schwin­dig­keit und Tesla hat hier si­cher einen Vor­sprung. Der re­sul­tiert ins­be­son­dere aus den in Ka­li­for­nien frühzei­tig ge­schaf­fe­nen po­li­ti­schen Rah­men­be­din­gun­gen, die es er­laub­ten, auf Ba­sis ei­ner ge­rin­gen Stück­zahl wich­tige Er­fah­rungs­werte zu sam­meln. Die eu­ropäischen Her­stel­ler mögen et­was ab­ge­schla­gen wir­ken, aber ent­schei­dend ist der Mas­sen­markt und nicht der Pio­nier­markt. Die Stärke der OEMs liegt in der Ska­lie­rungsfähig­keit und ich gehe da­von aus, dass sie in der nächs­ten Ge­ne­ra­tion sehr viel ein­fa­cher in die Großse­rien-Stück­zah­len wech­seln können. Pio­niere wie Tesla ste­hen da­ge­gen vor der Her­aus­for­de­rung, erst in­ves­tie­ren zu müssen, um neue Pro­duk­ti­onsstätten zu schaf­fen. Die wirk­li­che Er­geb­nis­si­tua­tion ha­ben wir erst in 10 Jah­ren.

Der Be­reich For­schung und Ent­wick­lung so­wie die zu­neh­mende Glo­ba­li­sie­rung spie­len ent­schei­dende Rol­len und sind ge­rade großem Verände­rungs­druck aus­ge­setzt. Zu­dem wa­ren die Un­ter­neh­men in den letz­ten zwei Jah­ren mit bis­her un­be­kann­ten Ri­si­ken kon­fron­tiert. Wel­che Be­we­gun­gen se­hen Sie hier? Wel­che Im­pli­ka­tio­nen hat das für Zu­lie­fe­rer?

Prof. Wörner: Wir be­fin­den uns hier in einem Ziel­kon­flikt. Wer­fen wir zunächst einen Blick auf die Märkte China und USA, in de­nen es die gu­ten Ab­satz­chan­cen er­for­dern, Pro­dukte spe­zi­ell für diese Märkte zu ent­wi­ckeln. Es bie­tet sich an, re­gio­nale Ent­wick­lungs­zen­tren vor Ort auf­zu­bauen, um die lo­ka­len Markt­an­for­de­run­gen erfüllen zu können. Noch viel wich­ti­ger ist aber, die Pro­duk­ti­onsstätten di­rekt daran zu kop­peln, um eine schnelle Re­ak­ti­onsfähig­keit auf Markt­verände­run­gen zu gewähr­leis­ten. In der Ver­gan­gen­heit wurde da­hin­ge­gen die Pro­duk­ti­onsstätten dort­hin aus­ge­la­gert, wo man Lohn-, En­er­gie- und Lo­gis­tik­kos­ten­vor­teile hat, wie wir heute wis­sen, große Ri­si­ken. Im Ge­gen­satz zur Glo­ba­li­sie­rung ste­hen die we­sent­lich veränder­ten po­li­ti­schen Rah­men­be­din­gun­gen, so­dass wir einen Trend zu mehr Re­gio­na­lität er­le­ben. Zum einen di­rekt durch die Ukraine-Krise, lang­fris­tig aber vor al­lem durch das Thema Nach­hal­tig­keit und die höhere Nach­frage nach re­gio­na­len Pro­duk­ten. Die Bran­che hat die Chance, zu­neh­mend re­gio­nale Kräfte zu bündeln und so die An­for­de­run­gen der hei­mi­schen Märkte zu be­die­nen.

Ak­tu­ell set­zen die meis­ten OEMs in Deutsch­land auf E-Mo­bi­lität. Was be­deu­tet das für die Zu­lie­fer­in­dus­trie?

Prof. Wörner: Die lau­fen­den Tech­no­lo­gie­sprünge zur Elek­tri­fi­zie­rung des An­triebs un­ter­schei­den sich ge­ringfügig im gewähl­ten En­er­gie­spei­cher – der Bat­te­rie – elek­tri­sch oder Was­ser­stoff. Beide ha­ben eins ge­mein: sie hin­ter­fra­gen min­des­tens 40-45% der ak­tu­el­len Fer­ti­gungs­tiefe. Un­ter an­de­rem re­du­ziert sich da­durch die An­zahl der Bau­grup­pen und in der Folge verkürzen sich Mon­ta­ge­abläufe. Dies nimmt den hei­mi­schen Her­stel­lern die Chance sich zu dif­fe­ren­zie­ren und Mar­gen wer­den zu­neh­mend auf die En­er­gie­spei­cher­sys­teme al­lo­kiert. Das führt wie­derum dazu, dass eine Viel­zahl der heu­ti­gen Fer­ti­gungs­tech­no­lo­gien und des -vo­lu­mens nicht mehr er­for­der­lich sind. Wir rech­nen fest da­mit, dass neue Zu­lie­fe­rer/Part­ner ent­ste­hen, wo­hin­ge­gen sich „alte“ Un­ter­neh­men schwer­tun wer­den, ihre Pro­dukte ab­zu­set­zen. Dar­aus re­sul­tie­ren eine Um­struk­tu­rie­rung und ge­ge­be­nen­falls der Ver­zicht auf be­ste­hende Un­ter­neh­men.

Das heißt, eine mas­sive Kon­so­li­die­rung ist wahr­schein­lich, ins­be­son­dere für me­tall­ver­ar­bei­tende Her­stel­ler bis hin zum OEM? Ist das ein denk­ba­res Sze­na­rio für den Stand­ort Deutsch­land?

Prof. Wörner: In der Ver­gan­gen­heit ha­ben sich Au­to­mo­bil­her­stel­ler über die An­triebs­tech­no­lo­gie dif­fe­ren­ziert. Be­dingt durch die ho­hen In­ves­ti­ti­ons­sum­men und die ho­hen Ent­wick­lungs­auf­wen­dun­gen wird es zukünf­tig eher im Kon­sor­tium ge­lin­gen können und kei­nen Dif­fe­ren­zie­rungs­be­stand­teil mehr dar­stel­len. Stand heute sind wir aber noch in einem wach­sen­den Ab­satz­markt. Das gilt so­wohl für PKWs als auch für Nutz­fahr­zeuge (Trans­por­ter, LKWs, Busse etc.). Diese Seg­mente wer­den in den nächs­ten zehn Jah­ren noch wei­ter­wach­sen und da­mit mehr Ka­pa­zitäten ab­ru­fen. So­lange diese Si­tua­tion vor­herrscht, wird sich eine Kon­so­li­die­rung der vier großen

OEMs noch nicht ab­zeich­nen. Für die da­hin­ter lie­gen­den Zu­lie­fe­rer ist die Si­tua­tion eine vollständig an­dere. In der vor­hin zi­tier­ten Verände­rung der Wert­schöpfungs­kette mit ge­rin­ge­ren Mar­gen er­ge­ben sich ge­rin­gere Spielräume. Diese können nur auf­ge­fan­gen wer­den, wenn sich die Un­ter­neh­men ef­fi­zi­en­ter auf­stel­len. Ich rechne ten­den­zi­ell da­mit, dass klei­nere Un­ter­neh­men be­gin­nen wer­den, über Fu­sio­nen oder min­des­tens vor­ge­la­gerte Ko­ope­ra­tio­nen nach­zu­den­ken, um die Kos­ten auf größere Stück­zah­len zu ver­tei­len. Die Großen hin­ge­gen ha­ben noch Spielräume, zu­min­dest bis die Wachs­tums­grenze der Wirt­schaft er­reicht ist.

Man hat den Ein­druck, dass die bren­nen­den The­men wie der Tech­no­lo­gie­sprung oder Nach­hal­tig­keit nicht ge­se­hen wer­den wol­len oder auch nicht ge­se­hen wer­den können. Wie ist da Ihr Ein­druck, wa­rum rea­gie­ren viele mit­telständi­sche Un­ter­neh­men so zöger­lich?

Prof. Wörner: Ich würde das nicht un­be­dingt als man­gelnde Re­ak­ti­ons­ge­schwin­dig­keit be­zeich­nen. Viel­mehr er­zeu­gen die neuen An­for­de­run­gen an tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lung und Nach­hal­tig­keit einen so ho­hen Verände­rungs­druck, dass sich au­to­ma­ti­sch die Frage nach verfügba­ren Res­sour­cen und Ka­pi­tal stellt und ob ein Un­ter­neh­men zu Be­ginn auf Ge­winne bei neuen Pro­duk­ten ver­zich­ten kann, um Er­fah­rung zu sam­meln. Ich glaube, eins der Kern­pro­bleme ist, dass diese An­for­de­run­gen außer­halb der Zu­mut­bar­keit für einen klas­si­schen Mit­telständ­ler lie­gen. Es fehlt ihm an Per­spek­tive. Es feh­len auch, trotz al­ler po­li­ti­schen Be­kennt­nisse, klare Si­gnale, dass diese Pro­bleme ge­se­hen wer­den. Wir spre­chen hier von Ri­si­ko­ka­pi­tal­in­ves­ti­tio­nen und es ist be­kannt, wie der Fi­nanz­markt auf Ri­si­ko­ka­pi­tal rea­giert.

Wir ha­ben be­reits das Thema Nach­hal­tig­keit an­ge­spro­chen, das große Wort der CO2 -Neu­tra­lität ist in al­ler Munde. Was kommt da auf die Zu­lie­fe­rer zu?

Prof. Wörner: Der Rah­men ist schon längst über das in­ter­na­tio­nale Kli­ma­schutz­ab­kom­men ge­schaf­fen und be­fin­det sich ak­tu­ell in der Um­set­zung in na­tio­na­les Recht. Kon­kret ge­spro­chen gilt es, den En­er­gie­kon­sum von fos­si­len En­er­gieträgern in eine de­kar­bo­ni­sierte Zu­kunft zu überführen. Da­bei ist es wich­tig, die ein­zel­nen Ebe­nen der CO2-Emis­sio­nen zu ver­ste­hen, die als Scope 1 bis 3 be­zeich­net wer­den. Un­ter Scope 1 be­zeich­net man alle En­er­gie­ausstöße, die di­rekt in der Pro­duk­tion des be­trach­te­ten Un­ter­neh­mens an­fal­len. Un­ter Scope 2 wer­den der ein­ge­kaufte En­er­gie­be­darf (Strom und Fernwärme) und die ei­gens be­trie­be­nen Trans­port­ket­ten zusätz­lich er­fasst. Hier gibt es aber schon die Emp­feh­lung, auch Tier1-Supplier mit in der Ge­samt­bi­lan­zie­rung zu be­trach­ten. Scope 3 be­inhal­tet alle in­di­rek­ten Emis­si­ons­ausstöße, die durch den Ein­kauf von Tei­len und Dienst­leis­tun­gen, die Pro­dukt­nut­zung, -ent­sor­gung so­wie in­di­rekte Un­ter­neh­mens­ak­ti­vitäten (Dienst­rei­sen, Ar­beits­weg der Mit­ar­bei­ter, etc.) ent­ste­hen. Scope 3 wird heute nur teil­weise ab­ge­deckt, soll aber bis 2030 mit ein­be­zo­gen wer­den. Im Er­geb­nis heißt das, dass die be­trof­fe­nen Un­ter­neh­men in der Phase zwi­schen 2025 und 2030 in das CO2-Re­por­ting und die Be­steue­rung ein­be­zo­gen wer­den, was zu ei­ner Ver­teue­rung führen wird. Auch in der Be­schaf­fung wer­den Zu­lie­fe­rer auf­grund der CO2-Be­steue­rung mit höheren Kos­ten rech­nen müssen, ins­be­son­dere auch für Ma­te­ria­lien vom in­ter­na­tio­na­len Markt. Wei­ter­hin wird der Wett­be­werb durch die Su­che der OEMs nach Tei­leal­ter­na­ti­ven mit einem ge­rin­ge­ren CO2-Foot­print ver­schärft.

Kann ein klei­ner Mit­telständ­ler ein so kom­ple­xes Thema über­haupt stem­men? Wie ver­hal­ten sich denn die OEMs und die Tier1 ih­ren Zu­lie­fe­rern ge­genüber?

Prof. Wörner: Ich be­ob­achte, dass die OEMs Part­ner auswählen, die sich mit ih­nen auf diese Reise be­ge­ben und auf Part­ner­schaf­ten ver­zich­ten, die ehe­mals aus Kos­tengründen be­vor­zugt wur­den. Das Zu­ge­hen auf die Part­ner ist im­mer sehr de­fen­siv und in Dis­kus­sio­nen geht es auf ei­ner sehr ab­strak­ten Ebene um Nach­hal­tig­keit. Die Ent­schei­dung über den fi­na­len Part­ner wird dann auf Ba­sis von Fak­ten gefällt, die nicht kom­mu­ni­ziert wer­den. Diese Pra­xis führt natürlich zu Unwägbar­kei­ten und Un­kal­ku­lier­bar­keit für den Mit­tel­stand, weil er die Gren­zen des Wett­be­werbs nicht kennt.

Das ist nicht ge­rade ein ro­si­ges Bild für die Zu­lie­fe­rer. Wie schätzen Sie de­ren Lage in Deutsch­land und Eu­ropa in den nächs­ten 10 Jahre ein? Wie wer­den sich die Ar­beitsplätze in die­ser Bran­che ent­wi­ckeln?

Prof. Wörner: Es wird sich kaum ver­mei­den las­sen, mit­tel­fris­tig Per­so­nal zu re­du­zie­ren – mit et­was Glück geht diese Ent­wick­lung aber mit der Al­ters­py­ra­mide ein­her. Ist dies nicht der Fall, ent­steht ein Über­an­ge­bot an Ar­beitskräften. Ak­tu­ell spricht man von circa 20% Ein­spa­run­gen, die zwin­gend ge­sucht wer­den. Eine zweite wich­tige Frage ist: Wer be­herrscht die neuen Tech­no­lo­gien und mit wem kann ich Part­ner­schaf­ten ein­ge­hen? Es ent­ste­hen vie­ler­orts neue Fu­sio­nen, nicht mehr nur Ko­ope­ra­tio­nen, wie über­wie­gend von 2000 bis 2020. Der Wech­sel hin zu Platt­for­men mit größeren Ska­len­ef­fek­ten er­for­dert ein kon­se­quen­te­res Durch­grei­fen, wozu es Struk­tu­ren wie im Rah­men von Fu­sio­nen braucht. Dies ist auch die Erklärung für Ent­wick­lun­gen wie die In­te­gra­tion von Opel in den PSA Kon­zern und in der Folge zu­sam­men mit Fiat Chrys­ler in den Stel­lan­tis Kon­zern. Auch Part­ner­schaf­ten, wie ak­tu­ell zwi­schen Iveco und Ni­kola, las­sen sich so erklären.

Das ist auch eine große po­li­ti­sche Auf­gabe. Wie wird denn die­ses Thema dort dis­ku­tiert?

Prof. Wörner: Wie so oft muss die Po­li­tik zwei sich im Grunde wi­der­spre­chende Ziele ver­fol­gen. Auf der einen Seite geht es um gute Be­din­gun­gen für Un­ter­neh­men, die über 2-3 Ge­ne­ra­tio­nen hin­weg den­ken. Auf der an­de­ren Seite müssen wir als Ge­sell­schaft sehr viel längere Zeiträume in den Blick neh­men, nicht mehr nur Jahre oder Jahr­zehn­ten. Die Po­li­tik ori­en­tiert sich heute an Me­ga­trends wie Nach­hal­tig­keit, Treib­haus­gas­mi­ni­mie­rung und Di­gi­ta­li­sie­rung. Un­ter­neh­men, als Teil der Re­al­wirt­schaft, fühlen sich in die­sem Pro­zess mit ih­ren Sor­gen zu we­nig wahr­ge­nom­men. Für das große Ziel, die Volks­wirt­schaft in eine neue Rich­tung zu len­ken, wer­den Rah­men­be­din­gun­gen zur Förde­rung ge­schaf­fen und es sol­len jene un­terstützt wer­den, die mu­tig ge­nug sind, mit auf die Reise zu ge­hen – aber nicht je­der wird am Ziel an­kom­men. Um ihre Frage zu be­ant­wor­ten: es ist eine ver­hal­tene Re­ak­tion der Po­li­tik.

Eine Frage zum Ab­schluss zum Thema Bat­te­rie vs. Brenn­stoff­zelle: Den­ken Sie, wir ha­ben in Deutsch­land auf das fal­sche Pferd ge­setzt?

Prof. Wörner: Die (Elek­tro-) Bat­te­rie­tech­no­lo­gie ist die lo­gi­sche Ant­wort der Her­stel­ler auf die CO2-Be­steue­rung. Diese gilt es zu ver­mei­den und das lässt sich tech­no­lo­gi­sch zur Zeit nur so er­rei­chen. Länger­fris­tig wird sich der Markt aber verändern müssen. Auf dem Mas­sen­markt wer­den der­zeit 80-90 Mio. PKW pro­du­ziert und ge­nau hier kom­men wir zur zen­tra­len Frage: Wenn ich hun­dert­pro­zen­tige Elek­tri­fi­zie­rung will, dann muss ich ja auch die ent­spre­chen­den Res­sour­cen für alle Märkte und Her­stel­ler glei­chermaßen verfügbar ha­ben, was aber nicht der Fall ist. Wer diese Li­mi­ta­tion mit­denkt, wird schnell er­ken­nen, dass wir für de­kar­bo­ni­sierte Mas­sen­mo­bi­lität eine zweite oder dritte Al­ter­na­tive brau­chen. Des­we­gen ist es nicht falsch, den Was­ser­stoff als zusätz­li­chen En­er­gieträger vor­an­zu­trei­ben, um eine vor­be­rei­tende In­fra­struk­tur auf­zu­bauen und sich mit klei­ne­ren Stück­zah­len auf dem Markt zu be­wei­sen. Die feh­lende In­fra­struk­tur und die ak­tu­ell recht ho­hen Kos­ten der Brenn­stoff­zelle im Verhält­nis zur Bat­te­rie­tech­no­lo­gie spre­chen zwar noch da­ge­gen, aber wir brau­chen diese Al­ter­na­tive.

Span­nende Zu­kunft! Jetzt ha­ben wir viel über an­dere ge­spro­chen – als zu­kunfts­ori­en­tier­ter In­sti­tuts­lei­ter, was sind denn die mit­tel- bis lang­fris­ti­gen Schwer­punkte Ih­rer Ar­beit am In­sti­tut?

Prof. Wörner: Die Hoch­schule Ess­lin­gen und das In­sti­tut für Au­to­mo­bil­ma­nage­ment ste­hen für nach­hal­tige En­er­gie­tech­nik und Mo­bi­lität. Es geht hauptsäch­lich um die Frage, wo En­er­gie ein­ge­setzt wird, wie sie trans­por­tiert wird und wo En­er­gie viel­leicht auch in an­dere For­men um­ge­setzt wer­den muss. Dazu zählt auch die Ver­sor­gungs­si­cher­heit über elek­tri­sche Netze, der Auf­bau der zu­gehöri­gen Trans­port­ket­ten bis hin zur ab­schließen­den Frage, in­wie­weit ein al­ter­na­ti­ver En­er­gieträger auf Ba­sis von Was­ser­stoff eine Rolle spie­len kann. Hier ha­ben wir schon heute Mo­dell­fa­bri­ken und Re­alla­bore, in de­nen wir Was­ser­stoff auch in größeren Men­gen für ganze Städte mit ab­bil­den können. Ein zwei­tes Au­gen­merk le­gen wir auf den Be­reich der elek­tri­schen An­triebe. Dies kann man sehr gut an un­se­rem Fall­bei­spiel des Mer­ce­des Benz Ac­tros be­trach­ten, einem 4,6 Ton­nen Sprin­ter. Hier wei­sen wir nach, dass ein bat­te­rie­elek­tri­scher An­trieb in Kom­bi­na­tion mit der Brenn­stoff­zelle tech­ni­sch mach­bar und später für einen Mas­sen­markt ge­eig­net sein kann. Bei der drit­ten Säule möchte ich je­den er­mu­ti­gen mit­zu­wir­ken: Es geht um den As­pekt der Life­style As­sess­ment Ana­lyse, auch Öko­bi­lan­zie­rung ge­nannt, mit dem wir die Mess­bar­keit in den vom Ge­setz­ge­ber ge­for­der­ten Kri­te­rien si­cher­stel­len und zwar die De­kar­bo­ni­sie­rung bis zum Jahr 2050.

 

Prof. Dr. Ralf Wörner ist Lei­ter des In­sti­tuts für nach­hal­tige En­er­gie­tech­nik und Mo­bi­lität, Lei­ter des In­sti­tuts für Au­to­mo­bil­ma­nage­ment, so­wie Mit­glied der Wis­sen­schafts­kom­mis­sion an der Hoch­schule Ess­lin­gen. Nach sei­nem Stu­dium mit Ver­tie­fungs­rich­tung Sys­tem­dy­na­mik und Re­ge­lungs­tech­nik an der Uni­ver­sität Stutt­gart pro­mo­vierte er am Cen­tre Na­tio­nale de Re­cher­che in Nancy zum Thema Ver­bren­nung hoch­aro­ma­ti­scher Koh­len­was­ser­stoffe und er­hielt 1997 den Dok­tor­ti­tel. An­schließend ar­bei­tete er bis 1999 bei der Daim­ler­Ch­rys­ler AG im Be­reich For­schung mit dem Schwer­punkt in der Ent­wick­lung neu­ar­ti­ger Steue­rungs­sys­teme für Ver­bren­nungs­mo­to­ren. Es folg­ten lei­tende Funk­tio­nen bei der Mer­ce­des-AMG GmbH und der Daim­ler AG im Be­reich Mo­tor- und Ge­trie­be­ent­wick­lung. Seit 2016 ist er Pro­fes­sor für Fahr­zeug­tech­nik in der Au­to­mo­bil­wirt­schaft an der Hoch­schule Ess­lin­gen. Zu sei­nen fach­li­chen Schwer­punk­ten gehören u.a. An­triebs­tech­nik, Elek­tri­fi­zie­rung von Fahr­zeu­gen, so­wie Ent­wick­lungs­pro­zesse im Au­to­mo­bil­sek­tor. Ak­tu­elle For­schungs­fel­der bil­den ins­be­son­dere das Thema Elek­tro­mo­bi­lität und nach­hal­tige Mo­bi­litätskon­zepte.

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