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EuGH zur Anwendung der Anrechnungsmethode auf Dividenden aus ausländischen Quellen im britischen Steuerrecht

Urteil des EuGH vom 13.11.2012 - C-35/11

Grundsätz­lich ermäch­tigt das Uni­ons­recht einen Mit­glied­staat, auf Di­vi­den­den aus inländi­schen Quel­len die Be­frei­ungs­me­thode und auf Di­vi­den­den aus ausländi­schen Quel­len die An­rech­nungs­me­thode an­zu­wen­den. Die An­wen­dung der im bri­ti­schen Steu­er­recht vor­ge­se­he­nen An­rech­nungs­me­thode auf Di­vi­den­den aus ausländi­schen Quel­len gewähr­leis­tet aber keine steu­er­li­che Be­hand­lung, die der­je­ni­gen gleich­wer­tig ist, die sich aus der An­wen­dung der Be­frei­ungs­me­thode auf Di­vi­den­den aus inländi­schen Quel­len er­gibt.

Der Sach­ver­halt:
Im Ver­ei­nig­ten König­reich muss ein ge­biets­ansässi­ges Un­ter­neh­men auf Di­vi­den­den, die es von ei­ner eben­falls dort ansässi­gen Ge­sell­schaft erhält, keine Körper­schaft­steuer ent­rich­ten (Be­frei­ungs­me­thode). Erhält da­ge­gen eine ge­biets­ansässige Ge­sell­schaft Di­vi­den­den von ei­ner ge­biets­frem­den Ge­sell­schaft, so muss sie auf diese Di­vi­den­den Körper­schaft­steuer ent­rich­ten. Sie kann je­doch die Steuer, die die aus­schüttende Ge­sell­schaft be­reits in ih­rem Sitz­staat auf die auf diese Weise aus­ge­schütte­ten Ge­winne ent­rich­tet hat, auf die Körper­schaft­steuer an­rech­nen (An­rech­nungs­me­thode).

Im Ver­ei­nig­ten König­reich ansässige Ge­sell­schaf­ten, die Di­vi­den­den von in einem an­de­ren Staat ansässi­gen Toch­ter­ge­sell­schaf­ten er­hal­ten ha­ben, be­strei­ten vor den bri­ti­schen Ge­rich­ten die Ver­ein­bar­keit der bri­ti­schen Steu­er­re­ge­lung für Di­vi­den­den aus ausländi­schen Quel­len mit dem Uni­ons­recht. Sie ma­chen gel­tend, dass diese na­tio­nale Re­ge­lung zu ei­ner ungüns­ti­ge­ren steu­er­li­chen Be­hand­lung ge­biets­ansässi­ger Ge­sell­schaf­ten führe, die Toch­ter­ge­sell­schaf­ten in an­de­ren Staa­ten hätten.

Auf Er­su­chen des High Court (Ver­ei­nig­tes König­reich) hatte der EuGH be­reits 2006 die in Rede ste­hen­den bri­ti­schen Rechts­vor­schrif­ten geprüft und war zu dem Er­geb­nis ge­langt, dass diese un­ter meh­re­ren Ge­sichts­punk­ten ge­gen das Uni­ons­recht ver­stoßen. In der vor­lie­gen­den Rechts­sa­che er­sucht das bri­ti­sche Ge­richt den EuGH um Klar­stel­lung die­ser 2006 ent­wi­ckel­ten Recht­spre­chung.

Die Gründe:
Grundsätz­lich ermäch­tigt das Uni­ons­recht einen Mit­glied­staat, auf Di­vi­den­den aus inländi­schen Quel­len die Be­frei­ungs­me­thode und auf Di­vi­den­den aus ausländi­schen Quel­len die An­rech­nungs­me­thode an­zu­wen­den. Es kann im All­ge­mei­nen da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass diese bei­den Me­tho­den gleich­wer­tig sind. Diese Gleich­wer­tig­keit kann je­doch be­einträch­tigt sein. Wer­den nämlich Di­vi­den­den aus inländi­schen Quel­len aus­ge­schüttet, sind diese bei der Empfänger­ge­sell­schaft von der Körper­schaft­steuer un­abhängig von der Steuer, die die aus­schüttende Ge­sell­schaft ent­rich­tet hat, be­freit. Da­ge­gen be­stimmt sich im Falle ei­ner Aus­schüttung von Di­vi­den­den aus ausländi­schen Quel­len die Steu­er­gut­schrift, die die Di­vi­den­den emp­fan­gende Ge­sell­schaft nach der An­rech­nungs­me­thode erhält, un­ter Berück­sich­ti­gung des ef­fek­ti­ven Be­steue­rungs­ni­veaus für die Ge­winne im Her­kunfts­staat.

Die Gleich­wer­tig­keit der Be­frei­ungs- und der An­rech­nungs­me­thode wird al­ler­dings nicht von vorn­her­ein be­einträch­tigt, wenn in Aus­nah­mefällen Di­vi­den­den aus inländi­schen Quel­len be­freit sind, während die Ge­winne, aus de­nen diese Di­vi­den­den ge­zahlt wer­den, ins­ge­samt nicht einem ef­fek­ti­ven Be­steue­rungs­ni­veau un­ter­lie­gen, das dem no­mi­na­len Steu­er­satz ent­spricht. Nach den Ausführun­gen des High Court ist aber das ef­fek­tive Be­steue­rungs­ni­veau der ge­biets­ansässi­gen Ge­sell­schaf­ten im Ver­ei­nig­ten König­reich in den meis­ten Fällen nied­ri­ger als der no­mi­nale Steu­er­satz. Da­her gewähr­leis­tet die An­wen­dung der An­rech­nungs­me­thode auf Di­vi­den­den aus ausländi­schen Quel­len, wie sie in der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen Re­ge­lung vor­ge­se­hen ist, keine steu­er­li­che Be­hand­lung, die der­je­ni­gen gleich­wer­tig ist, die sich aus der An­wen­dung der Be­frei­ungs­me­thode auf Di­vi­den­den aus inländi­schen Quel­len er­gibt, so dass die bri­ti­sche Re­ge­lung als nach dem AEUV ver­bo­tene Be­schränkung der Nie­der­las­sungs­frei­heit und des freien Ka­pi­tal­ver­kehrs ein­zu­stu­fen ist.

In­so­weit hätte der mit der na­tio­na­len Re­ge­lung ver­folgte Zweck, der in der Wah­rung der Kohärenz der na­tio­na­len Steu­er­re­ge­lung be­steht, durch we­ni­ger ein­schnei­dende Maßnah­men er­reicht wer­den können. Der steu­er­li­chen Ent­las­tung ei­ner ge­biets­ansässi­gen Ge­sell­schaft, die Di­vi­den­den aus inländi­schen Quel­len be­zieht, liegt die An­nahme zu­grunde, dass diese Ge­winne bei der Ge­sell­schaft, die Di­vi­den­den aus­schüttet, zum no­mi­na­len Steu­er­satz be­steu­ert wer­den. Die Be­frei­ung kommt so­mit der Gewährung ei­ner Steu­er­gut­schrift nahe, die nach Maßgabe des no­mi­na­len Steu­er­sat­zes be­rech­net wird, so dass der bri­ti­sche Ge­setz­ge­ber zur Wah­rung der Kohärenz der Steu­er­re­ge­lung auch im Rah­men der An­rech­nungs­me­thode den no­mi­na­len Steu­er­satz, der auf die aus­schüttende Ge­sell­schaft an­wend­bar ist, hätte berück­sich­ti­gen können, und nicht die Steuer, die diese tatsäch­lich ent­rich­tet hat.

Link­hin­weis:

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