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Steuerberatung

EuGH verneint Unternehmereigenschaft von Verwaltungsratsmitgliedern einer luxemburgischen AG - und nun?

Der EuGH ver­neint mit Ur­teil vom 21.12.2023 (Rs. C-288/22, TP) im Hin­blick auf die Tätig­keit von Ver­wal­tungs­rats­mit­glie­dern ei­ner Ak­ti­en­ge­sell­schaft nach lu­xem­bur­gi­schem Recht we­gen ei­nes feh­len­dem Haf­tungs­ri­si­kos eine selbständige Tätig­keit. Die Aus­strahl­wir­kung die­ser Ent­schei­dung sollte für Gre­mi­en­mit­glie­der deut­scher Ge­sell­schaf­ten je­doch über­schau­bar sein.

Was bisher geschah

Seit­dem der EuGH mit Ur­teil vom 13.06.2019 (Rs. C‑420/18, IO, DStR 2019, S. 1396) bei einem Mit­glied des Auf­sichts­rats ei­ner Stif­tung mit Fest­vergütung die wirt­schaft­li­che Tätig­keit und da­mit die Un­ter­neh­merei­gen­schaft ver­neinte, herrscht viel Un­si­cher­heit bei der um­satz­steu­er­li­chen Be­ur­tei­lung der Leis­tun­gen von Auf­sichts­rats­mit­glie­dern und an­de­ren Gre­mi­en­mit­glie­dern.

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Bis da­hin wurde ein Auf­sichts­rats­mit­glied in Deutsch­land nach ständi­ger Recht­spre­chung des BFH als selbständig an­ge­se­hen, so­dass es aus um­satz­steu­er­li­cher Sicht Un­ter­neh­mer war (A 2.2 Abs. 2 Satz 7 UStAE) und die Vergütung für seine Tätig­keit in der Re­gel der Um­satz­steuer un­ter­wor­fen wurde. Mit Ur­teil vom 27.11.2019 (Az. V R 23/19 (V R 61/17), BStBl. II 2021, S. 542) gab der BFH seine bis­he­rige Recht­spre­chung auf, über­nahm die Grundsätze des EuGH je­den­falls für die Tätig­keit ei­nes Mit­glie­des ei­nes Auf­sichts­rats mit Fest­vergütung und ver­neinte die Un­ter­neh­mei­gen­schaft. Das hierfür er­for­der­li­che wirt­schaft­li­che Ri­siko fehlte, da im Streit­fall das Auf­sichts­rats­mit­glied le­dig­lich eine Fest­vergütung er­hielt.

Mit Schrei­ben vom 08.07.2021 (Az. III C 2 - S 7104/19/10001 :003, BStBl. I 2021, S. 919) hat das BMF auf die Recht­spre­chung des EuGH (Ur­teil vom 13.06.2019, Rs. C-420/18, DStR 2019, S. 1396) und des BFH (Ur­teil vom 27.09.2019, Az. V R 23/19, BStBl. II 2021, S. 542) rea­giert und seine Auf­fas­sung zur Un­ter­neh­merei­gen­schaft von Auf­sichts­rats­mit­glie­dern und an­de­ren Gre­mi­en­mit­glie­dern an­ge­passt (siehe dazu be­reits un­se­ren Um­satz­steuer-News­let­ter vom 22.07.2021). Mit Schrei­ben vom 29.03.2022 (Az. III C 2 - S 7104/19/10001 :005, BStBl. I 2022, S. 567) hat das BMF seine Rechts­auf­fas­sung wei­ter kon­kre­ti­siert (siehe dazu un­ser Um­satz­steuer-News­let­ter vom 07.04.2022). Während das Ur­teil des BFH ausdrück­lich nur Auf­sichts­rats­mit­glie­der (mit Fest­vergütung) be­traf, soll­ten nach Auf­fas­sung der Fi­nanz­ver­wal­tung die neuen Grundsätze auch für Mit­glie­der von Aus­schüssen, die der Auf­sichts­rat nach § 107 Abs. 3 AktG be­stellt hat, gel­ten. Darüber hin­aus wen­det die Fi­nanz­ver­wal­tung die Grundsätze auch für alle an­de­ren Mit­glie­der von Kon­troll­gre­mien der Ge­schäftsführung, nicht aber für Mit­glie­der von Ge­schäftsführungs­gre­mien, an.

Worum geht es in der aktuellen EuGH-Entscheidung?

Der EuGH hatte nun die Tätig­keit ei­nes Mit­glieds ei­nes Ver­wal­tungs­rats ei­ner Ak­ti­en­ge­sell­schaft lu­xem­bur­gi­schen Rechts un­ter um­satz­steu­er­li­chen Ge­sichts­punk­ten zu be­ur­tei­len. Im Ent­schei­dungs­fall er­hielt das Mit­glied des Ver­wal­tungs­rats teil­weise Pau­schal­vergütun­gen als auch Ge­winn­be­tei­li­gun­gen (Tan­tie­men).

Hin­weis: Ein Ver­wal­tungs­rat ei­ner Ak­ti­en­ge­sell­schaft nach lu­xem­bur­gi­schem Recht ist aus­weis­lich des recht­li­chen Rah­mens in der EuGH-Ent­schei­dung be­fugt, alle Hand­lun­gen im Rah­men des Ge­sell­schafts­zwe­ckes für die Ge­sell­schaft vor­zu­neh­men und diese ge­genüber Drit­ten und vor Ge­richt zu ver­tre­ten. Da­mit dürf­ten Mit­glie­der ei­nes Ver­wal­tungs­ra­tes ei­ner Ak­ti­en­ge­sell­schaft nach lu­xem­bur­gi­schem Recht mit Mit­glie­dern von Ge­schäftsführungs­gre­mien inländi­scher Ge­sell­schaf­ten ver­gleich­bar sein.

Was hat der EuGH entschieden?

Wie auch schon in der o. g. IO-Ent­schei­dung zur Tätig­keit von Auf­sichts­rats­mit­glie­dern be­jahte der EuGH mit Ur­teil vom 21.12.2023 (Rs. C-288/22, TP) grundsätz­lich das Vor­lie­gen ei­ner wirt­schaft­li­chen Tätig­keit:

  • So lag nach Auf­fas­sung des EuGH grundsätz­lich eine Dienst­leis­tung ge­gen Ent­gelt vor.
  • Dem stand auch nicht ent­ge­gen, dass die Vergütung man­gels schrift­li­cher Ver­ein­ba­run­gen auf Ba­sis münd­li­cher Ab­re­den ge­zahlt wurde.
  • Diese wurde auf­grund der mehrjähri­gen Tätig­keit auch nach­hal­tig er­bracht.

Im Streit­fall ver­neinte der EuGH gleich­wohl eine un­ter­neh­me­ri­sche Tätig­keit, da diese nach sei­ner Auf­fas­sung nicht auf ei­gene Ver­ant­wor­tung und da­mit nicht selbständig ausgeübt werde:

  • Ob­gleich das Mit­glied die Mo­da­litäten sei­ner Tätig­keit grundsätz­lich frei re­gelte,
  • im ei­ge­nen Na­men han­delte,
  • kei­nem hier­ar­chi­schem Un­ter­ord­nungs­verhält­nis un­ter­lag,
  • han­delte es nach Auf­fas­sung des EuGH nicht für ei­gene Rech­nung und für ei­gene Ver­ant­wor­tung, da es man­gels Haf­tungs­re­ge­lung nicht das mit der Tätig­keit der Ver­wal­tungs­rats­mit­glie­der ein­her­ge­hende wirt­schaft­li­che Ri­siko trug.
  • Die Ver­ant­wort­lich­keit zwi­schen Ver­wal­tungs­rats­mit­glied und Ge­sell­schaft ver­teile sich da­her in ähn­li­cher Weise wie zwi­schen Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber, was ge­gen eine Tätig­keit in ei­ge­ner Ver­ant­wor­tung spre­che.

Was bedeutet das für Sie in der Praxis?

Eine Über­tra­gung der Grundsätze auf Mit­glie­der von Ge­schäftsführungs­gre­mien deut­scher Ge­sell­schaf­ten ist frag­lich, da diese re­gelmäßig Haf­tungs­ri­si­ken tra­gen und da­mit eine Un­ter­neh­merei­gen­schaft bei im Übri­gen selbständi­ger Tätig­keit zu be­ja­hen ist.

Mit der Frage, ob die Ent­schei­dung Aus­strahl­wir­kung auf Mit­glie­der rein über­wa­chen­der Gre­mien, wie bspw. Auf­sichtsräte, hat, hat sich der EuGH nicht be­fasst. In­so­weit gel­ten grundsätz­lich die mit der o. g. IO-Ent­schei­dung des EuGH auf­ge­stell­ten Kri­te­rien fort, wo­nach ein Auf­sichts­rats­rats­mit­glied je­den­falls dann kein wirt­schaft­li­ches Ri­siko trägt, wenn es eine feste Vergütung erhält. Der BFH hatte in sei­ner Ent­schei­dung vom 27.09.2019 (Az. V R 23/19, BStBl. II 2021, S. 542) diese Grundsätze für Auf­sichts­rats­mit­glie­der mit Fest­vergütung über­nom­men und keine wei­te­ren Aus­sa­gen ge­trof­fen.

Eine un­mit­tel­bare Aus­strahl­wir­kung auf inländi­sche Kon­stel­la­tio­nen sollte die Ent­schei­dung da­her grundsätz­lich nicht ent­fal­ten.

Hin­weis: Ein wei­te­rer As­pekt in der vor­lie­gen­den EuGH-Ent­schei­dung ist eben­falls po­si­tiv zu be­wer­ten: So wollte die Ge­ne­ral­anwältin in ih­rem Schlus­san­trag für Mit­glie­der von zwin­gend vor­ge­se­he­nen Or­ga­nen ei­ner Ge­sell­schaft eine selbständig wirt­schaft­li­che Tätig­keit un­ter Hin­weis auf den Grund­satz der Rechts­form­neu­tra­lität ver­nei­nen, da es an­de­ren­falls auf­grund von Vor­steu­er­be­schränkun­gen bei ein­zel­nen Ge­sell­schaf­ten zu Wett­be­werbs­ver­zer­run­gen kom­men könnte. Die­ser Punkt wurde durch den EuGH glück­li­cher­weise nicht wei­ter auf­grif­fen.

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