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Neue EU-Regelungen für Wertpapierfirmen

Wert­pa­pier­fir­men i. S. d. Art. 4 Abs.1 Nr. 2 der Ei­gen­mit­tel­ver­ord­nung (CRR) er­brin­gen ebenso wie Kre­dit­in­sti­tute i. S. d. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR ver­schie­dene bank­ty­pi­sche Dienst­leis­tun­gen, die An­le­gern den Zu­gang zu Wert­pa­pier- und De­ri­va­temärk­ten ermögli­chen.

Sie be­trei­ben je­doch im Ge­gen­satz zu Kre­dit­in­sti­tu­ten kein Ein­la­gen- oder Kre­dit­ge­schäft und wei­sen folg­lich an­dere Ge­schäfts­mo­delle und Ri­si­ken auf. Der­zeit sind für Wert­pa­pier­fir­men voll­umfäng­lich die CRR so­wie die Ei­gen­mit­tel­richt­li­nie (CRD IV) und so­mit die­sel­ben Ka­pi­tal-, Li­qui­ditäts- und Ri­si­ko­ma­nage­ment­vor­schrif­ten wie für Kre­dit­in­sti­tute an­zu­wen­den.

Da­mit ein stärker am Ge­schäfts­mo­dell der Wert­pa­pier­fir­men aus­ge­rich­te­ter EU-Re­gu­lie­rungs­rah­men ge­schaf­fen wer­den kann, hat die EU-Kom­mis­sion be­reits am 20.12.2017 Vor­schläge für eine Ver­ord­nung über Auf­sichts­an­for­de­run­gen an Wert­pa­pier­fir­men (Re­gu­la­tion on the pru­den­tial re­qui­re­ments of in­vest­ment firms, IFR) und für eine Richt­li­nie über die Be­auf­sich­ti­gung von Wert­pa­pier­fir­men (Di­rec­tive on the pru­den­tial su­per­vi­sion of in­vest­ment firms, IFD) un­ter­brei­tet.

Am 26.2.2019 er­ziel­ten die EU-Kom­mis­sion, der Rat der EU und das EU-Par­la­ment eine Ei­ni­gung hin­sicht­lich der künf­ti­gen Auf­sichts­an­for­de­run­gen und -re­ge­lun­gen für Wert­pa­pier­fir­men.

Hinweis

Am 16.4.2019 hat das EU-Par­la­ment sei­nen Stand­punkt zu den Vor­schlägen in der ers­ten Le­sung fest­ge­legt. Auf­grund fest­ge­stell­ter ju­ris­ti­scher Ver­weis­feh­ler mus­ste über die Re­ge­lun­gen je­doch er­neut im EU-Par­la­ment ab­ge­stimmt wer­den. Da eine An­nahme durch den Rat der EU erst dann möglich ist, wenn diese Ab­stim­mung er­folgt ist, hat sich das ge­samte Ver­fah­ren auf der eu­ropäischen Ebene wei­ter verzögert. Am 8.11.2019 wur­den die Ge­setz­ge­bungs­akte an­ge­nom­men und wer­den vor­aus­sicht­lich noch in 2019 veröff­ent­licht.

Definition von Wertpapierfirmen

Der neue Re­ge­lungs- und Auf­sichts­rah­men um­fasst Un­ter­neh­men, die Dienst­leis­tun­gen nach der Fi­nanz­markt­richt­li­nie (Mi­FID) er­brin­gen und we­der Kre­dit­in­sti­tute noch In­vest­ment­ge­sell­schaf­ten sind. In der EU sind hier­von ca. 6.000 Un­ter­neh­men be­trof­fen; dar­un­ter fal­len ins­be­son­dere Wert­pa­pierhänd­ler, Vermögens­ver­wal­ter, An­la­ge­be­ra­ter oder An­lage- und Ab­schluss­ver­mitt­ler mit ei­ner Er­laub­nis nach dem Kre­dit­we­sen­ge­setz (KWG).

Klassifizierung von Wertpapierfirmen

Künf­tig sol­len Wert­pa­pier­fir­men an­hand ei­ner jähr­li­chen Be­ur­tei­lung auf Ba­sis der zwei vor­aus­ge­hen­den Ge­schäfts­jahre in drei Klas­sen un­ter­teilt wer­den:

Klassifizierung von Wertpapierfirmen

Hinweis

Diese Ein­tei­lung soll si­cher­stel­len, dass sich die Auf­sichts­an­for­de­run­gen nach Art, Größe und Kom­ple­xität der Wert­pa­pier­fir­men rich­ten. Wert­pa­pier­fir­men in ei­ner Klasse können von den zuständi­gen Behörden un­ter be­stimm­ten Be­din­gun­gen von den je­wei­li­gen Auf­sichts­an­for­de­run­gen be­freit oder verstärkt re­gu­liert wer­den.

Nach­fol­gend wer­den die we­sent­li­chen Ände­run­gen durch IFR und IFD erläutert:

Anfangskapital

Mit der IFD wird die vor­ge­schrie­bene Höhe des von Wert­pa­pier­fir­men der Klasse 2 und 3 zu hal­ten­den An­fangs­ka­pi­tals har­mo­ni­siert. Je nach Ge­schäfts­mo­dell muss das An­fangs­ka­pi­tal künf­tig zwi­schen EUR 75.000 und EUR 750.000 be­tra­gen (Art. 9 IFD).

Hin­weis: Mit der Einführung ei­ner EU-Re­ge­lung über das An­fangs­ka­pi­tal sol­len vor­han­dene Wett­be­werbs­ver­zer­run­gen zwi­schen den ein­zel­nen EU-Mit­glieds­staa­ten re­du­ziert wer­den.

Vergütungsanforderungen

Die IFD sieht Er­leich­te­run­gen bzgl. der Vergütungs­re­geln vor (Art. 30 - 34 IFD). Bspw. wird für Wert­pa­pier­fir­men das der­zeit gel­tende Verhält­nis der va­ria­blen zur fi­xen Vergütung von 100 % bzw. max. 200 % nach Art. 94 Abs. 1 CRD IV auf­ge­ho­ben. Das Verhält­nis soll künf­tig „an­ge­mes­sen“ sein und die fixe Vergütung so hoch, dass die Wert­pa­pier­firma „aus­rei­chend fle­xi­bel“ agie­ren kann.

Wert­pa­pier­fir­men, die in den vor­an­ge­hen­den vier Jah­ren durch­schnitt­lich über höchs­tens EUR 100 Mio. an bi­lan­zi­el­len und außer­bi­lan­zi­el­len Ak­tiva verfügten so­wie Mit­ar­bei­ter mit ei­ner va­ria­blen Vergütung von un­ter EUR 50.000, (wo­bei der va­ria­ble Vergütungs­an­teil ein Vier­tel der Ge­samt­vergütung nicht über­stei­gen darf), ha­ben künf­tig fol­gende An­for­de­run­gen nicht mehr zu erfüllen:

  • dass min­des­tens 50 % der va­ria­blen Vergütung u. a. aus An­tei­len, Be­tei­li­gun­gen oder un­ba­ren In­stru­men­ten, die den In­stru­men­ten des ver­wal­te­ten Port­fo­lios ent­spre­chen, be­ste­hen müssen und
  • dass min­des­tens 40 % der va­ria­blen Vergütung – bei be­son­ders ho­her va­ria­bler Vergütung min­des­tens 60 % – je nach Ge­schäfts­zy­klus, Ge­schäftstätig­keit, Ge­schäfts­ri­si­ken und Auf­ga­ben des Mit­ar­bei­ters für drei bis fünf Jahre ein­be­hal­ten wer­den müssen.

Hin­weis: Den Mit­glieds­staa­ten steht bei der Um­set­zung die­ser Vor­schrif­ten ein Wahl­recht nach Art. 32 Abs. 6 und 7 IFD zu, die o. g. Schwel­len­werte un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen herab- bzw. her­auf­zu­set­zen.

Wert­pa­pier­fir­men, die min­des­tens zwei Jahre in Klasse 3 ein­ge­stuft wur­den, müssen ne­ben den für alle Wert­pa­pier­fir­men gel­ten­den ru­di­mentären Vor­ga­ben der Mi­FID II keine wei­te­ren spe­zi­fi­schen Vergütungs­re­geln ein­hal­ten.

Eigenmittelanforderungen

Die Ei­gen­mit­tel von Wert­pa­pier­fir­men der Klasse 2 dürfen nicht ge­rin­ger sein als der höchste der fol­gen­den Beträge (Art. 11 IFR):

  • ein Vier­tel der fi­xen Ge­mein­kos­ten des Vor­jah­res (Art. 13 IFR),
  • das zur Zu­las­sung not­wen­dige An­fangs­ka­pi­tal (Art. 14 IFR) oder
  • der mit der sog. K-Fak­tor-Be­rech­nung er­mit­telte Wert (Art. 15 IFR).

Bei der K-Fak­tor-Be­rech­nung lei­ten sich die Ei­gen­ka­pi­tal­an­for­de­run­gen aus den Markt-, Fir­men- und Kun­den­ri­si­ken der Wert­pa­pier­ge­sell­schaft ab. Mit Hilfe von di­ver­sen Ko­ef­fi­zi­en­ten (Art. 15 Abs. 2 IFR) wer­den die Ka­pi­tal­an­for­de­run­gen in Re­la­tion zu dem Vo­lu­men der ein­zel­nen Ge­schäfts­fel­der be­stimmt.

Mit Aus­nahme der K-Fak­tor Be­rech­nung gel­ten für Wert­pa­pier­fir­men der Klasse 3 die glei­chen Ei­gen­ka­pi­tal­an­for­de­run­gen.

Hin­weis: Eine Wert­pa­pier­firma muss die zuständige Behörde darüber in­for­mie­ren, wenn sie die An­for­de­run­gen (vor­aus­sicht­lich) nicht mehr erfüllt (Art. 11 Abs. 4).

Vorgaben zu Konzentrationsrisiken

Ge­genüber Ein­zel­kun­den oder ei­ner Gruppe ver­bun­de­ner Kun­den dürfen Wert­pa­pier­fir­men der Klasse 2 und 3 keine Ri­si­ko­po­si­tio­nen ein­ge­hen, die 25 % ih­res Ei­gen­ka­pi­tals oder EUR 150 Mio. über­stei­gen (Art. 36 IFR). So­fern die Grenze von EUR 150 Mio. höher ist als 25 % des Ei­gen­ka­pi­tals, darf keine Ri­si­ko­po­si­tion 100 % des Ei­gen­ka­pi­tals über­schrei­ten.

Hin­weis: Eine vor­han­dene Über­schrei­tung ist grundsätz­lich auf zehn Tage zu be­schränken; zusätz­li­ches Kern­ka­pi­tal ist in sol­chen Fällen vor­zu­hal­ten. Die Auf­sichts­behörde kann den Wert­pa­pier­fir­men einen be­grenz­ten Zeit­raum zur Erfüllung der Ober­gren­zen einräumen.

Vorgaben zur Liquidität

Wert­pa­pier­fir­men der Klasse 2 und 3 müssen nach der IFR li­quide Ak­tiva in Höhe von min­des­tens einem Zwölf­tel der jähr­li­chen fi­xen Ge­mein­kos­ten vor­hal­ten. Als li­quide Mit­tel an­ge­se­hen wer­den bspw. un­be­las­tete kurz­fris­tige Ein­la­gen bei Ban­ken, wor­auf die Wert­pa­pier­firma zügig zu­grei­fen kann, an­dere hoch­li­quide Mit­tel, wie Staats­an­lei­hen zu den in Art. 43 IFR vor­ge­se­he­nen Be­din­gun­gen, so­wie An­teile oder Ak­tien von OGAW. Un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen (Art. 43 Abs. 3 IFR) können auch For­de­run­gen aus Lie­fe­run­gen und Leis­tun­gen so­wie Gebühren und Pro­vi­sio­nen, die bin­nen 30 Ta­gen ein­ge­zo­gen wer­den können, als li­quide Ak­tiva gel­ten.

Hin­weis: Wert­pa­pier­fir­men der Klasse 3 können durch die zuständi­gen Behörden von die­sen An­for­de­run­gen be­freit wer­den (Art. 43 Abs. 1 IFR).

Offenlegungs- und Meldepflichten

Die neuen Auf­sichts­an­for­de­run­gen se­hen ins­be­son­dere für Wert­pa­pier­fir­men der Klasse 2 Of­fen­le­gungs- und Mel­de­pflich­ten vor, die in Art. 46 und Art. 52 - 54 IFR de­fi­niert wer­den. Jähr­lich sind u. a. In­for­ma­tio­nen zu Ri­si­ko­ma­nage­ment, Ei­gen­mit­teln und Ka­pi­tal­an­for­de­run­gen, Un­ter­neh­mensführung so­wie Vergütungs- und An­la­ge­po­li­tik of­fen­zu­le­gen. Zusätz­lich sind den zuständi­gen Auf­sichts­behörden In­for­ma­tio­nen zu Ei­gen­mit­teln, Ka­pi­tal­an­for­de­run­gen, Kon­zen­tra­ti­ons­ri­si­ken und Li­qui­dität in Vier­tel­jah­res­be­rich­ten zu über­mit­teln.

Hin­weis: Wert­pa­pier­fir­men der Klasse 3 sind von der Mel­de­pflicht zum Kon­zen­tra­ti­ons­ri­siko be­freit und ha­ben le­dig­lich über die Li­qui­dität Mel­dung zu er­stat­ten, so­fern sie nicht von den zuständi­gen Auf­sichts­behörden von den Li­qui­ditätsan­for­de­run­gen be­freit wur­den.

Im An­schluss an die for­melle Zu­stim­mung des Ra­tes der EU wird die IFD 20 Tage nach ih­rer der­zeit noch aus­ste­hen­den Veröff­ent­li­chung im EU-Amts­blatt in Kraft tre­ten. Die IFR tritt einen Tag nach Veröff­ent­li­chung in Kraft. Die EU-Mit­glieds­staa­ten ha­ben dann 18 Mo­nate Zeit, um die An­for­de­run­gen in na­tio­na­les Recht um­zu­set­zen. So­mit wären die neuen An­for­de­run­gen frühes­tens ab Mitte 2021 zu be­ach­ten. Das BMF hat an­gekündigt, ggf. ein ei­ge­nes Ge­setz für Wert­pa­pier­fir­men aus­zu­ar­bei­ten.

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