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Rechtsberatung

Verpflichtende Hinweisgebersysteme - akuter Handlungsbedarf für Unternehmen!

Jetzt wird es ernst für die Un­ter­neh­men: Ei­gent­lich hätte die EU-Whist­leb­lo­wer-Richt­li­nie bis 17.12.2021 um­ge­setzt wer­den müssen. Das Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren ist aber in der letz­ten Le­gis­la­tur­pe­riode ge­schei­tert. Am 24.03.2022 hat nun end­lich das Bun­des­mi­nis­te­rium der Jus­tiz den Re­fe­ren­ten­ent­wurf ei­nes Ge­set­zes für den bes­se­ren Schutz hin­weis­ge­ben­der Per­so­nen so­wie zur Um­set­zung der Richt­li­nie zum Schutz von Per­so­nen, die Verstöße ge­gen das Uni­ons­recht mel­den, vor­ge­legt. Für größere Un­ter­neh­men be­steht nun aku­ter Hand­lungs­be­darf - sie müssen schnellstmöglich ein Hin­weis­ge­ber­schutz­sys­tem in ih­rem Un­ter­neh­men im­ple­men­tie­ren! Bei Verstößen ge­gen die ge­setz­li­chen Vor­ga­ben dro­hen u.a. emp­find­li­che Geldbußen. Klei­nere Un­ter­neh­men soll­ten die­ses Vor­ha­ben eben­falls nicht auf die lange Bank schie­ben und zu­min­dest schon ein­mal mit den Vor­be­rei­tun­gen be­gin­nen. Mit ei­ner zügi­gen Ver­ab­schie­dung des Ge­set­zes ist zu rech­nen, da die EU-Kom­mis­sion am 27.01.2022 ein Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­ren ge­gen Deut­sch­land ein­ge­lei­tet hat.

Ab wann muss ein Hinweisgebersystem implementiert sein?

Die Richt­li­nie (EU) 2019/1937 (sog. „Whist­leb­lo­wer-Richt­li­nie“) hätte be­reits bis zum 17.12.2021 in deut­sches Recht um­ge­setzt wer­den müssen. Al­ler­dings ist das in der ver­gan­ge­nen Le­gis­la­tur­pe­riode ein­ge­lei­tete Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren zunächst ge­schei­tert, so dass die Um­set­zungs­frist nicht ein­ge­hal­ten wurde. Für Un­ter­neh­men aus dem öff­ent­li­chen Sek­tor dürfte je­doch von ei­ner un­mit­tel­ba­ren An­wend­bar­keit der Richt­li­nie aus­zu­ge­hen sein, so dass hier ent­spre­chende Hin­weis­ge­ber­sys­teme be­reits im­ple­men­tiert sein müss­ten.

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Pri­vate Un­ter­neh­men können grundsätz­lich die Um­set­zung der Richt­li­nie in deut­sches Recht ab­war­ten. Da­mit ist nun zeit­nah zu rech­nen, auch wenn der­zeit noch of­fen ist, wann das Ge­setz in Kraft tre­ten soll. Le­dig­lich Ar­beit­ge­ber mit in der Re­gel 50 bis 249 Be­schäftig­ten müssen ein ent­spre­chen­des Hin­weis­ge­ber­sys­tem erst bis 17.12.2023 im­ple­men­tie­ren, § 42 HinSchG.

Welche Unternehmen sind betroffen?

Ins­be­son­dere pri­vat­wirt­schaft­li­che Un­ter­neh­men ab 250 Mit­ar­bei­tern oder einem Jah­res­um­satz von mehr als 10 Mio. Euro müssen nach dem vor­lie­gen­den Re­fe­ren­ten­ent­wurf schnellstmöglich si­chere in­terne Mel­de­kanäle vor­hal­ten. Der Ge­setz­ge­ber hat für diese Un­ter­neh­men keine Überg­angs­re­ge­lung vor­ge­se­hen und dürfte sich dar­auf be­ru­fen, dass die Vor­ga­ben der ent­spre­chen­den EU-Richt­li­nie be­reits ab dem 17.12.2021 ge­gol­ten hätten.

Ebenso müssen öff­ent­li­che Ein­rich­tun­gen, Behörden so­wie Kom­mu­nen ab 10.000 Ein­woh­nern Hin­weis­ge­ber­sys­teme einführen - für diese ist be­reits jetzt von ei­ner un­mit­tel­ba­ren Gel­tung der EU-Richt­li­nie aus­zu­ge­hen.

Pri­vat­wirt­schaft­li­che Un­ter­neh­men zwi­schen 50 und 249 Mit­ar­bei­tern ha­ben für die Einführung ei­nes Hin­weis­ge­ber­sys­tems bis 17.12.2023 Zeit.

Welche Arten von Hinweisgebersystemen sind möglich?

Für die hin­weis­ge­ben­den Per­so­nen be­ste­hen grundsätz­lich zwei gleich­wer­tig ne­ben­ein­an­der­ste­hende Mel­de­wege. Hier­bei han­delt es sich zum einen um in­terne und zum an­de­ren um ex­terne Mel­de­kanäle, § 7 HinSchG.

In­terne Mel­de­kanäle

Bei der ge­nauen Aus­ge­stal­tung des in­ter­nen Mel­de­ka­nals be­steht Ge­stal­tungs­spiel­raum, § 12 ff. HinSchG. Als Hin­weis­ge­ber­sys­te­m bie­tet sich in ers­ter Li­nie die Ein­rich­tung ei­ner elek­tro­ni­schen Mel­demöglich­keit an; grundsätz­lich genügt auch ein un­ter­neh­mens­in­ter­ner Brief­kas­ten, wo­bei diese Op­tion mit Blick auf die ge­setz­li­chen Vor­ga­ben einen er­heb­li­chen or­ga­ni­sa­to­ri­schen Auf­wand er­for­dert. Zur Ent­ge­gen­nahme der Mel­dun­gen kann auch ein Rechts­an­walt als ex­ter­ner Om­buds­mann be­auf­tragt wer­den. In je­dem Fall benötigt die be­tref­fende Per­son hin­rei­chende Kom­pe­ten­zen, um die not­wen­dige recht­li­che Be­wer­tung der Mel­dun­gen vor­neh­men zu können.

Die Mel­de­wege müssen so aus­ge­stal­tet sein, dass die Hin­weise in schrift­li­cher oder münd­li­cher Form er­fol­gen können. Außer­dem sollte auf Wunsch des Hin­weis­ge­bers auch eine phy­si­sche Zu­sam­men­kunft in­ner­halb ei­nes an­ge­mes­se­nen Zeit­rah­mens ermöglicht wer­den.

In je­dem Fall muss die Ver­trau­lich­keit (An­ony­mität ist nicht vor­aus­ge­setzt) des Hin­weis­ge­bers ge­wahrt wer­den.

Die ver­schie­de­nen Mel­demöglich­kei­ten können mit­ein­an­der kom­bi­niert wer­den. Wel­che Lösung fa­vo­ri­siert wird, hängt vom kon­kre­ten Ein­zel­fall, u. a. von Größe, Struk­tur und Weiträum­ig­keit der Un­ter­neh­mens­or­ga­ni­sa­tion und letzt­lich da­von ab, ob in­tern eine fach­lich ge­eig­nete Per­son be­stimmt wer­den kann.

Zusätz­lich sollte (hierzu be­steht aber keine Ver­pflich­tung) das Hin­weis­ge­ber­sys­tem auch von Per­so­nen außer­halb des Un­ter­neh­mens ge­nutzt wer­den können. So soll­ten die Un­ter­neh­men den Mel­de­ka­nal möglichst so ge­stal­ten, dass die­ser auch Ar­beit­neh­mern von Ge­schäfts­part­nern des Un­ter­neh­mens bzw. der Un­ter­neh­mens­gruppe so­wie Per­so­nen, die im Rah­men ih­rer be­ruf­li­chen Tätig­keit von dem Un­ter­neh­men In­for­ma­tio­nen er­hal­ten, of­fen­steht. Hier­bei han­delt es sich etwa um Or­gan­mit­glie­der und Ak­tionäre des Un­ter­neh­mens, Be­wer­ber, Selbstständige bzw. ehe­ma­lige Ar­beit­neh­mer.

Ex­terne Mel­de­kanäle

Ne­ben der Eta­blie­rung ei­nes in­ter­nen Mel­de­sys­tems müssen die Un­ter­neh­men ih­ren Mit­ar­bei­tern als po­ten­zi­el­len Hin­weis­ge­bern aber auch verständ­li­che und leicht zugäng­li­che In­for­ma­tio­nen über die Möglich­kei­ten ex­ter­ner Mel­dun­gen an be­stimmte Behörden er­tei­len.

An­ders als bis­her hat die in­terne Mel­dung kei­nen Vor­rang mehr. Der Hin­weis­ge­ber kann ent­schei­den, ob er Verstöße un­ter­neh­mens­in­tern mel­det oder sich ex­tern an eine Behörde wen­det, § 7 Abs. 1 HinSchG. Un­ter­neh­men soll­ten des­halb im ei­ge­nen In­ter­esse dafür Sorge tra­gen und An­reize schaf­fen, dass das in­terne Mel­de­sys­tem in An­spruch ge­nom­men wird.

Welche Meldungen genießen Whistleblower-Schutz?

Das Hin­weis­ge­ber­schutz­ge­setz geht in sei­nem An­wen­dungs­be­reich über die Vor­ga­ben der EU-Richt­li­nie hin­aus. Da­nach sind Hin­weis­ge­ber bei der Mel­dung von Verstößen ge­schützt, die straf­be­wehrt oder (mit ei­ni­gen Ein­schränkun­gen) bußgeld­be­wehrt sind, § 2 Abs. 1 und 2 HinSchG. Darüber hin­aus er­streckt sich der sach­li­che An­wen­dungs­be­reich auf sons­tige Verstöße ge­gen Rechts­vor­schrif­ten des Bun­des und der Länder so­wie un­mit­tel­bar gel­tende Rechts­akte der EU und der Eu­ropäischen Atom­ge­mein­schaft, § 2 Abs. 3 HinSchG. Dar­un­ter fal­len u. a. ins­be­son­dere fol­gende Be­rei­che:

  • die Bekämp­fung von Geldwäsche und Ter­ro­ris­mus­fi­nan­zie­rung
  • Pro­dukt­si­cher­heit und -kon­for­mität,
  • Ver­kehrs­si­cher­heit in­klu­sive Ei­sen­bahn­si­cher­heit, See­ver­kehr und die Luft­ver­kehrs­si­cher­heit,
  • Um­welt­schutz,
  • Strah­len­schutz und kern­tech­ni­sche Si­cher­heit,
  • Le­bens­mit­tel- und Fut­ter­mit­tel­si­cher­heit, Tier­ge­sund­heit und Tier­schutz,
  • öff­ent­li­che Ge­sund­heit,
  • Ver­brau­cher­schutz,
  • Schutz der Pri­vat­sphäre und per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten so­wie Si­cher­heit von Netz- und In­for­ma­ti­ons­sys­te­men.

Whistleblower-Meldung - und dann?

Geht eine Whist­leb­lo­wer-Mel­dung im Un­ter­neh­men ein, ist die Ver­trau­lich­keit der Iden­tität des Hin­weis­ge­bers und Drit­ter, die in der Mel­dung erwähnt wer­den, zu wah­ren, § 8 HinSchG.

Un­be­fugte Mit­ar­bei­ter dürfen kei­nen Zu­griff auf die Mel­dung ha­ben. Nicht er­for­der­lich ist die Eta­blie­rung an­ony­mer Hin­weis­ge­ber-Sys­teme bzw. die Möglich­keit zur an­ony­men Hin­weis­ab­gabe. Dem Hin­weis­ge­ber muss der Ein­gang der Mel­dung in­ner­halb von sie­ben Ta­gen bestätigt wer­den.

Die Un­ter­neh­men müssen eine un­par­tei­ische Per­son oder Ab­tei­lung be­nen­nen, die ba­sie­rend auf den Mel­dun­gen Fol­gemaßnah­men, etwa in­terne Nach­for­schun­gen und Er­mitt­lun­gen, er­greift. Da­bei kann es sich um die glei­che Per­son oder Ab­tei­lung han­deln, die Mel­dun­gen ent­ge­gen­nimmt. Zu­dem müssen die Hin­weis­ge­ber in einem an­ge­mes­se­nen zeit­li­chen Rah­men, kon­kret in­ner­halb von ma­xi­mal drei Mo­na­ten, zu ver­an­lass­ten Re­ak­tio­nen auf die Mel­dung eine Rück­mel­dung ge­ben.

Die ein­ge­hen­den Mel­dun­gen sind vom Un­ter­neh­men zu do­ku­men­tie­ren, § 11 HinSchG. Ggf. sollte dem Hin­weis­ge­ber die Do­ku­men­ta­tion zum Zwecke der Ve­ri­fi­zie­rung vor­ge­legt wer­den.

Da es den Hin­weis­ge­bern of­fen­steht, den Weg der in­ter­nen oder ex­ter­nen Mel­dung zu be­schrei­ten, soll­ten Un­ter­neh­men drin­gend pro­fes­sio­nelle in­terne Struk­tu­ren schaf­fen.. Nur wenn Hin­weis­ge­ber dar­auf ver­trauen können, dass Un­ter­neh­men Hin­weise ernst neh­men, ih­nen sorgfältig nach­ge­hen und Straf­ta­ten und Un­re­gelmäßig­kei­ten aufklären und an­ge­mes­sen sank­tio­nie­ren, wer­den sie sich in­ter­ner Mel­de­struk­tu­ren be­die­nen.

Schutzwirkung für den Hinweisgeber

Whist­leb­lo­wer ge­nießen nur dann recht­li­chen Schutz, wenn ein be­rech­tig­ter Grund zu der An­nahme be­stand, dass die ge­mel­de­ten In­for­ma­tio­nen über Verstöße zum Zeit­punkt der Mel­dung der Wahr­heit ent­spra­chen, in den An­wen­dungs­be­reich des Ge­set­zes fie­len und sie diese über die vor­ge­ge­ben in­ter­nen oder ex­ter­nen Mel­de­kanäle ab­ge­ge­ben ha­ben, § 9 Abs. 1 HinSchG. Un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen ver­bie­tet der Re­fe­ren­ten­ent­wurf jede Form von Re­pres­sa­lien, Dis­kri­mi­nie­run­gen oder Be­nach­tei­li­gun­gen, § 33ff. HinSchG. Die Hin­weis­ge­ber müssen bei ei­ner ord­nungs­gemäßen Mel­dung keine ar­beits­recht­li­chen Kon­se­quen­zen befürch­ten. Im Falle ei­nes ar­beits­recht­li­chen Pro­zes­ses sieht der Re­fe­ren­ten­ent­wurf eine Be­weis­last­um­kehr zu­guns­ten des Hin­weis­ge­bers vor, § 36 Abs. 2 HinSchG. Da­nach muss der Ar­beit­ge­ber be­wei­sen, dass kein Zu­sam­men­hang mit der Mel­dung des Hin­wei­ses durch den Ar­beit­neh­mer be­stand. Im Übri­gen sieht der Re­fe­ren­ten­ent­wurf bei Verstößen Sank­tio­nie­run­gen mit emp­find­li­chen Geldbußen zwi­schen 20.000 und 100.000 Euro vor, § 40 HinSchG. Diese Bußgelder können so­wohl die Ver­ant­wort­li­chen als auch (über § 30 OWiG) die je­wei­li­gen Un­ter­neh­men be­tref­fen.

Dringender Handlungsbedarf - ab sofort!

Spe­zi­ell für mit­telständi­sche Un­ter­neh­men wird die Um­set­zung des Hin­weis­ge­ber­schutz­ge­set­zes nicht zu un­ter­schätzende Aus­wir­kun­gen ha­ben, da Hin­weis­ge­ber­sys­teme dort bis­her ganz re­gelmäßig noch nicht be­ste­hen. So­fern sol­che Sys­teme be­reits vor­han­den sind, erfüllen sie häufig zu­min­dest nicht die nun­mehr an­ste­hen­den, ge­setz­li­chen Vor­ga­ben. In­so­fern ist es rat­sam, sich schnellstmöglich mit der Im­ple­men­tie­rung ei­nes sol­chen Sys­tems ein­schließlich der ge­setz­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen aus­ein­an­der zu set­zen und Per­so­nen mit den an­ste­hen­den Auf­ga­ben be­trauen. Um einen An­reiz für in­terne Mel­dun­gen zu schaf­fen und hier­durch mögli­chen Rufschädi­gun­gen durch Be­kannt­wer­den even­tu­el­ler Missstände vor­zu­beu­gen, soll­ten Un­ter­neh­men möglichst von An­fang an ein trans­pa­ren­tes in­ter­nes Mel­de­sys­tem auf­set­zen und die Mit­ar­bei­ter darüber in­for­mie­ren. Flan­kie­rend hierzu sollte eine un­ter­neh­mens­in­terne Hin­weis­ge­ber­richt­li­nie im­ple­men­tiert bzw. in einen Code of Con­duct ein­ge­bet­tet wer­den.

Mit die­sen Maßnah­men sollte un­be­dingt be­gon­nen wer­den, um ne­ben den tech­ni­schen An­for­de­run­gen auch die recht­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen, etwa mögli­che Mit­be­stim­mungs­rechte des Be­triebs­rats und da­ten­schutz­recht­li­che An­for­de­run­gen, un­mit­tel­bar zu klären.

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