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Tax Compliance-Positionspapier des BMF: Interview mit Frau Prof. Dr. Ley

Das BMF hat in sei­nem Schrei­ben vom 23.5.2016 be­tont, wie wich­tig Tax Com­pli­ance-Sys­teme in Un­ter­neh­men sind, um Un­ter­neh­men vor steu­er­straf­recht­li­chen Fol­gen un­ter­lau­fe­ner Feh­ler zu schützen. Da­bei geht es um die Im­ple­men­tie­rung und Pflege ei­nes Sys­tems, mit dem die Be­fol­gung steu­er­li­cher Ge­setze und der Vor­ga­ben der Fi­nanz­ver­wal­tung si­cher­ge­stellt wer­den soll. Dies stellt die Un­ter­neh­men vor im­mense Her­aus­for­de­run­gen. Die Pra­xis zeigt, dass sich die Kom­ple­xität und Viel­schich­tig­keit von Tax Com­pli­ance-Sys­te­men nicht in ei­ner stan­dar­di­sier­ten Pro­zess­be­schrei­bung für sämt­li­che Un­ter­neh­men zu­sam­men­fas­sen lässt. Mit den grundsätz­li­chen An­for­de­run­gen an sol­che Sys­teme soll sich eine Ex­per­ten­gruppe aus der steu­er­li­chen Pra­xis aus­ein­an­der set­zen.

Wie be­reits in der letz­ten Aus­gabe des no­vus be­rich­tet, wurde Frau Prof. Dr. Ur­sula Ley, Wirt­schaftsprüfe­rin, Steu­er­be­ra­te­rin und Part­ne­rin bei Eb­ner Stolz in Köln, in den dazu ge­bil­de­ten Ar­beits­kreis Tax Com­pli­ance der Bun­des­steu­er­be­ra­ter­kam­mer Ber­lin be­ru­fen. Die Auf­gabe die­ses Ar­beits­krei­ses ist es,  ein Pa­pier für Steu­er­be­ra­ter zur Ein­rich­tung ei­nes Tax Com­pli­ance-Sys­tems zu ent­wi­ckeln. Die Ar­bei­ten sol­len Ende 2017 ab­ge­schlos­sen sein.

Prof. Dr. Ursula Ley© Prof. Dr. Ursula Ley, Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin und Partnerin bei Ebner Stolz in Köln

Wir gra­tu­lie­ren Ih­nen zur Be­stel­lung in den Ar­beits­kreis Tax Com­pli­ance der Bun­des­steu­er­be­ra­ter­kam­mer. Com­pli­ance be­schäftigt die Un­ter­neh­men in vie­ler­lei Hin­sicht. Auch in un­se­rer im ver­gan­ge­nen Herbst hierzu ge­mein­sam mit dem F.A.Z.-In­sti­tut er­stell­ten Stu­die bestäti­gen uns Un­ter­neh­men, dass sie sich im Steu­er­be­reich viel­fach Com­pli­ance-Ri­si­ken aus­ge­setzt se­hen. Wie ist Ihre Wahr­neh­mung?

Das ist rich­tig. Die zu­neh­mende Größe und In­ter­na­tio­na­li­sie­rung der Un­ter­neh­men ei­ner­seits und die zu­neh­mende Kom­ple­xität des Steu­er­rechts an­de­rer­seits lässt die steu­er­li­chen Ri­si­ken stei­gen.

Wa­rum wer­den diese Ri­si­ken ge­genwärtig stärker wahr­ge­nom­men als noch vor ei­ni­gen Jah­ren?

Die stärkere Fo­kus­sie­rung ist m.E. dar­auf zurück­zuführen, dass sich das Steu­er­straf­recht in den letz­ten Jah­ren ex­trem ver­schärft hat. Bei Hin­ter­zie­hun­gen von mehr als ei­ner Mil­lio­nen Euro droht be­reits eine Gefäng­nis­strafe. Fal­sche Steu­er­erklärun­gen können für die Steu­er­pflich­ti­gen oder ihre ge­setz­li­chen Ver­tre­ter straf­recht­li­che Kon­se­quen­zen ha­ben, die die Be­trof­fe­nen verständ­li­cher­weise ver­mei­den möch­ten.

In wel­chen Steu­er­be­rei­chen lau­ern die größten Com­pli­ance-Ri­si­ken?

Die größten Com­pli­ance-Ri­si­ken lie­gen bei der Um­satz­steuer, der Lohn­steuer auf­grund des Mas­senphäno­mens und bei grenzüber­schrei­ten­den Leis­tun­gen, auch beim Quel­len­steu­er­ein­be­halt auf­grund der Kom­ple­xität.

Wie sind Un­ter­neh­men und ihre Be­ra­ter bis­her mit die­sen Ri­si­ken um­ge­gan­gen?

Mit steu­er­li­chen Ri­si­ken wurde kei­nes­falls leicht­fer­tig um­ge­gan­gen. Auch sie wur­den in der Ver­gan­gen­heit iden­ti­fi­ziert. Auf eine Iden­ti­fi­zie­rung vor der erst­ma­li­gen Steu­er­de­kla­ra­tion kam es da­bei aber nicht so sehr an. Denn die Ab­gabe ei­ner be­rich­tig­ten Steu­er­erklärung wurde im schlimms­ten Fall als straf­freie Selbst­an­zeige ge­wer­tet, da sich Nach­erklärung und Selbst­an­zeige nicht un­ter­schie­den. Dies hat sich grund­le­gend geändert. Die An­for­de­run­gen an eine Nach­erklärung sind we­sent­lich ge­rin­ger als an eine Selbst­an­zeige. Da­her ist bei je­der Nach­erklärung nun­mehr eine Ab­gren­zung von vorsätz­li­cher oder leicht­fer­tig un­rich­ti­ger Steu­er­erklärung er­for­der­lich, um dann eine Nach­erklärung oder eine Selbst­an­zeige ein­zu­rei­chen. Die er­for­der­lich ge­wor­dene Ab­gren­zung birgt Ri­si­ken in sich. Dem Be­ur­tei­lungs­ri­siko kann am bes­ten durch die Ver­mei­dung ei­ner fal­schen Steu­er­erklärung be­geg­net wer­den. Da­durch aber ge­winnt das Thema Tax Com­pli­ance an Be­deu­tung, da Ziel ei­nes Tax Com­pli­ance-Sys­tems die zeit­ge­rechte Ab­gabe ei­ner vollständi­gen und rich­ti­gen Steu­er­erklärung ist.

Die ho­hen Com­pli­ance-An­for­de­run­gen können ins­be­son­dere im Kon­text mit den ge­stie­ge­nen An­for­de­run­gen an die straf­be­frei­ende Selbst­an­zeige zu ei­ner vor­schnel­len Kri­mi­na­li­sie­rung führen. Was hal­ten Sie von die­ser Gang­art der Fi­nanz­ver­wal­tung? Sind die Un­ter­neh­men nicht viel­fach über­for­dert?

Bei den in den letz­ten Jah­ren be­kannt­ge­wor­de­nen Hin­ter­zie­hungsfällen habe ich ei­ner­seits Verständ­nis für die re­strik­ti­vere Hal­tung der Fi­nanz­ver­wal­tung, an­de­rer­seits berück­sich­tigt sie aber häufig nicht aus­rei­chend, dass Mas­sen von Ge­schäfts­vorfällen ab­ge­wi­ckelt wer­den müssen und Feh­ler kaum ver­mie­den wer­den können. Eine über­zo­gene Kri­mi­na­li­sie­rung der Steu­er­pflich­ti­gen ist da­her un­an­ge­bracht.

Spätes­tens seit­dem der An­wen­dungs­er­lass zu §153 AO vom 23.5.2016 in der Welt ist, ist Tax Com­pli­ance in al­ler Munde. Wie der BDI bestätigt, im­ple­men­tie­ren Un­ter­neh­men mit Hoch­druck Tax Com­pli­ance-Sys­teme. Ist die­ser Ak­tio­nis­mus be­rech­tigt?

M.E. ist dies nicht der Fall. Es gibt keine ge­setz­li­che Pflicht zur Einführung ei­nes Tax Com­pli­ance-Sys­tems. Nach mei­nen Kennt­nis­sen des Mit­tel­stands gibt es in den meis­ten Un­ter­neh­men Tax Com­pli­ance-Sys­teme. Das Pro­blem be­steht häufig „nur“ darin, dass die be­ste­hen­den Sys­teme nicht schrift­lich do­ku­men­tiert und de­ren An­wen­dung sel­ten ef­fi­zi­ent kon­trol­liert wird. Ein nicht do­ku­men­tier­tes und kon­trol­lier­tes Sys­tem wird im Fall der Nach­erklärung den Vor­wurf des Vor­sat­zes und der Leicht­fer­tig­keit nicht aus­schließen. Die Do­ku­men­tie­rung des vor­han­de­nen Tax Com­pli­ance-Sys­tems und die Im­ple­men­tie­rung von wirk­sa­men Kon­trol­len sollte da­her nun nach­ge­holt wer­den. Gleich­zei­tig sollte aber die Ge­le­gen­heit ge­nutzt wer­den, be­ste­hende Sys­teme zu über­den­ken und ggf. zu op­ti­mie­ren.

Gibt es eine Pa­tentlösung für ein Tax Com­pli­ance-Sys­tem, das Gel­tung für Un­ter­neh­men sämt­li­cher Rechts­form und Größe ha­ben kann?

Nein lei­der nicht, da das Sys­tem schon auf die be­triebs­in­di­vi­du­el­len Ge­ge­ben­hei­ten Rück­sicht neh­men muss.

Wie sollte aus Ih­rer Sicht ein Tax Com­pli­ance-Sys­tem aus­se­hen?

Die Kom­ple­xität des Sys­tems sollte der Größe und Kom­ple­xität des Un­ter­neh­mens an­ge­passt sein. Je klei­ner das Un­ter­neh­men, desto ein­fa­cher sollte das Sys­tem sein. 

Wel­che An­for­de­run­gen müsste ein Po­si­ti­ons­pa­pier erfüllen?

Da es sich um eine Hand­rei­chung an die Steu­er­be­ra­ter­schaft han­delt, zu de­ren Kli­en­tel ge­rade nicht die ganz großen Un­ter­neh­men gehören, sollte das Pa­pier keine über­zo­ge­nen An­for­de­run­gen an die KMU stel­len.

Wel­che The­men wer­den darin schwer­punktmäßig ab­ge­bil­det?

Dies lässt sich zum jet­zi­gen Zeit­punkt noch nicht zu­verlässig sa­gen. An­ge­dacht ist eine an den  Steu­er­ar­ten ori­en­tierte, pro­zess­be­zo­gene Be­schrei­bung der Steu­er­ri­si­ken. Da­bei wird der Um­satz­steuer eine be­son­dere Be­deu­tung bei­ge­mes­sen wer­den, da sie am Um­satz anknüpft und Mas­sen­sach­ver­halte be­trifft, die nur noch sys­te­ma­ti­sche Prüfun­gen und kei­nen Ein­zel­fallprüfun­gen mehr  un­ter­zo­gen wer­den können.

Wel­chen Nut­zen hat die­ses Po­si­ti­ons­pa­pier für die Un­ter­neh­men?

Das Pa­pier der Bun­des­steu­er­be­ra­ter­kam­mer wen­det sich in ers­ter Li­nie an die Steu­er­be­ra­ter. Es soll eine Hand­rei­chung dar­stel­len, die es den Be­ra­tern ermöglicht, Tax Com­pli­ance-Sys­teme bei ih­ren Man­dan­ten zu im­ple­men­tie­ren bzw. die Im­ple­men­tie­rung bei den Man­dan­ten zu be­glei­ten.

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