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OLG Hamm zu den Verkehrssicherungspflichten eines Einzelhändlers (Baumarkt)

Urteil des OLG Hamm vom 15.3.2013 - 9 U 187/12

Der Be­trei­ber ei­nes Bau­mark­tes muss die Fußböden ins­be­son­dere im Kas­sen­be­reich sei­ner Ge­schäftsräume re­gelmäßig kon­trol­lie­ren und die eine Rutsch­ge­fahr begründen­den Ver­un­rei­ni­gun­gen so­fort be­sei­ti­gen. Bei einem durch­schnitt­lich star­ken Kun­den­auf­kom­men können in­fol­ge­des­sen Kon­trol­len im Ab­stand von 30 Mi­nu­ten ge­for­dert wer­den.

Der Sach­ver­halt:
Die 35-jährige Kläge­rin hatte im Sep­tem­ber 2011 einen der Baumärkte der bun­des­weit täti­gen Be­klag­ten be­sucht. Da­bei war sie im Kas­sen­be­reich der Fi­liale auf ei­ner auf dem Bo­den be­find­li­chen Flüssig­keit aus­rutscht und gestürzt. Sie zog sich eine Knie­ver­let­zung zu, für die sie von der Be­klag­ten Scha­dens­er­satz ver­langte, u.a. ein Schmer­zens­geld in der Größenord­nung von 15.000 €. Die Be­klagte hielt da­ge­gen, nicht für den Scha­den haf­ten zu müssen, da sie die ihr ob­lie­gende Ver­kehrs­si­che­rungs­pflich­ten erfüllt habe.

Das LG wies die Klage ab. Es war der An­sicht, ein Selbst­be­die­nungs­bau­markt müsse mit sei­ner großen Ver­kaufsfläche nicht übe­rall und je­der­zeit auf Ge­fah­ren, die von ver­schütte­ten Flüssig­kei­ten aus­ge­hen können, kon­trol­liert wer­den. Hinzu komme, dass die Stelle, an der sich die Flüssig­keit be­fun­den habe, schlecht ein­seh­bar ge­we­sen sei. Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin hat das OLG die Ent­schei­dung der Vor­in­stanz in­so­weit abgeändert, dass die Be­klagte un­ter Berück­sich­ti­gung ei­nes Mit­ver­schul­dens­an­teils der Kläge­rin von 1/3 dem Grunde nach zum Scha­dens­er­satz ver­ur­teilt wurde. Zur Ent­schei­dung über die Höhe des An­spru­ches hat es die Sa­che an das LG zurück­ver­wie­sen. Die Re­vi­sion wurde nicht zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Zu Un­recht hatte das LG einen Scha­dens­er­satz­an­spruch der Kläge­rin ge­gen die Be­klagte gem. §§ 280, 311 Abs. 2 Nr. 2, 241 Abs. 2 BGB ab­ge­lehnt.

In­dem die Kläge­rin die Ge­schäftsräume der Be­klag­ten be­tre­ten hatte, um Wa­ren zu er­wer­ben, war gem. § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB ein Schuld­verhält­nis mit Pflich­ten nach § 241 Abs. 2 BGB ent­stan­den. Die ver­trag­li­chen Schutz­pflich­ten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB zie­len u.a. dar­auf ab, eine Ver­let­zung der po­ten­ti­el­len Ver­trags­part­ner möglichst zu ver­mei­den und da­durch ihr In­te­gritätsin­ter­esse zu er­hal­ten. Sie ent­spre­chen da­her in­halt­lich den Ver­kehrs­si­che­rungs­pflich­ten, so dass die dazu ent­wi­ckel­ten Grundsätze an­wend­bar sind.

Die Be­klagte hatte die ihr als Be­trei­be­rin des Bau­mark­tes ob­lie­gen­den Ver­kehrs­si­che­rungs­pflich­ten ver­letzt. Ein Ein­zel­han­dels­un­ter­neh­men muss in den Gren­zen des tech­ni­sch Mögli­chen und wirt­schaft­lich Zu­mut­ba­ren dafür sor­gen, dass die Kun­den durch die an­ge­bo­tene Ware und den Zu­stand der Ge­schäftsräume, ins­be­son­dere auch des Fußbo­dens, keine Schäden er­lei­den. Der Um­fang der Kon­troll­pflich­ten hängt da­bei vom Ein­zel­fall ab, u.a. von der Kun­den­fre­quenz, der Wit­te­rung und dem Ge­fah­ren­po­ten­tial der zum Ver­kauf an­ge­bo­ten Wa­ren. So gibt es etwa in der Obst- und Gemüse­ab­tei­lung ei­nes Su­per­mark­tes, in der die Kun­den die Wa­ren selbst auswählen und ab­wie­gen, ein ho­hes Ri­siko, dass Wa­ren zu Bo­den fal­len und Kun­den auf ih­nen aus­rut­schen könn­ten. Des­we­gen habe der La­den­in­ha­ber dort in re­gelmäßigen Abständen von 15 bis 20 Mi­nu­ten zu kon­trol­lie­ren.

Dies ist mitt­ler­weile ober­ge­richt­lich ent­schie­den. Von der Be­klag­ten als Be­trei­be­rin ei­nes Selbst­be­die­nungs­bau­mark­tes können in­fol­ge­des­sen bei einem durch­schnitt­lich star­ken Kun­den­auf­kom­men Kon­trol­len im Ab­stand von 30 Mi­nu­ten ge­for­dert wer­den. Ihr Wa­ren­sor­ti­ment mit meist ver­pack­ten Pro­duk­ten hat zwar nicht das Ge­fah­ren­po­ten­tial ei­nes Le­bens­mit­tel­mark­tes mit ei­ner Obst- und Gemüse­ab­tei­lung. Die Be­klagte ver­treibt in dem Bau­markt je­doch auch Pflan­zen, die un­ver­packt sind. Bei die­sen be­steht durch­aus die Ge­fahr, dass sie Teile - wie z.B. Blätter - ver­lie­ren oder aus ih­rer bewässer­ten Erde Was­ser aus­tritt. Dem muss die Be­klagte in die­sem Fall durch die re­gelmäßigen Kon­trol­len ins­be­son­dere im Kas­sen­be­reich Rech­nung tra­gen.

Den ihr ob­lie­gen­den Ver­kehrs­si­che­rungs­pflich­ten hatte die Be­klagte im vor­lie­gen­den Fall nicht genügt. Nach dem Er­geb­nis der Be­weis­auf­nahme wa­ren die ge­bo­te­nen re­gelmäßigen Kon­trol­len we­der im Ge­schäfts­be­trieb or­ga­ni­siert ge­we­sen noch durch­geführt wor­den. Weil die Kläge­rin durch ihre Un­auf­merk­sam­keit zum Un­fall bei­ge­tra­gen hatte, traf sie je­doch ein Mit­ver­schul­den.

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