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Top-Entscheider aus der Agrar- & Ernährungsindustrie im Gespräch mit den führenden Finanzinstituten

Die Ver­an­stal­tung hat sich mitt­ler­weile zur eta­blier­ten Dia­log­platt­form für In­dus­trie und Fi­nan­zie­rer ent­wi­ckelt. Und zum fes­ten Herbst­ter­min im Ka­len­der vie­ler Teil­neh­mer. Der Ein­la­dung zum 7. Bran­chen­dia­log Agrar & Ernährung am 17. Sep­tem­ber 2019 in Düssel­dorf wa­ren über 160 Fi­nan­zie­rer ge­folgt, das ist Re­kord.

An­dreas Schüren, Part­ner bei Eb­ner Stolz Ma­nage­ment Con­sul­tants, begrüßte die Gäste und stimmte auf die Vorträge ein. Ein Schwer­punkt­thema wa­ren die ak­tu­el­len Her­aus­for­de­run­gen für die Fleisch­pro­duk­tion – auf der einen Seite An­for­de­run­gen an das Tier­wohl, Pro­bleme mit Gülle und Kli­ma­gas­emis­sio­nen und auf der an­de­ren Seite der stark wach­sende Markt für Flei­scher­satz­pro­dukte. Wie geht man um mit Pro­gno­sen, dass Beyond Meat und wei­tere Start-ups wie No­va­meat aus Bar­ce­lona oder Su­per-Meat aus Is­rael in we­ni­gen Jah­ren die Welt ernähren? Auch in an­de­ren Bran­chen­fel­dern muss die Wert­schöpfungs­kette Druck aus­hal­ten: Dürre führte 2018/19 zu er­heb­li­chen Er­trags­einbußen der Land­wirte, Me­ga­trends wie Bevölke­rungs­wachs­tum, Di­gi­ta­li­sie­rung und Smart Far­ming for­dern ste­tige Wei­ter­ent­wick­lung. Chris­toph Ha­ver­mann, eben­falls Part­ner, führte durch den Tag und mo­de­rierte die Feed­back­run­den.

Der Metzger mit dem Aktenkoffer

Hans-Ewald Rei­nert, Ge­schäftsführen­der Ge­sell­schaf­ter der Westfäli­schen Pri­vat-Flei­sche­rei Rei­nert, lei­tet das Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men in drit­ter Ge­ne­ra­tion. Eine an­spruchs­volle Auf­gabe an­ge­sichts ak­tu­el­ler Her­aus­for­de­run­gen wie den oben be­schrie­be­nen Ethik- und Nach­hal­tig­keits­fra­gen, der afri­ka­ni­schen Schwei­ne­pest (ASP), dem Brexit und einem ekla­tan­ten Fachkräfte­man­gel. Um sich in der ak­tu­el­len Kon­so­li­die­rungs­phase zu be­haup­ten, hält Rei­nert die The­men Mit­ar­bei­ter­bin­dung und Kun­den­ori­en­tie­rung für be­son­ders wich­tig. Per Um­frage er­mit­telte er, dass sich Kun­den am meis­ten an­ti­bio­ti­ka­freies Fleisch wünschen. Rei­nert rea­gierte und ex­pe­ri­men­tierte. Heute pro­du­ziere er eine Wurst aus 100 Pro­zent an­ti­bio­ti­ka­freier Auf­zucht. Um ein Un­ter­neh­men zu­kunftsfähig zu ma­chen, soll­ten Fir­men­len­ker ohne Angst vor einem Schei­tern neue Ge­schäfts­fel­der aus­pro­bie­ren und neue Ziel­grup­pen an­spre­chen.  

Versteckte Helfer – die internationalen Ingredients-Märkte

Es gibt Pro­dukte, die außer­halb ih­rer ei­ge­nen Bran­che gänz­lich un­be­kannt sind. Zu­satz­stoffe für Le­bens­mit­tel gehören dazu. Da­bei sind sie om­nipräsent. Tors­ten Wy­wiol ist CEO der von sei­nem Va­ter gegründe­ten Stern-Wy­wiol-Gruppe. Das nur 40 Jahre alte Un­ter­neh­men sei heute Marktführer für Le­bens­mit­tel­zu­satz­stoffe und Vi­tal­pro­dukte für die Tier­nah­rung. Ih­nen ver­danke man es, dass ein Teig gut auf­geht, die Oberfläche der Pasta glat­ter wird oder Kühe mehr Milch ge­ben. In­gre­dients könn­ten so auch hel­fen, den glo­ba­len Her­aus­for­de­run­gen zu be­geg­nen. Der Pro­tein­be­darf welt­weit steige und sei al­lein durch Fleisch nicht zu de­cken. Um Flei­scher­satz­pro­dukte in Tex­tur, Ge­schmack und Aus­se­hen so her­zu­stel­len, dass der Kunde sie als wirk­li­che Al­ter­na­tive ak­zep­tiere, seien Ex­tru­date, Sta­bi­li­sie­rungs- und Bin­de­mit­tel, Aro­men und Farbe nötig. Zu­satz­stoffe erhöhten die Halt­bar­keit von Le­bens­mit­teln, mach­ten die Pro­duk­tion ef­fek­ti­ver und ver­mie­den Ab­fall, En­er­gie und Was­ser. Möglich ma­che das ih­nen eine große For­schungs- und Ent­wick­lungs­ab­tei­lung, so Tors­ten Wy­wiol. Sein Tipp für junge Leute: „Wer­det Le­bens­mit­tel­tech­no­loge!“ Der Be­ruf sei zu­kunfts­si­cher, krea­tiv und in­no­va­tiv.

Der Stall der Zukunft: tiergerecht, automatisiert und hocheffizient

Sven Gueri­cke ist Vor­stands­mit­glied und COO der Big Dutch­mann AG, Welt­marktführer für Fütte­rungs­an­la­gen und Stal­lein­rich­tun­gen für Geflügel und Schweine. Die Hauptmärkte befänden sich heute in Asien, ins­be­son­dere in China, und in Südame­rika, so Gueri­cke. Hier wachse der Mit­tel­stand und frage im­mer mehr Fleisch und Eier nach. Noch stünden hier Tier­wohl, Öko­lo­gie, Di­gi­ta­li­sie­rung und Ef­fi­zi­enz nicht so im Fo­kus wie in Eu­ropa. Doch das seien die Zu­kunfts­the­men, auch in Über­see. Im Stall von mor­gen sei die Pro­duk­tion voll­au­to­ma­ti­siert. Alle Da­ten und Pro­zesse –– Fütte­rung, Rei­ni­gung, Kli­ma­ti­sie­rung, Sen­so­rik von Schad­stof­fen, Rest­stoff­ver­wer­tung usw. –– lie­fen dann di­gi­tal und ver­netzt. Das spare Res­sour­cen, re­du­ziere Emis­sio­nen und ermögli­che weit­rei­chende Da­ten­ana­ly­sen und Vor­her­sa­gen. So zum Bei­spiel auch Do­ku­men­ta­tio­nen, um Tier­wohl­stan­dards nach­zu­wei­sen.  

Die Konsolidierung in der Landwirtschaft geht weiter

Als CEO der Agrar­vis Raiffei­sen AG kennt Dr. Dirk Köck­ler den Struk­tur­wan­del an der Ba­sis viel­leicht am bes­ten. Al­lein in den letz­ten sie­ben Jah­ren seien in den al­ten Bun­desländern 10 bis 15 Pro­zent Be­triebe auf­ge­ge­ben wor­den. Zwar exis­tiere die flächen­de­ckende Land­wirt­schaft wei­ter, so seine These, doch die Kom­ple­xität steige. Dazu komme die ex­treme Tro­cken­heit. Sin­kende Erträge bei min­des­tens glei­chen Kos­ten ver­schärf­ten die oh­ne­hin schwie­rige Si­tua­tion. Lösun­gen oder Ge­genmaßnah­men sieht Köck­ler im tech­ni­schen Fort­schritt. Die ‚Pro­duk­ti­ons­sys­teme‘ Pflanze und Tier müss­ten wei­ter op­ti­miert, die Di­gi­ta­li­sie­rung for­ciert wer­den. Agrar­vis rolle ge­rade das ei­gene Por­tal ‚my­farm­vis‘ aus. Die ver­schie­de­nen Kom­po­nen­ten erhöhten die Ef­fi­zi­enz und trügen so zur Nach­hal­tig­keit bei. In­no­va­tive Fut­ter­kon­zepte führ­ten bei­spiels­weise zu we­ni­ger Treib­hau­sem­mis­sio­nen. Und die di­gi­tale, teilflächen­spe­zi­fi­sche Mais­aus­saat habe so­gar im Tro­cken­jahr 2018 im Schnitt zehn Pro­zent höhere Erträge ge­bracht.

Zucker: auf der Suche nach neuen Märkten und Anwendungen

Alex­an­der Bott, CFO der Nord­zu­cker AG, be­schloss die Ver­an­stal­tung. Früher habe es in je­dem Ort eine Zu­cker­fa­brik ge­ge­ben, heute, nach der eu­ropäischen De­re­gu­lie­rung von 2017, sei die Bran­che abhängig vom Welt­markt. Seit­dem seien die Preise durch die ein­set­zende Über­pro­duk­tion um 36 Pro­zent ge­sun­ken. Trotz der Tro­cken­heit, die für we­ni­ger Zu­cker am Markt sorge, bleibe das Preis­ni­veau weit un­ter Kos­ten. Da­bei müsse die deut­sche Zu­cker­in­dus­trie be­son­ders kämp­fen. Ei­nige EU-Mit­gliedsländer ver­zerr­ten den Wett­be­werb, in­dem sie Bei­hil­fen ver­teil­ten oder das Ver­bot neo­ni­coti­no­ider Pflan­zen­schutz­mit­tel um­gin­gen. Viel­ver­spre­chend seien In­ves­ti­tio­nen in die Wachs­tumsmärkte Asien und die kos­tengüns­ti­gere Rohr­zu­cker­pro­duk­tion in Afrika. Di­gi­tale Lösun­gen wie Beet-Scan­ning oder In­sek­ten-Mo­ni­to­ring böten Po­ten­ziale, so Bott. Aber man könne auch über ganz neue Ver­wen­dun­gen von Zu­cker nach­den­ken, zum Bei­spiel als Ver­pa­ckungs­ma­te­rial und Al­ter­na­tive zu Plas­tik.

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