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BVerfG: Regelung für das EFSF-Sondergremium ist überwiegend unwirksam

BVerfG 28.2.2012, 2 BvE 8/11

Die im Zu­sam­men­hang mit der Er­wei­te­rung des "Euro-Ret­tungs­schirms" ge­trof­fene Neu­re­ge­lung des § 3 Abs. 3 Stab­MechG zum neunköpfi­gen EFSF-Son­der­gre­mium in Fällen be­son­de­rer Eil­bedürf­tig­keit und Ver­trau­lich­keit ist über­wie­gend un­zulässig. Sie be­wirkt eine Un­gleich­be­hand­lung hin­sicht­lich der aus dem Ab­ge­ord­ne­ten­sta­tus fol­gen­den Mit­wir­kungs­be­fug­nisse im Rah­men der par­la­men­ta­ri­schen Ar­beit.

Der Sach­ver­halt:
Die An­trag­stel­ler in dem Or­gan­streit­ver­fah­ren sind zwei Ab­ge­ord­nete des Deut­schen Bun­des­ta­ges. Sie hat­ten sich ge­gen die im Zu­sam­men­hang mit der Er­wei­te­rung des "Euro-Ret­tungs­schirms" ge­trof­fene Neu­re­ge­lung des § 3 Abs. 3 Stab­MechG, wo­nach die Ent­schei­dungs­be­fug­nisse des Deut­schen Bun­des­ta­ges hin­sicht­lich der (er­wei­ter­ten) Maßnah­men der EFSF in Fällen be­son­de­rer Eil­bedürf­tig­keit und Ver­trau­lich­keit von einem aus neun Mit­glie­dern des Haus­halts­aus­schus­ses gewähl­ten sog. EFSF-Son­der­gre­mium ausgeübt wer­den, ge­wandt.

Die An­trag­stel­ler sa­hen sich in ih­rem Ab­ge­ord­ne­ten­sta­tus gem. Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG ver­letzt, so­weit die haus­halts­po­li­ti­sche Ge­samt­ver­ant­wor­tung auf das Son­der­gre­mium de­le­giert wird. Der Deut­sche Bun­des­tag hat am 26.10.2011 die Mit­glie­der des Son­der­gre­mi­ums gewählt. Auf An­trag vom 27.10.2011 hat das BVerfG mit Be­schluss vom glei­chen Tag eine einst­wei­lige An­ord­nung er­las­sen, nach der die Be­tei­li­gungs­rechte des Deut­schen Bun­des­ta­ges bis zu ei­ner Ent­schei­dung in der Haupt­sa­che nicht von dem Son­der­gre­mium wahr­ge­nom­men wer­den dürfen.

Nun hat das BVerfG in der Haupt­sa­che ent­schie­den und den An­trag der zwei Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten für über­wie­gend begründet er­ach­tet.

Die Gründe:
Die Re­ge­lung des § 3 Abs. 3 Stab­MechG ver­letzt die An­trag­stel­ler in ih­ren Ab­ge­ord­ne­ten­rech­ten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG. Ver­fas­sungs­recht­lich nicht zu be­an­stan­den ist § 3 Abs. 3 Stab­MechG nur in­so­weit, als er dem Son­der­gre­mium Ent­schei­dungs­kom­pe­ten­zen für den Fall des An­kaufs von Staats­an­lei­hen durch die EFSF am sog. Se­kundärmarkt ver­leiht. Auch die eben­falls an­ge­grif­fene Vor­schrift des § 5 Abs. 7 Stab­MechG, die in Fällen be­son­de­rer Ver­trau­lich­keit eine Be­schränkung der Un­ter­rich­tungs­rechte des Bun­des­ta­ges auf die Mit­glie­der des Son­der­gre­mi­ums vor­sieht, ver­letzt die An­trag­stel­ler bei ver­fas­sungs­kon­for­mer Aus­le­gung nicht in ih­ren Ab­ge­ord­ne­ten­rech­ten.

Bei der Be­schränkung der Sta­tus­rechte der Ab­ge­ord­ne­ten ist der Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit zu wah­ren und ein an­ge­mes­se­ner Aus­gleich zwi­schen den Sta­tus­rech­ten der Ab­ge­ord­ne­ten ei­ner­seits und der da­mit kol­li­die­ren­den Funk­ti­onsfähig­keit des Deut­schen Bun­des­ta­ges an­de­rer­seits si­cher­zu­stel­len. Die­sen An­for­de­run­gen wird die Ein­rich­tung des in § 3 Abs. 3 Stab­MechG vor­ge­se­he­nen Son­der­gre­mi­ums we­der un­ter dem Ge­sichts­punkt der be­son­de­ren Eil­bedürf­tig­keit noch dem­je­ni­gen der Ver­trau­lich­keit ge­recht.

Die in § 3 Abs. 3 Stab­MechG ent­hal­tene Re­ge­lung, wo­nach bei Notmaßnah­men zur Ver­hin­de­rung von An­ste­ckungs­ge­fah­ren "re­gelmäßig" be­son­dere Eil­bedürf­tig­keit oder Ver­trau­lich­keit vor­liegt, ist nicht mit den sich aus dem Ab­ge­ord­ne­ten­sta­tus er­ge­ben­den Rech­ten ver­ein­bar. Die Re­gel­ver­mu­tung ver­fehlt die Be­schränkung der De­le­ga­ti­onsmöglich­keit auf eng be­grenzte Aus­nah­mefälle und wird da­her den An­for­de­run­gen an einen scho­nen­den Aus­gleich zwi­schen dem in der Funk­ti­onsfähig­keit des Deut­schen Bun­des­ta­ges an­ge­sie­del­ten Ge­heim­schutz­in­ter­esse und den da­mit kol­li­die­ren­den Sta­tus­rech­ten der Ab­ge­ord­ne­ten nicht ge­recht. Die Be­schränkung der Sta­tus­rechte der Ab­ge­ord­ne­ten wird da­durch zusätz­lich ver­schärft, dass das Ple­num keine ef­fek­tive Möglich­keit hat, das Ein­grei­fen der Re­gel­ver­mu­tung im Vor­feld zu überprüfen und die zu ent­schei­dende An­ge­le­gen­heit wie­der an sich zu zie­hen.

Link­hin­weis:
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