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Grundsätze der wirtschaftlichen Neugründung gelten auch in der Liquidation der Gesellschaft

BGH 10.12.2013, II ZR 53/12

Die Grundsätze der wirt­schaft­li­chen Neugründung fin­den auch in der Li­qui­da­tion der Ge­sell­schaft An­wen­dung. Die mit der wirt­schaft­li­chen Neugründung ver­bun­de­nen Pro­bleme ei­nes wirk­sa­men Gläubi­ger­schut­zes be­ste­hen so­wohl bei der "Wie­der­be­le­bung" ei­nes durch das Ein­schla­fen­las­sen des Ge­schäfts­be­triebs zur lee­ren Hülse ge­wor­de­nen Man­tels durch Aus­stat­tung mit einem (neuen) Un­ter­neh­men als auch im Zu­sam­men­hang mit der Ver­wen­dung des lee­ren Man­tels ei­ner Ab­wick­lungs­ge­sell­schaft, de­ren Ab­wick­lung nicht wei­ter be­trie­ben wurde.

Der Sach­ver­halt:
Im Juli 2002 wurde die S-GmbH gegründet. Ge­schäftsführer und al­lei­ni­ger Ge­sell­schaf­ter mit einem Ge­schäfts­an­teil von 25.000 € war der Ehe­mann der Be­klag­ten, R.H. Un­ter­neh­mens­ge­gen­stand war der Han­del mit "Schnäpp­chen", be­son­ders im Be­reich von Tex­ti­lien, Ein­rich­tungs­ge­genständen, Bet­ten und Bett­wa­ren.

Im De­zem­ber 2004 wur­den die Auflösung der Ge­sell­schaft und R.H. als Li­qui­da­tor in das Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen. Im Ge­schäfts­jahr 2005 ruhte der Ge­schäfts­be­trieb. Im März 2006 wur­den die Fort­set­zung der S-GmbH und die Be­stel­lung von R.H. zum Ge­schäftsführer im Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen. Im April 2006 nahm die Ge­sell­schaft ih­ren Ge­schäfts­be­trieb wie­der auf. Ende Mai 2006 trat R.H. sei­nen Ge­schäfts­an­teil an die Be­klagte ab. Die Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung be­schloss am sel­ben Tag die Firma in T-GmbH zu ändern. Der die Ab­tre­tung be­ur­kun­dende No­tar ist dem Rechts­streit auf Sei­ten der Be­klag­ten bei­ge­tre­ten.

Mit Be­schluss von Sep­tem­ber 2008 wurde die Firma er­neut geändert in WT-GmbH. Im De­zem­ber 2009 wurde das In­sol­venz­ver­fah­ren über das Vermögen der WT-GmbH eröff­net. Der Kläger ist In­sol­venz­ver­wal­ter über das Vermögen der Schuld­ne­rin. Er ist der Auf­fas­sung, die Be­klagte hafte we­gen feh­len­der Of­fen­le­gung ei­ner wirt­schaft­li­chen Neugründung nach den Grundsätzen der Vor­be­las­tungs­haf­tung be­zo­gen auf den Zeit­punkt der In­sol­ven­zeröff­nung.

LG und OLG ga­ben der Klage statt, ver­ur­teil­ten die Be­klagte zur Zah­lung von rd. 170.000 € und stell­ten fesdt, dass die Be­klagte dem Kläger zum Er­satz der Dif­fe­renz zwi­schen dem im Zeit­punkt der In­sol­ven­zeröff­nung am 9.12.2009 vor­han­de­nen Vermögen und dem Stamm­ka­pi­tal der Schuld­ne­rin ver­pflich­tet ist. Auf die Re­vi­sion des Streit­hel­fers der Be­klag­ten hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und ver­wies die Sa­che zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die Gründe des an­ge­foch­te­nen Ur­teils las­sen nicht er­ken­nen, ob das OLG bei der Be­ur­tei­lung der Frage, ob die S-GmbH im Zeit­punkt der Fort­set­zung der Ge­sell­schaft eine leere Hülse im Sinne der Se­nats­recht­spre­chung ge­we­sen ist, die rich­ti­gen recht­li­chen Maßstäbe an­ge­legt hat.

Zu Recht ist das OLG da­von aus­ge­gan­gen, dass die Grundsätze der wirt­schaft­li­chen Neugründung auch in der Li­qui­da­tion ei­ner GmbH An­wen­dung fin­den. Die mit der wirt­schaft­li­chen Neugründung ver­bun­de­nen Pro­bleme ei­nes wirk­sa­men Gläubi­ger­schut­zes be­ste­hen so­wohl bei der "Wie­der­be­le­bung" ei­nes durch das Ein­schla­fen­las­sen des Ge­schäfts­be­triebs zur lee­ren Hülse ge­wor­de­nen Man­tels durch Aus­stat­tung mit einem (neuen) Un­ter­neh­men als auch im Zu­sam­men­hang mit der Ver­wen­dung des lee­ren Man­tels ei­ner Ab­wick­lungs­ge­sell­schaft, de­ren Ab­wick­lung nicht wei­ter be­trie­ben wurde. In bei­den Fällen be­steht die Ge­fahr ei­ner Um­ge­hung der Gründungs­vor­schrif­ten mit der Folge, dass die ge­setz­li­che und ge­sell­schafts­ver­trag­li­che Ka­pi­tal­aus­stat­tung bei Auf­nahme der wirt­schaft­li­chen Tätig­keit nicht gewähr­leis­tet ist.

Ob das OLG zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen ist, dass die S-GmbH im Zeit­punkt der Fort­set­zung eine leere Hülse war, lässt sich an­hand der Fest­stel­lun­gen und der Begründung der Ent­schei­dung je­doch nicht be­ur­tei­len. Bei der recht­li­chen Gründung ei­ner GmbH liegt für den Zeit­raum, in dem die Ge­sell­schaft nach ih­rer Gründung und Ein­tra­gung le­dig­lich kon­krete Ak­ti­vitäten zur Pla­nung und Vor­be­rei­tung der Auf­nahme ih­rer nach außen ge­rich­te­ten Ge­schäftstätig­keit im Rah­men des sta­tu­ta­ri­schen Un­ter­neh­mens­ge­gen­stands ent­fal­tet, die Auf­nahme des (ei­gent­li­chen) Ge­schäfts­be­triebs nach außen aber noch nicht statt­ge­fun­den hat, eine "leere Hülse", auf de­ren Ver­wen­dung die Re­geln der wirt­schaft­li­chen Neugründung an­zu­wen­den sind, nicht vor. Die An­wen­dung der aus Gründen des Gläubi­ger­schut­zes ent­wi­ckel­ten Re­geln der wirt­schaft­li­chen Neugründung, mit de­nen der Ge­fahr ei­ner Um­ge­hung der Gründungs­vor­schrif­ten be­geg­net wer­den soll, ist nicht ge­bo­ten, wenn die Ge­sell­schaft mit Vor­be­rei­tungs­hand­lun­gen im Hin­blick auf ihre zukünf­tig in Aus­sicht ge­nom­me­nen Ge­schäfte be­fasst ist.

Für den Fall, dass die Ge­sell­schaft sich in der Li­qui­da­tion be­fin­det, ih­ren Ge­schäfts­be­trieb noch ab­zu­wi­ckeln hat und in die­sem Zu­sam­men­hang Ak­ti­vitäten ent­fal­tet, gilt nichts an­de­res. Die eine "leere Hülse" und da­mit die An­wen­dung der Re­geln der wirt­schaft­li­chen Neugründung aus­schließende an­dau­ernde ak­tive un­ter­neh­me­ri­sche Tätig­keit ist nicht stets mit dem dem Un­ter­neh­mens­ge­gen­stand ent­spre­chen­den ope­ra­ti­ven Ge­schäft gleich­zu­set­zen, son­dern hat ins­be­son­dere in der An­lauf- und in der Ab­wick­lungs­phase ei­ner Ge­sell­schaft einen der be­son­de­ren Un­ter­neh­menstätig­keit in die­sem Zeit­raum ent­spre­chen­den an­de­ren In­halt. In der Ab­wick­lungs­phase ist dar­auf ab­zu­stel­len, ob noch nen­nens­werte Li­qui­da­ti­ons­auf­ga­ben i.S.d. § 70 GmbHG wahr­ge­nom­men wer­den, die auf den Schluss der Li­qui­da­tion zu­steu­ern, oder ob die Ab­wick­lung über längere Zeit nicht mehr be­trie­ben wurde und des­halb vom Vor­lie­gen ei­nes lee­ren Ge­sell­schafts­man­tels ohne Ge­schäfts­be­trieb aus­zu­ge­hen ist.

Die Ausführun­gen des OLG las­sen nicht er­ken­nen, ob es bei sei­ner An­nahme, die Ge­sell­schaft habe kein ak­ti­ves Un­ter­neh­men mehr be­trie­ben und sei da­mit eine "leer ge­wor­dene Hülse" i.S.d. Recht­spre­chung zur wirt­schaft­li­chen Neugründung ge­we­sen, die oben dar­ge­leg­ten Grundsätze zur Ab­gren­zung des im Rah­men der Ab­wick­lungstätig­keit noch be­trie­be­nen Un­ter­neh­mens der auf­gelösten GmbH von der Man­tel­ver­wen­dung rechts­feh­ler­frei berück­sich­tigt hat.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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