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6 Prozent Aussetzungszinsen bei mehrjährigem Zinslauf (noch) nicht verfassungswidrig

FG Hamburg 23.5.2013, 2 K 50/12

Die An­wen­dung des Zins­sat­zes von 6 Pro­zent per anno gem. § 238 Abs. 1 AO auf aus­ge­setzte Steu­er­beträge gem. § 237 AO ist trotz kon­ti­nu­ier­lich ge­sun­ke­nen Zins­ni­veaus je­den­falls für einen Zins­lauf von 2004 bis 2011 nicht ver­fas­sungs­wid­rig. Da Zinssätze Schwan­kun­gen un­ter­lie­gen, wie sie sich in der Ver­gan­gen­heit stets ab­ge­bil­det ha­ben, ist dem Ge­setz­ge­ber eine ge­wisse Be­ob­ach­tungs­zeit vor ei­ner An­pas­sung des Zins­sat­zes zu­zu­bil­li­gen.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläger hat­ten eine 1996 er­wor­bene Ei­gen­tums­woh­nung im Jahr 2002 wie­der veräußert. Ge­gen die Berück­sich­ti­gung des Veräußerungs­ge­winns als Einkünfte aus einem pri­va­ten Veräußerungs­ge­schäft leg­ten sie Ein­spruch ein. Das Fi­nanz­amt gewährte ih­nen an­trags­gemäß Aus­set­zung der Voll­zie­hung (AdV) und ord­nete im Ok­to­ber 2004 im Hin­blick auf ein Vor­la­ge­ver­fah­ren beim BVerfG zur Ver­fas­sungsmäßig­keit der rück­wir­ken­den Verlänge­rung der Spe­ku­la­ti­ons­frist das Ru­hen des Ein­spruchs­ver­fah­rens gem. § 363 Abs. 2 AO an.

Nach Er­ge­hen der Ent­schei­dung des BVerfG im Juli 2010 hob das Fi­nanz­amt die gewährte AdV auf und setzte auf den aus­ge­setz­ten Steu­er­be­trag, so­weit eine Ab­hilfe in der Sa­che nicht er­folgte, gem. §§ 237, 238 AO Aus­set­zungs­zin­sen von 6 Pro­zent per anno für den Zeit­raum von mehr als sechs Jah­ren fest. Hier­ge­gen wen­den sich die Kläger mit ih­rer Klage. Sie ma­chen gel­tend, die kon­krete Zins­fest­set­zung sei we­gen der über­lan­gen Ver­fah­rens­dauer ver­fas­sungs­rechts­wid­rig. Die Vor­schrift des § 237 AO müsse ver­fas­sungs­kon­form da­hin aus­ge­legt wer­den, dass sie bei über­lan­ger Ver­fah­rens­dauer nicht an­zu­wen­den sei und schon gar nicht Zin­sen i.H.v. 6 Pro­zent per anno fest­ge­setzt wer­den dürf­ten.

Das FG wie die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Das Ur­teil ist nicht rechtskräftig. Die zwi­schen­zeit­lich anhängige Re­vi­sion wird beim BFH un­ter dem Az: IX R 31/13 geführt.

Die Gründe:
Die Fest­set­zung der Zin­sen ent­spricht der gel­ten­den Rechts­lage; durch­grei­fende ver­fas­sungs­recht­li­che Zwei­fel an der Zinshöhe be­ste­hen für den strei­ti­gen Zeit­raum nicht. Die Vor­schrif­ten der AO, nach de­nen auf aus­ge­setzte Steu­er­beträge Zin­sen von jähr­lich 6 Pro­zent zu zah­len sind, ver­stoßen für einen Zins­lauf von 2004 bis 2011 nicht ge­gen die Ver­fas­sung. Die bis­he­rige Recht­spre­chung - auch des BVerfG - hielt die Ver­zin­sungs­re­ge­lun­gen der AO bis­her für ver­fas­sungs­gemäß.

Nach Auf­fas­sung des BVerfG han­delt es sich bei der Ver­zin­sung nicht um eine steu­er­li­che Sank­tion. Viel­mehr solle nur der po­ten­ti­elle Li­qui­ditätsvor­teil des Steu­er­pflich­ti­gen ab­ge­schöpft wer­den. Zwar ermögli­che der aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG fol­gende An­spruch des Steu­er­pflich­ti­gen, nur im Rah­men der ver­fas­sungsmäßigen Ord­nung zur Leis­tung von Steu­ern und steu­er­li­chen Ne­ben­leis­tun­gen (wie Zin­sen) her­an­ge­zo­gen zu wer­den, es ihm auch, hier­bei die Berück­sich­ti­gung des Verhält­nismäßig­keits­prin­zips ein­zu­for­dern. Der Steu­er­pflich­tige dürfe nicht zu ei­ner un­verhält­nismäßigen Ab­gabe her­an­ge­zo­gen wer­den. In der Ver­zin­sung mit 6 Pro­zent pro Jahr liege in­des keine Ver­let­zung des Übermaßver­bots.

Dies gilt auch un­ter Berück­sich­ti­gung der Tat­sa­che, dass sich das Zinn­satz­ni­veau im letz­ten Jahr­zehnt kon­ti­nu­ier­lich nach un­ten be­wegt hat, und zwar so­wohl für Ha­ben- wie für Soll­zin­sen. Ty­pi­sie­rende Re­ge­lun­gen, wie etwa der vor­lie­gende ty­pi­sie­rende Zins­satz von 6 Pro­zent, bedürfen zwar ei­ner Kor­rek­tur, wenn sich die tatsäch­li­chen Verhält­nisse, die Grund­lage ei­ner zulässi­gen Ty­pi­sie­rung wa­ren, durch­grei­fend geändert ha­ben. Da die Zinssätze mit Rück­sicht auf wirt­schaft­li­che und po­li­ti­sche Im­pli­ka­tio­nen je­doch Schwan­kun­gen un­ter­lie­gen, wie sie sich in der Ver­gan­gen­heit stets ab­ge­bil­det ha­ben, ist dem Ge­setz­ge­ber eine ge­wisse Be­ob­ach­tungs­zeit vor ei­ner An­pas­sung des Zins­sat­zes zu­zu­bil­li­gen.

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