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Zur Unwirksamkeit der Entscheidungen einer satzungswidrig einberufenen Mitgliedsversammlung

OLG Hamm 18.12.2013, 8 U 20/13

Eine sat­zungs­wid­rige Form der Ein­la­dung zur Mit­glie­der­ver­samm­lung ei­nes Ver­eins (hier: Zu­stel­lung per In­fo­post der Deut­schen Post), die nicht in ver­gleich­ba­rer Form eine recht­zei­tige Kennt­nis­nahme der Mit­glie­der gewähr­leis­tet wie die sat­zungs­kon­forme Ein­la­dung, begründe einen re­le­van­ten Sat­zungs­ver­stoß. Be­schlüsse und Wahlen der Mit­glie­der­ver­samm­lung ei­nes Ver­eins können be­reits des­we­gen un­wirk­sam sein.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger ist langjähri­ges Mit­glied des bun­des­weit täti­gen be­klag­ten Ver­eins, des­sen sat­zungs­gemäßer Zweck auf die Förde­rung des Ver­brau­cher­schut­zes, des Um­welt­schut­zes, der Land­schafts­pflege und der Kunst und Kul­tur ge­rich­tet ist. § 9 der Ver­eins­sat­zung re­gelt, dass die or­dent­li­che Mit­glie­der­ver­samm­lung jähr­lich statt­zu­fin­den hat. Diese ist un­ter Ein­hal­tung ei­ner be­stimm­ten Frist durch Veröff­ent­li­chung im Ver­eins­blatt mit An­gabe der Ta­ges­ord­nung und des Ver­samm­lungs­or­tes ein­zu­be­ru­fen.

Zu der im Juni 2012 vor­ge­se­he­nen Mit­glie­der­ver­samm­lung lud der Be­klagte nicht über die Ver­ein­szeit­schrift ein. Er teilte den Ter­min zunächst per E-Mail-News­let­ter mit und sandte den Mit­glie­dern so­dann eine Ein­la­dung mit­tels der In­fo­post der Deut­schen Post zu. Der Kläger ist u.a. auf­grund der sat­zungs­wid­ri­gen Ein­be­ru­fung der Mit­glie­der­ver­samm­lung der Mei­nung, dass die Wahlen und Be­schlüsse der im Juni 2012 ab­ge­hal­te­nen Mit­glie­der­ver­samm­lung un­wirk­sam seien.

Das LG wies die Klage ab. Auf die Be­ru­fung des Klägers änderte das OLG das Ur­teil ab und gab der Klage statt. Die Re­vi­sion zum BGH wurde nicht zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Die Wahlen und Be­schlüsse der Mit­glie­der­ver­samm­lung vom Juni 2012 sind nich­tig, weil die Mit­glie­der­ver­samm­lung in sat­zungs­wid­ri­ger Weise ein­be­ru­fen wurde.

§ 9 der Ver­ein­sat­zung sieht zwin­gend vor, dass die Ein­la­dung zur Mit­glie­der­ver­samm­lung nebst An­gabe der Ta­ges­ord­nung in der Ver­ein­szeit­schrift zu veröff­ent­li­chen ist. Hieran hat sich der Be­klagte nicht ge­hal­ten. Es ist in­so­weit un­er­heb­lich, ob eine Veröff­ent­li­chung in der Ver­ein­szeit­schrift nicht prak­ti­ka­bel oder mit ho­hen Kos­ten ver­bun­den ist. Dass sie ob­jek­tiv unmöglich war, steht je­den­falls nicht fest. Auf­grund des Sat­zungs­ver­stoßes sind die in Frage ste­hen­den Ent­schei­dun­gen der Mit­glie­der­ver­samm­lung der Be­klag­ten nich­tig. Ein Ein­be­ru­fungs­man­gel kann nur dann un­er­heb­lich sein, wenn der Ver­ein nach­weist, dass die Ent­schei­dung auch ohne den Ver­stoß in glei­cher Weise zu­stande ge­kom­men wäre.

In­so­weit kommt es nicht al­lein auf das zah­lenmäßige Ab­stim­mungs­er­geb­nis an, es muss zu­dem aus­ge­schlos­sen sein, dass die Wil­lens­bil­dung bei ord­nungs­gemäßer Ein­be­ru­fung nicht zu einem an­de­ren Er­geb­nis geführt hätte. Hier­von war im vor­lie­gen­den Fall nicht aus­zu­ge­hen. Zwar kann eine Ein­la­dung durch einen persönli­chen Brief eine un­mit­tel­ba­rere Kennt­nis­nahme durch ein Ver­eins­mit­glied ermögli­chen als die in ei­ner Ver­ein­szeit­schrift veröff­ent­lichte Ein­la­dung. Der Be­klagte hat die Ein­la­dun­gen aber ohne Nen­nung des Ver­eins als Ab­sen­der mit­tels sog. In­fo­post ver­sandt und da­mit die rea­lis­ti­sche Ge­fahr ei­ner Ver­wechs­lung mit Wer­be­sen­dun­gen begründet, die häufig mit­tels In­fo­post der Deut­schen Post ver­sandt wer­den.

Zu­dem war als Ab­sen­der eine un­be­kannte Ge­sell­schaft ver­merkt. Des­we­gen ist nicht aus­zu­schließen, dass eine nicht un­er­heb­li­che An­zahl von Ver­eins­mit­glie­dern den Brief als Wer­be­sen­dung nicht oder - in Be­zug auf den Ver­samm­lungs­ter­min - verspätet zur Kennt­nis ge­nom­men hat. Hier­durch könn­ten sie ge­hin­dert ge­we­sen sein, sich an­ge­mes­sen auf die Ver­samm­lung vor­zu­be­rei­ten und frist­ge­recht Ergänzungs­anträge ein­zu­brin­gen.

Da nur 175 von rd. 11.000 Ver­eins­mit­glie­dern an der Mit­glie­der­ver­samm­lung teil­ge­nom­men ha­ben, ist es nicht aus­zu­schließen, dass die Wil­lens­bil­dung der Ver­eins­mit­glie­der bei ord­nungs­gemäßer Ein­be­ru­fung an­ders ver­lau­fen wäre. In­so­fern liegt auch ein re­le­van­ter Sat­zungs­ver­stoß vor. Das Recht zur Teil­nahme an der Mit­glie­der­ver­samm­lung ist ein exis­ten­zi­el­les Mit­glied­schafts­recht. Eine sat­zungs­wid­rige Form der Ein­la­dung, die nicht in ver­gleich­ba­rer Form eine recht­zei­tige Kennt­nis­nahme der Mit­glie­der gewähr­leis­tet wie die sat­zungs­kon­forme Ein­la­dung, begründe einen re­le­van­ten Sat­zungs­ver­stoß, aus dem im vor­lie­gen­den Fall die Un­wirk­sam­keit der in der Mit­glie­der­ver­samm­lung ge­fass­ten Be­schlüsse folgt.

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