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BGH bestätigt: Compliance Maßnahmen werden bei der Bemessung der Verbandsgeldbuße mildernd berücksichtigt

Com­pli­ance Maßnah­men sind bei der Be­mes­sung ei­ner Ver­bands­geldbuße mil­dernd zu berück­sich­ti­gen. Dies stellte der BGH in sei­nem Be­schluss vom 27.04.2022 (Az. 5 StR 278/21) er­neut her­aus. Für die Com­pli­ance Pra­xis zeigt sich, dass Un­ter­neh­men von der Im­ple­men­tie­rung ei­nes Com­pli­ance Ma­nage­ment Sys­tems so­wie der Ein­rich­tung ei­nes Hin­weis­ge­ber­sys­tems nicht nur im Vor­feld, son­dern auch im Nach­gang zur Ta­ten­de­ckung pro­fi­tie­ren.

Dem Be­schluss liegt ein Be­ste­chungs­fall zu­grunde.

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In der Vor­in­stanz hatte das Land­ge­richt Ham­burg die Be­tei­lig­ten we­gen Be­ste­chung bzw. Be­stech­lich­keit zu Bewährungs­stra­fen ver­ur­teilt und ge­gen das Un­ter­neh­men eine Geldbuße nach § 30 OWiG in Höhe von 150.000 Euro fest­ge­setzt.

Hin­weis: § 30 OWiG ermöglicht es, das Un­ter­neh­men selbst zum Ziel des Ver­fah­rens zu ma­chen und die­ses mit ei­ner Geldbuße zu be­le­gen.

Diese Ent­schei­dung bestätigte der BGH und stellte ins­be­son­dere die zu­tref­fende Be­mes­sung der Geldbuße fest.

Nach An­sicht der Rich­ter habe das Land­ge­richt den Ab­schöpfungs­teil der Geldbuße un­ter An­wen­dung des gel­ten­den Net­to­prin­zips gemäß § 17 Abs. 4 OWiG rechts­feh­ler­frei be­stimmt. Maßgeb­lich sei da­bei der Roh­ge­winn des Un­ter­neh­mens, der sich aus den durch die Aufträge des Bau­ho­fes er­ziel­ten Netto-Umsätzen er­gebe. Der BGH be­tont, es seien in die­sem Zu­sam­men­hang grundsätz­lich so­gar grobe Schätzun­gen aus­rei­chend, wenn sie auf nachprüfba­ren An­ga­ben be­ruh­ten. Der für den Ab­schöpfungs­teil maßgeb­li­che wirt­schaft­li­che Vor­teil wird im Sinne des § 17 Abs. 4 OWiG nach der rei­nen wirt­schaft­li­chen Be­trach­tungs­weise be­rech­net. So­mit wer­den auch zu­ge­flos­sene Schmier­geld­zah­lun­gen von dem Ge­winn ab­ge­zo­gen. Zu be­ach­ten sei der ent­schei­dende Un­ter­schied zur Ein­zie­hung des Ge­winns aus der Tat und dem hier­bei herr­schen­den Brut­to­prin­zip.

Der BGH un­ter­streicht zu­dem die Be­deu­tung von Com­pli­ance Ma­nage­ment Sys­te­men im Rah­men der Be­mes­sung der Geldbuße. Ne­ben der Berück­sich­ti­gung der Schwere der An­las­stat und dem Ausmaß der Pflicht­ver­let­zung der Lei­tungs­per­son seien die wirt­schaft­li­chen Verhält­nisse der Ne­ben­be­tei­lig­ten ein wich­ti­ges Be­mes­sungs­kri­te­rium. Darüber hin­aus sol­len et­waige Ein­tra­gun­gen in re­le­vante Re­gis­ter, wie dem Wett­be­werbs­re­gis­ter, und die zi­vil­recht­li­che In­an­spruch­nahme der Ne­ben­be­tei­lig­ten eben­falls mil­dernd in die Zu­mes­sung ein­fließen. In die­sem Zu­sam­men­hang war vor­lie­gend ins­be­son­dere der nach den Ta­ten durch­lau­fene und um­fang­rei­che „Selbst­rei­ni­gungs­pro­zess“ des Un­ter­neh­mens zu ho­no­rie­ren. Der BGH be­tont hier­bei ex­pli­zit die Einführung um­fas­sen­der Com­pli­ance-Maßnah­men so­wie ei­nes Hin­weis­ge­ber­sys­tems.

Nach­dem der BGH im Jahr 2017 erst­mals die Einführung von Com­pli­ance Ma­nage­ment Sys­te­men ausdrück­lich bußgeld­mil­dernd berück­sich­tigt hatte, hebt der er in sei­nem ak­tu­el­len Be­schluss noch­mals her­vor, dass die Ein­rich­tung ent­spre­chen­der Sys­teme sich je­der­zeit po­si­tiv für ein Un­ter­neh­men aus­wirkt. Die Erwähnung des Hin­weis­ge­ber­sys­tems, das mit dem zeit­na­hen In­kraft­tre­ten des Hin­weis­ge­ber­schutz­ge­set­zes für zahl­rei­che Un­ter­neh­men als­bald auch ver­pflich­tend sein wird, spie­gelt zu­dem die Be­deu­tung ei­ner sol­chen Maßnahme wi­der. Eine zusätz­li­che Re­le­vanz re­sul­tiert aus der be­ste­hen­den Ver­pflich­tung zur Ab­frage des Wett­be­werbs­re­gis­ters seit dem 01.06.2022. Darin ist die „Selbst­rei­ni­gung“ Vor­aus­set­zung für die Löschung ei­nes ent­spre­chen­den Ein­trags und er­for­dert un­ter an­de­rem eine Sach­ver­halts­aufklärung so­wie an­ge­mes­sene Com­pli­ance-Maßnah­men.

Ein­mal mehr wird deut­lich, dass die Be­deu­tung von an­ge­mes­se­nen Com­pli­ance-Maßnah­men so­wohl für Er­mitt­lungs­behörden so­wie im An­schluss auch für die Ge­richte ein un­ver­zicht­ba­res Kri­te­rium bei der Be­wer­tung von straf- und bußgeld­recht­lich re­le­van­tem Ver­hal­ten und sei­nen Fol­gen ist. Für Un­ter­neh­men gilt wei­ter­hin die be­ste­hende Pflich­ten­trias im Falle von Com­pli­ance-Verstößen: „Aufklären, Ab­stel­len, Ahn­den“. In je­dem Fall ist zu emp­feh­len, auf Ba­sis ei­ner um­fas­sen­den Ri­si­ko­ana­lyse ein in­di­vi­du­ell zu­ge­schnit­te­nes Com­pli­ance Ma­nage­ment Sys­tem zu im­ple­men­tie­ren be­zie­hungs­weise Op­ti­mie­run­gen und An­pas­sun­gen mit Blick auf Ge­set­zes­ver­schärfun­gen vor­zu­neh­men.

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