Dazu haben wir Christof Zondler, Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachberater für internationales Steuerrecht und Partner bei Ebner Stolz in Stuttgart befragt.

Herr Zondler, können Sie uns kurz die wesentlichen Änderungen durch die US-Steuerreform erläutern?
Die wesentlichste Maßnahme des sog. „Tax Cuts and Job Act“ ist die Reduzierung des Körperschaftsteuersatzes von 35 % auf 21 % ab 2018. Unter Berücksichtigung der Steuer, die zudem von den einzelnen Bundesstaaten erhoben und je nach Bundesstaat unterschiedlich ausfällt, ergibt sich eine durchschnittliche Belastung von ca. 25,75 %.
Hinzu kommen weitere Vergünstigungen für US-Unternehmen, wie z.B. die Sofortabschreibung bei bestimmten Wirtschaftsgütern und die privilegierte Besteuerung von Dividenden, Zins und Lizenzeinkünften.
Diese Vergünstigungen müssen natürlich gegenfinanziert werden. Hierzu gibt es ebenfalls verschiedene Maßnahmen. Dies soll zum einen durch eine Mindestbesteuerung bei der Verrechnung von Verlusten, der beschränkten Abziehbarkeit von Zinsaufwendungen und insbesondere durch die sog. „Base Erosion and Anti-Abuse Tax“ erreicht werden, mit der eine Alternativsteuer bei Leistungsbeziehungen innerhalb eines multinationalen Konzerns eingeführt wurde.
Wollen wir die Änderungen mal genauer und dabei aus der Perspektive von deutschen Unternehmen beleuchten. Steuersatzsenkung klingt zunächst rundum positiv – zumindest für US-Unternehmen. Welche Wirkung aber hat dies auf ausländische Unternehmen?
Auch deutsche Konzerne mit US-Tochtergesellschaften profitieren grundsätzlich von der Steuersatzsenkung, wird doch deren Steuerbelastung in den USA geringer. Allerdings kann sich kurzfristig auch ein negativer Effekt zeigen, wenn Verlustvorträge vorhanden sind, die mit künftigen Gewinnen ausgeglichen werden könnten. Auf die Verlustvorträge sind die künftigen Steuerersparnisse als sog. latente Steuern in der Bilanz auszuweisen. Dieser Vorteil schmilzt nun mit der Steuersatzsenkung. Der in der Bilanz 2016 höhere Ausweis an latenten Steuern ist somit anzupassen und damit der Gewinn in 2017 entsprechend zu mindern.
Zudem könnte sich längerfristig die Steuersatzsenkung negativ auf den Wirtschaftsstandort Deutschland auswirken, wenn z. B. innerhalb eines Konzerns Investitionen statt in Deutschland in den USA getätigt werden, um vom geringeren Steuersatz zu profitieren. Allerdings werden solche Entscheidungen regelmäßig nicht lediglich am Nominalsteuersatz ausgerichtet.
Donald Trump hat ja zum Leitbild seiner Steuerreform gemacht, Unternehmen und deren Kapital wieder in die USA zurück zu holen. Gelingt ihm dies durch die Steuersatzsenkung?
Wie gesagt, die Steuersatzsenkung ist bereits ein dickes Plus im Standortwettbewerb. Um Kapital, das US-Konzerne im Ausland erwirtschaftet haben, in die USA zurück zu holen, enthält die Steuerreform aber noch eine weitere Änderung.
Bisher wurden Auslandsgewinne nur besteuert, wenn sie von den Tochtergesellschaften an die US-Muttergesellschaft ausgeschüttet wurden. Der Steuersatz betrug stattliche 35 %, weshalb ausländische Tochtergesellschaften von US-Konzernen insgesamt mehr als drei Billionen Dollar außerhalb der USA horteten. Nun wird einmalig eine Gewinnausschüttung dieser thesaurierten Gewinne fingiert, die mit einer Einmalsteuer von 15,5 % oder 8 % belastet wird, je nachdem, wie liquide das vorhandene Vermögen bei den Tochtergesellschaften ist.
Zukünftig sind Dividenden, die von ausländischen Tochtergesellschaften an die US-Muttergesellschaft gezahlt werden, in den USA unter bestimmten Voraussetzungen sogar komplett steuerbefreit. Es besteht somit zukünftig keine Hemmschwelle mehr, diese Auslandsgewinne nicht in die USA zu transferieren.
Damit scheint ja die „America First“-Strategie im Steuerbereich aufzugehen. Was ist deutschen Unternehmen, die in den USA tätig sind, mit Blick auf die Änderungen zu raten?
Letztlich werden weltweit agierende Konzernen prüfen, in welchen Staaten sie Gesellschaften mit welchen Funktionen ansiedeln bzw. wo sie künftig verstärkt investieren. Angesichts der hohen Steuerbelastung in Deutschland – bei Kapitalgesellschaften sprechen wir von rund 30 % – wird der Trend bei Konzernen dahingehen, hier zu versteuernde Gewinne zu vermeiden und diese eher in den USA zu realisieren. Dadurch lässt sich die Konzernsteuerquote entsprechend verbessern.
Aufgrund des niedrigen Steuersatzes und der steuerlichen Begünstigung von Investitionen in den USA wird sich allgemein das ein oder andere Unternehmen in Deutschland überlegen eine US-Tochtergesellschaft zu gründen und über diese die Geschäfte in den USA oder sogar für einen noch größeren Auslandsraum laufen zu lassen.
Ist also zu befürchten, dass Unternehmen in Deutschland z. B. ihre Produktion für den US-Markt in die USA verlagern?
Achtung, hier sind im deutschen Steuerrecht einige Stolpersteine angelegt, die deutsche Unternehmen mit entsprechenden Bestrebungen dringend beachten sollten. Denn eine Verlagerung von Geschäftsaktivitäten aus Deutschland heraus in eine US-Tochtergesellschaft kann in Deutschland zum einen zu einer „Exit-Besteuerung“ führen, also zur Besteuerung von im Unternehmen aufgebauten stillen Reserven. Zudem könnte trotz Geschäftsverlagerung die deutsche Besteuerung greifen, wenn die Voraussetzungen der sog. Hinzurechnungsbesteuerung erfüllt sind und somit die Steuerbelastung auf das deutsche Besteuerungsniveau hochgeschleust wird.
Es ist letztlich stets eine Prüfung im Einzelfall erforderlich, um alle steuerlichen Konsequenzen im In und Ausland zu klären und darauf basierend die richtige unternehmerische Entscheidung treffen zu können.
Ist dabei auch an die von Ihnen eingangs erwähnte „Base Erosion and Anti-Abuse Tax“ zu denken? Was steckt dahinter?
Die „Base Erosion and Anti-Abuse Tax“, auch kurz BEAT, greift eher die umgekehrten Fälle auf, also Konstellationen, in denen US-Gesellschaften von anderen Konzerngesellschaften im Ausland Leistungen beziehen und in den USA die Aufwendungen hierfür steuermindernd geltend machen wollen. Die BEAT soll damit die Verlagerung von Gewinnen aus den USA heraus in das Ausland vermeiden.
Betroffen sind allerdings nur große Konzerne, deren Umsatz im Durchschnitt der letzten drei Jahre mindestens 500 Mio. US-Dollar betragen hat. Zudem müssen die schädlichen Zahlungen an die ausländischen Konzerngesellschaften („Base Erosion Payments“) mindestens 3 % der Gesamtkosten der US-Gesellschaft betragen. Als schädlich werden dabei u. a. Aufwendungen für Dienstleistungen, Lizenzzahlungen und Zinszahlungen angesehen, nicht jedoch solche für den Bezug von Waren. Sind die Voraussetzungen erfüllt, wird die Alternativsteuer berechnet, die zu zahlen ist, sofern sie höher als die reguläre Steuer ist.
Wie werden Konzerne, bei denen die Anwendung der BEAT droht, reagieren?
Hier sind insb. zwei Szenarien vorstellbar. Betroffene US-Unternehmen werden prüfen, ob die mit ausländischen, somit auch deutschen Konzerngesellschaften vereinbarten Verrechnungspreise angepasst werden, um etwa unter die 3 %-Grenze zu gelangen. Oder aber Leistungen werden nicht mehr von ausländischen Konzerngesellschaften, sondern von US-Unternehmen bezogen.
Beide Szenarien erhöhen im Ergebnis den Druck auf den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Als Maßnahme zur Finanzierung der Steuersatzsenkung erwähnten Sie zudem eine Beschränkung des Zinsabzugs. Welche Konsequenzen hat das für die Finanzierungsstruktur in den USA?
Mit der neuen Zinsschrankenregelung, die mit unserer deutschen Zinsschrankenregelung in vielen Punkten vergleichbar ist, dürfte ein Überdenken der Finanzierung von US-Investments einsetzen. Es kann auch für deutsche Unternehmen mit US-Tochtergesellschaften nun unter bestimmten Voraussetzungen vorteilhaft sein, diese anstatt mit Fremdkapital vermehrt mit Eigenkapital auszustatten. Denn im „worst case“ könnten Zinserträge in Deutschland der vollen Besteuerung unterliegen und entsprechende Aufwendungen bei der US-Tochtergesellschaft nur begrenzt zum Abzug kommen.
Zum Schluss noch Ihre persönliche Einschätzung: Welche Folgen hat die US-Steuerreform für die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen auf der internationalen Bühne?
Die genauen Auswirkungen der US-Steuerreform auf die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen ist meines Erachtens derzeit noch nicht umfassend absehbar. Sicherlich werden aufgrund der in den USA gegebenen Investitionsanreize nun verstärkt Investitionen in US-Unternehmen getätigt werden und damit der Investitionsstandort USA gefördert. Dies kann sogar dazu führen, dass bei deutschen Unternehmen notwendige Investitionen unterbleiben, weil die Mittel anderweitig verwendet werden. Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass US-Unternehmen aufgrund der Steuererleichterungen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den ausländischen Unternehmen haben.
Dennoch ist zu berücksichtigen, dass für einen Investitionsstandort und auch für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen das Vorhandensein von qualifizierten Fachmitarbeitern, Infrastruktur, Knowhow und die Qualität der Produkte eine entscheidende Rolle spielen. Hier liegen gerade die Stärken und Vorteile der deutschen Unternehmen.
Von Relevanz wird auch sein wie andere Staaten auf den Vorstoß der USA reagieren werden. In der EU hat z. B. Belgien bereits ebenso den Körperschaftsteuersatz gesenkt. China reagierte mit einer Quellensteuererleichterung für ausländische Investoren. Diesen Steuerwettbewerb wollte man eigentlich mit dem BEPS-Projekt der OECD ausschalten, der jetzt durch die USA allerdings wieder angestoßen wurde. Die neue deutsche Bundesregierung wird gut beraten sein, sich mit dem Thema günstiger steuerlicher Rahmenbedingungen für Unternehmen in Deutschland auseinander zu setzen, wobei der Fokus nicht isoliert auf dem Steuersatz liegen sollte.