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BGH zur Wertgrenze des Merkmals "in großem Ausmaß" im Falle einer Steuerhinterziehung

Beschluss des BGH vom 15.12.2011 - 1 StR 579/11

Das Merk­mal "in großem Ausmaß" liegt grundsätz­lich dann vor, wenn der Hin­ter­zie­hungs­be­trag 50.000 € über­steigt. Be­schränkt sich das Ver­hal­ten des Täters in­des dar­auf, die Fi­nanz­behörden pflicht­wid­rig über steu­er­lich er­heb­li­che Tat­sa­chen in Un­kennt­nis zu las­sen und führt das le­dig­lich zu ei­ner Gefähr­dung des Steu­er­an­spruchs, liegt die Wert­grenze zum "großen Ausmaß" dem­ge­genüber bei 100.000 €.

Der Sach­ver­halt:
Der An­ge­klagte war vom LG gem. § 370 AO we­gen Steu­er­hin­ter­zie­hung ver­ur­teilt wor­den. Seine hier­ge­gen ge­rich­tete Re­vi­sion blieb vor dem BGH er­folg­los. Der Erörte­rung be­durfte al­ler­dings die An­nahme des LG, es sehe die Grenze für die Steu­er­hin­ter­zie­hung "in großem Ausmaß" gem. § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO "ent­spre­chend der ständi­gen BGH-Recht­spre­chung bei 100.000 €". Dies hin­ter­ließ den Ein­druck, das LG sei der Auf­fas­sung, die Schwelle zur Hin­ter­zie­hung "in großem Ausmaß" sei stets erst bei ei­ner Verkürzung von 100.000 € über­schrit­ten.

Außer­dem war das LG of­fen­bar der Auf­fas­sung, es ma­che für die Frage, ob eine Hin­ter­zie­hung "in großem Ausmaß" vor­liege, einen Un­ter­schied, ob ein durch die Tat er­lang­tes (schein­ba­res) Steu­er­gut­ha­ben aus­ge­zahlt oder aber mit an­der­wei­ti­gen Steu­er­schul­den ver­rech­net werde.

Die Gründe:
Bei der Be­stim­mung des ge­setz­li­chen Merk­mals "in großem Ausmaß" im Re­gel­bei­spiel des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO für einen be­son­ders schwe­ren Fall der Steu­er­hin­ter­zie­hung gilt Fol­gen­des:

Das Merk­mal "in großem Ausmaß" wird nach ob­jek­ti­ven Maßstäben be­stimmt. Es liegt grundsätz­lich dann vor, wenn der Hin­ter­zie­hungs­be­trag 50.000 € über­steigt. Die Be­trags­grenze von 50.000 € kommt na­ment­lich dann zur An­wen­dung, wenn der Täter un­ge­recht­fer­tigte Zah­lun­gen vom Fi­nanz­amt er­langt hat, etwa bei Steu­er­er­stat­tun­gen durch Um­satz­steu­er­ka­rus­selle, Ket­ten­ge­schäfte oder durch Ein­schal­tung von sog. Ser­vice­un­ter­neh­men ("Griff in die Kasse"). Ist diese Wert­grenze über­schrit­ten, dann ist das Merk­mal erfüllt (BGH-Grund­satz­ur­teil v. 2.12.2008, Az.: 1 StR 416/08).

Be­schränkt sich das Ver­hal­ten des Täters in­des dar­auf, die Fi­nanz­behörden pflicht­wid­rig über steu­er­lich er­heb­li­che Tat­sa­chen in Un­kennt­nis zu las­sen und führt das le­dig­lich zu ei­ner Gefähr­dung des Steu­er­an­spruchs, liegt die Wert­grenze zum "großen Ausmaß" dem­ge­genüber bei 100.000 €. Das­selbe gilt auch dann, wenn der Steu­er­pflich­tige zwar eine Steu­er­hin­ter­zie­hung durch ak­ti­ves Tun be­geht, in­dem er eine un­vollständige Steu­er­erklärung ab­gibt, er da­bei aber le­dig­lich steu­er­pflich­tige Einkünfte oder Umsätze ver­schweigt (vgl. BGH- Be­schl. v. 12.7.2011, Az.: 1 StR 81/11) und al­lein da­durch eine Gefähr­dung des Steu­er­an­spruchs her­beiführt.

An­ders ist die Sach­lage, wenn der Täter steu­er­min­dernde Umstände vortäuscht, in­dem er etwa tatsäch­lich nicht vor­han­dene Be­triebs­aus­ga­ben vortäuscht oder nicht be­ste­hende Vor­steu­er­beträge gel­tend macht. Denn in einem sol­chen Fall be­schränkt sich das Ver­hal­ten des Täters nicht dar­auf, den be­ste­hen­den Steu­er­an­spruch durch bloßes Ver­schwei­gen von Einkünf­ten oder Umsätzen zu gefähr­den. Viel­mehr un­ter­nimmt er einen "Griff in die Kasse" des Staa­tes, weil die Tat zu ei­ner Er­stat­tung ei­nes (tatsäch­lich nicht be­ste­hen­den) Steu­er­gut­ha­bens oder zum (schein­ba­ren) Erlöschen ei­ner be­ste­hen­den Steu­er­for­de­rung führen soll. Es bleibt dann des­halb für das ge­setz­li­che Merk­mal "in großem Ausmaß" bei der Wert­grenze von 50.000 €.

Trifft bei­des zu­sam­men, etwa beim Ver­heim­li­chen von Umsätzen und gleich­zei­ti­gem Vortäuschen von Vor­steu­er­beträgen, ist das Merk­mal "in großem Ausmaß" i.S.v. § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO je­den­falls dann erfüllt, wenn der Täter vom Fi­nanz­amt un­ge­recht­fer­tigte Zah­lun­gen i.H.v. mind. 50.000 € er­langt hat. Das­selbe gilt aber auch, wenn ein auf­grund fal­scher An­ga­ben schein­bar in die­ser Höhe be­ste­hen­der Aus­zah­lungs­an­spruch ganz oder teil­weise mit an­der­wei­ti­gen Steu­er­ver­bind­lich­kei­ten ver­rech­net wurde. Hat da­ge­gen die Vortäuschung von steu­er­min­dern­den Umständen für sich al­lein noch nicht zu ei­ner Steu­er­verkürzung von mind. 50.000 € geführt, ver­bleibt es für die Tat ins­ge­samt beim Schwel­len­wert von 100.000 e.

Link­hin­weis:
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