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BGH: Die Satzung einer zur Bildung eines Aufsichtsrats verpflichteten GmbH kann die Maximalanzahl von 20 Mitgliedern nicht erhöhen

Beschluss des BGH vom 30.1.2012 - II ZB 20/11

Die Sat­zung ei­ner GmbH, bei der ein Auf­sichts­rat nach dem Mit­be­stim­mungs­ge­setz (Mit­bestG) zu bil­den ist, kann nicht be­stim­men, dass der Auf­sichts­rat ne­ben zwan­zig stimm­be­rech­tig­ten Auf­sichts­rats­mit­glie­dern aus wei­te­ren Mit­glie­dern mit be­ra­ten­der Funk­tion be­steht. Auch die Re­ge­lung in § 109 Abs. 1 S. 2 AktG, wo­nach die Zu­zie­hung von Sach­verständi­gen und Aus­kunfts­per­so­nen zur Be­ra­tung über ein­zelne Ge­genstände zulässig ist, lässt kei­nen an­de­ren Schluss zu.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­tei­ligte ist eine Kon­zernober­ge­sell­schaft in Form ei­ner GmbH, de­ren al­lei­nige Ge­sell­schaf­te­rin die Stadt E ist. Sie be­herrscht eine Viel­zahl von Toch­ter­ge­sell­schaf­ten, die ins­ge­samt mehr als 2.000 Ar­beit­neh­mer be­schäfti­gen. Gem. § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Mit­bestG ist bei der Be­tei­lig­ten ein Auf­sichts­rat nach den Vor­schrif­ten des Mit­bestG ge­bil­det. § 8 Abs. 1 des Ge­sell­schafts­ver­trags der Be­tei­lig­ten in sei­ner bis­her gel­ten­den Fas­sung trifft dazu fol­gende Re­ge­lung: "Der Auf­sichts­rat der Ge­sell­schaft be­steht aus zwan­zig Mit­glie­dern. Da­von wer­den zehn Mit­glie­der von den Ar­beit­neh­mern nach den Vor­schrif­ten des Mit­bestG 1976 gewählt. Die wei­te­ren Mit­glie­der wer­den vom Rat der Stadt E ent­sandt, wo­von ei­nes der Oberbürger­meis­ter oder ein von ihm vor­ge­schla­ge­ner Be­am­ter oder An­ge­stell­ter der Stadt E ist."

Am 20.9.2010 be­schloss die Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung der Be­tei­lig­ten, ne­ben ei­ner Viel­zahl wei­te­rer Vor­schrif­ten § 8 Abs. 1 des Ge­sell­schafts­ver­trags wie folgt zu ändern:

"Der Auf­sichts­rat der Ge­sell­schaft be­steht aus zwan­zig stimm­be­rech­tig­ten Mit­glie­dern so­wie aus bis zu vier Mit­glie­dern mit be­ra­ten­der Funk­tion. Von den zwan­zig stimm­be­rech­tig­ten Mit­glie­dern wer­den zehn stimm­be­rech­tigte Mit­glie­der von den Ar­beit­neh­mern nach den Vor­schrif­ten des Mit­bestG 1976 gewählt. Die übri­gen zehn stimm­be­rech­tig­ten Mit­glie­der wer­den vom Rat der Stadt E ent­sandt, wo­von ei­nes der Oberbürger­meis­ter oder ein von ihm vor­ge­schla­ge­ner Be­am­ter oder An­ge­stell­ter der Stadt E ist. Rats­frak­tio­nen, wel­che dem Auf­sichts­rat nicht be­reits nach Satz 3 an­gehören, be­nen­nen je­weils ein be­ra­ten­des Mit­glied, das vom Rat der Stadt E ent­sandt wird."

Die Ge­schäftsführer der Be­tei­lig­ten mel­de­ten die Ände­run­gen des Ge­sell­schafts­ver­tra­ges mit no­ta­ri­ell be­glau­big­ter Erklärung vom 20.9.2010 zur Ein­tra­gung in das Han­dels­re­gis­ter an.

Mit Zwi­schen­verfügung be­an­stan­dete das AG - Re­gis­ter­ge­richt - die be­schlos­se­nen Er­wei­te­run­gen in § 8 des Ge­sell­schafts­ver­trags als un­zulässig, weil die ständige Teil­nahme von be­ra­ten­den Mit­glie­dern an Sit­zun­gen des Auf­sichts­rats ge­gen § 109 AktG ver­stoße; die be­an­stan­de­ten Re­ge­lun­gen seien da­her durch Ge­sell­schaf­ter­be­schluss zu strei­chen. Das OLG wies die Be­schwerde der Be­tei­lig­ten mit der Maßgabe zurück, dass der Be­tei­lig­ten eine Frist zur Be­he­bung des be­zeich­ne­ten Hin­der­nis­ses von einem Mo­nat ab Ein­tritt der Rechts­kraft der Be­schwer­de­ent­schei­dung ge­setzt wird. Die hier­ge­gen ge­rich­tete Rechts­be­schwerde hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Die Er­wei­te­rung des Auf­sichts­ra­tes auf bis zu vier­und­zwan­zig Mit­glie­der gem. § 8 Abs. 1 S. 1 des Ge­sell­schafts­ver­trags in der Fas­sung des Be­schlus­ses vom 20.9.2010 verstößt ge­gen § 7 Abs. 1 Mit­bestG, wo­nach sich der Auf­sichts­rat aus höchs­tens zwan­zig Mit­glie­dern zu­sam­men­setzt.

Bei der be­tei­lig­ten Ge­sell­schaft, die gem. § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Mit­bestG dem Mit­bestG un­ter­liegt, ist gem. § 6 Abs. 1 Mit­bestG zwin­gend ein Auf­sichts­rat zu bil­den. Nach § 7 Abs. 1 S. 1 bis 3 Mit­bestG kann die Sat­zung die Zahl der Auf­sichts­rats­mit­glie­der auf höchs­tens zwan­zig Auf­sichts­rats­mit­glie­der fest­le­gen, je zehn der An­teils­eig­ner und der Ar­beit­neh­mer. Ab­wei­chun­gen von die­ser ab­schließen­den Re­ge­lung sind nicht zulässig. § 7 Abs. 1 Mit­bestG ist lex spe­cia­lis zu §§ 95, 96 AktG.

Ent­ge­gen der An­sicht der Rechts­be­schwerde kann aus der in § 95 S. 1 AktG fest­ge­leg­ten Höchst­zahl von ein­und­zwan­zig Auf­sichts­rats­mit­glie­dern nicht her­ge­lei­tet wer­den, dass die Höchst­grenze von zwan­zig Auf­sichts­rats­mit­glie­dern nach § 7 Abs. 1 Mit­bestG über­schrit­ten wer­den dürfe. Nach der be­schlos­se­nen Sat­zungsände­rung soll der Auf­sichts­rat der Be­tei­lig­ten aber aus zwan­zig stimm­be­rech­tig­ten so­wie aus bis zu vier wei­te­ren Auf­sichts­rats­mit­glie­dern mit be­ra­ten­der Funk­tion be­ste­hen. Da auch die nicht stimm­be­rech­tig­ten wei­te­ren Auf­sichts­rats­mit­glie­der Auf­sichts­rats­mit­glie­der i.S.v. § 7 Abs. 1 Mit­bestG sind, wird die zulässige Höchst­zahl über­schrit­ten.

Auch aus § 109 Abs. 1 S. 2 AktG lässt sich nichts an­de­res her­lei­ten. Nach die­ser Vor­schrift ist nur die Zu­zie­hung von Sach­verständi­gen und Aus­kunfts­per­so­nen zur Be­ra­tung über ein­zelne Ge­genstände zulässig. Die geänderte Re­ge­lung in § 8 des Ge­sell­schafts­ver­trags der Be­tei­lig­ten sieht da­ge­gen die ständige Teil­nahme von bis zu vier be­ra­ten­den Mit­glie­dern an den Sit­zun­gen des Auf­sichts­rats vor. Die ständige Teil­nahme ei­ner die Höchst­zahl von zwan­zig Auf­sichts­rats­mit­glie­dern über­stei­gen­den An­zahl von Mit­glie­dern mit be­ra­ten­der Funk­tion an den Sit­zun­gen des Auf­sichts­rats ist mit § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Mit­bestG, § 109 Abs. 1 AktG nicht ver­ein­bar. Die Sat­zung kann über die in § 109 Abs. 1 S. 2, § 109 Abs. 3 AktG ge­nann­ten Fälle hin­aus den Kreis der zu den Sit­zun­gen des Auf­sichts­rats zu­ge­las­se­nen Per­so­nen nicht er­wei­tern.

Link­hin­weis:
  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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